Hamburg. Die “No Filter“-Tour führt Mick Jagger & Co. zum Auftakt auf die Festwiese. Zu dem Großereignis gibt es mindestens zwei Meinungen.
Die Nachricht elektrisiert Fans weltweit: Die Rolling Stones gehen wieder auf die Bühne und starten ihre Europa-Tour am 9. September im Hamburger Stadtpark. Veranstalter FKP Scorpio rechnet mit bis zu 80.000 Fans, die Mick Jagger (73), Keith Richards (73), Charlie Watts (75) und Ronnie Wood (69) dann auf der großen Festwiese zwischen Otto-Wels-Straße und Stadtparksee erleben.
Bereits am 1. September beginnt der Aufbau, der Abbau könnte bis zum 14. September dauern – eine Belastung für die Rasenflächen, doch Veranstalter und Bezirksamt Hamburg-Nord sorgen vor. Um die zwölf Tribünen herum, die etwa 26.000 Sitzplätze in Bühnennähe bieten, und im direkten Bühnenbereich selbst kommen spezielle Rasenschutzsysteme zum Einsatz, Einfriedungen sollen auch angrenzende Bereiche schützen.
Bankbürgschaft des Veranstalters
Eine Bankbürgschaft des Veranstalters garantiert, dass eventuell trotzdem auftretende Schäden umgehend behoben werden können. Bezirksamtsleiter Harald Rösler (SPD) erklärte, alle Beteiligten würden Sorge dafür tragen, dass der „altehrwürdige, wunderschöne Stadtpark“ das Ereignis unbeschädigt überstehe. FKP Scorpio zahlt für die Nutzung der Festwiese einen nicht näher bezeichneten sechsstelligen Betrag, der für zusätzliche Pflegearbeiten in den Grünanlagen des Bezirks Hamburg-Nord eingesetzt wird.
Konzertankündigung via Twitter:
Wer die berühmteste Rockband der Welt im Stadtpark sehen möchte, muss übrigens tief in die Tasche greifen: Die Sitzplätze im vorderen Bereich kosten bis zu 680 Euro, für die Stehplätze weiter hinten auf der Wiese sind immer noch 85 Euro fällig. Der Kartenvorverkauf startet bereits an diesem Freitag um 12 Uhr exklusiv im Internet auf www.eventim.de. Ab Sonnabend, 10 Uhr, sind Karten in allen üblichen Vorverkaufsstellen erhältlich.
Die Konzertankündigung stößt nicht auf ungeteilte Begeisterung. Auch die Abendblatt-Redakteure Maike Schiller und Oliver Schirg vertreten unterschiedliche Meinungen – die Debatte:
Ja! Eine Musikmetropole braucht solche Sternstunden!
Von Maike Schiller
Einer nölt ja immer. „Sollen diese knittrigen Multimillionäre doch ihr vernebeltes, spätvegetarisches Ego pampern – aber nicht bei uns und nicht so teuer und nicht so laut und nicht so viele und nicht im September, genau da könnte ja die Sonne scheinen, und genau an diesem Tag wollte ich auf genau diese Wiese!“ Genau! Nee – geschenkt. Ehrlich: Wer in einer Metropole leben will, die (na, vielleicht bis zur Eröffnung der Elbphilharmonie) ohnehin nicht im Verdacht stand, zum Beispiel Berlin kulturell überholen zu wollen, der kann nicht ernsthaft reflexartig in den Dagegen-Modus schalten, sobald mal einer mit unverhofften Ideen kopfüber in die stoffelige Alltagsroutine hopst. Und wenn Hamburg das Tor zur Welt sein will, macht es wenig Sinn (und übrigens auch keinen Spaß), ständig abzuschließen und den Schlüssel zu verschlucken. Gegen die Elbphilharmonie, gegen Olympia, gegen G20 (zugegeben, im Einzelfall gibt es Argumente), jetzt also auch gegen das Konzert der Rolling Stones im Stadtpark.
