Hamburg. Mannschaft, Trainer und Clubchef sind relegationserfahren. Doch das will der HSV vermeiden. Forsche Töne aus Wolfsburg.
„Reingemurmelt“. Das kann eines Tages auf dem Buch über seine Karriere stehen. „Reingemurmelt“ hat Pierre-Michel Lasogga (PML) den Ball, den ihm Lewis Holtby nach einer wilden Billardkugel-Aktion im Strafraum vorgelegt hat. Das 1:1 des Hamburger SV beim FC Schalke 04 beschert Lasogga und Co. am nächsten Wochenende ein echtes Endspiel gegen den VfL Wolfsburg um den Klassenverbleib in der Fußball-Bundesliga. Lasoggas „goldener Schuss“ könnte helfen, die beiden Relegationsspiele gegen den Dritten der Zweiten Liga am 25. Mai (Christi Himmelfahrt) und am 29. Mai (live in der ARD) zu verhindern.
Doch dazu braucht der HSV einen Sieg. Und da dürfte PML gerne wieder einen „reinmurmeln“, wie HSV-Sportchef Jens Todt das nannte. Es war Lasoggas erstes Saisontor nach einer sportlichen Durststrecke und der Verbannung auf die Bank, nachdem der am Saisonbeginn dazugekaufte Bobby Wood auf Schalke in aussichtsreichster Position vergab. Nur ein Dreier gegen Wolfsburg beschert dem Team von Markus Gisdol den Verbleib. Unentschieden oder Niederlage würde die Mannschaft für die Relegation „qualifizieren“ wie schon 2014 und 2015.
HSV: Fan-Krawalle auf Schalke
Und im Jahr davor hatte der heutige HSV-Coach Markus Gisdol mit 1899 Hoffenheim die Relegation gegen den 1. FC Kaiserslautern zu bestehen. Auch er hat also Erfahrung mit Zitterspielen. Und trotzdem war der Trainer auf Schalke mehr als geschafft. „Es war ein sehr emotionales Spiel. Das vergisst man nicht so schnell“, sagte Gisdol. „Jetzt müssen wir durchschnaufen, damit wir am nächsten Samstag den Sack zumachen können.“
Dabei müssen auch die Fans helfen, die sich auf Schalke nicht mit Ruhm bekleckerten. Es gab Angriffe auf Polizisten. Auch Gelsenkirchener Fans randalierten und zettelten Prügeleien an.
Lasogga: "Eine Last von den Schultern gefallen"
Torwart Christian Mathenia sagte: „Wir haben nächsten Samstag alles in der eigenen Hand. Das ist das Wichtigste.“ Lasogga meinte: „Ich bin sehr glücklich. Es tut gut, der Mannschaft so zu helfen. Mir ist eine Last von den Schultern gefallen.“ Er habe bei jedem Einsatz gespürt, „dass die Fans hinter mir stehen. Da wollte ich etwas zurückgeben.“
HSV-Vorstandschef Heribert Bruchhagen, der wie Gisdol (Trainer) und Lasogga (Jugendspieler) eine Schalke-Vergangenheit hat (Manager), glaubt an ein Happy End: „Die Dramaturgie ist jetzt gut für uns. Wir haben ganz kurz vor Schluss etwas Unerwartetes geschafft. Der unmittelbare Druck, direkt absteigen zu können, ist nun weg. Das fühlt sich richtig gut an.“
HSV-Spieler in der Einzelkritik
Doch Bruchhagen, ebenfalls relegationserfahren mit Frankfurt, warnte: „Wir wissen genau, was wir jetzt für eine Woche vor uns haben. Wir haben entweder ein Spiel oder noch drei Spiele. Jetzt müssen wir alles dafür tun, um das Szenario mit einem Sieg gegen Wolfsburg direkt in der Liga zu bleiben, zu erreichen. Das streben wir an, ist doch klar.“
Mario Gomez: Der Druck ist beim HSV
Denn auch die Wolfsburger wissen, was die Stunde geschlagen hat. Mario Gomez, verlässlicher Torgarant des HSV-Gegners, sagte: „Ich weiß, dass wir nicht absteigen werden.“ Gomez meinte weiter: „99 Prozent der Deutschen wünschen sich dieses Endspiel, wir nicht.“ Mit Blick auf den HSV sagte er: „Der Druck ist bei Hamburg. Wir werden das in Hamburg schaffen.“
Es ist praktisch nichts mehr unmöglich für den HSV. Das „Relegations-Triple“ mag zwar drohen, aber mit so viel Erfahrung in diesen Abstiegsendspielen bei Trainer, Mannschaft und Vorstand, einem Lasogga, der plötzlich trifft und einigen Last-Minute-Entscheidungen zugunsten des HSV ist sogar das Undenkbare denkbar: Dass vielleicht Dennis Diekmeier ein Tor schießt. Er hat in 181 Bundesligaspielen nicht getroffen. Diekmeier überholte am Sonnabend im historischen Negativranking den ehemaligen Gladbacher Thomas Eichin (180). Lediglich Markus Schuler, ehemals Hannover 96 und Arminia Bielefeld, hat noch mehr Spiele bestritten und das Tor nie getroffen (182 Partien).