Wer sein Gegenüber nach der berühmtesten aktiven Band der Welt fragt, was ist die Antwort? Eben. Halten wir mal fest: Die Rolling Stones hatten ihre besten Zeiten schon vor Jahren hinter sich – kommen andererseits für eine solche Kategorisierung überhaupt nicht infrage. Und diese Band hat sich nun ausgerechnet Hamburg als Auftakt für ihre Europa-Tournee ausgesucht. Das ist nicht nur für all jene fein, die bis zur Zugabe ihrer „Satisfaction“ entgegenfiebern. Sondern auch für die Außenwirkung einer sich gerade neu (er)findenden Musikmetropole, die in diesem Jahr mit gleich zwei international beachteten Kulturereignissen – Elbphilharmonie, „Theater der Welt“ – punktet. Dass das Konzert nicht im Stadion, sondern im Stadtpark stattfindet, macht es nur interessanter. Es könnte, 28 Jahre nach dem letzten Stadtparkwiesen-Konzert, ein legendärer Abend werden. Bisschen schade vielleicht, dass die Stones nicht im kleinen Stadtparkrund spielen, da könnte man Mick Jagger auch von ganz hinten erkennen.
Der Veranstalter haftet für etwaige Schäden, die Stadt verdient was nebenbei, die Anwohner sind rechtzeitig vorgewarnt, wem ein First-Class-Ticket 680 Euro wert ist, hat selbst Schuld – und wer immer noch alles total daneben finden möchte, darf das. Bester Rat in diesem Fall: einfach nicht hingehen.
Nein! 100.000 Konzertbesucher gehören nicht in den Stadtpark
Von Oliver Schirg
Es ist eine falsche Entscheidung, im Stadtpark ein Konzert für bis zu 100.000 Menschen zu organisieren. Sie ist vor allem falsch, weil die Infrastruktur des Parks und seiner näheren Umgebung für ein Ereignis, bei dem sich so viele Menschen für einen Zeitraum von einigen wenigen Stunden an einem Ort versammeln, nicht vorhanden ist.
Zu glauben, dass jeder der Gäste auf die Anreise mit dem eigenen Auto verzichtet, ist angesichts der vielen auswärtigen Besucher töricht. Natürlich werden sich Tausende in ihr Fahrzeug setzen und das Straßennetz rund um den Stadtpark völlig überfordern. Da hilft es wenig, dass das Konzert an einem Sonnabend stattfindet.
Zwar gibt es im Süden des Stadtparks zwei U-Bahn-Stationen und eine S-Bahn-Haltestelle im Osten. Allerdings sind alle Stationen zu Fuß nur umständlich zu erreichen. Sie reichen selbst bei bester Organisation nicht aus, den Besuchern eine halbwegs komfortable und sichere Abreise nach Konzertende garantieren zu können.
Auch wenn man nur das Beste hoffen kann, so stellt sich die Frage, wie in Zeiten von Terroranschlägen so ein großer wie unübersichtlicher Veranstaltungsort gesichert werden kann? Hinzu kommt, dass das Konzert in den Abendstunden geplant und der Stadtpark nicht flächendeckend hell erleuchtet ist.
Es ist nur ferner auf den ersten Blick großzügig, wenn die Veranstalter für mögliche Zerstörungen eine Bankbürgschaft hinterlegen. Sinnvoller wäre es doch, ein Konzert nur dort zu veranstalten, wo nicht mit Kollateralschäden gerechnet werden muss. Die Rasenflächen und Wege eines städtischen Parks sind dafür jedenfalls kaum geeignet.
Im gesamten Bezirk Hamburg-Nord leben rund 300.000 Menschen. Auch diese Zahl macht die Dimension und die Fragwürdigkeit der Entscheidung deutlich, im Stadtpark für bis zu 100.000 Besucher das Konzert der Rolling Stones zu organisieren.
Es stellt sich also die Frage, warum die Musiker und Konzertveranstalter in Hamburg nicht den Weg in eine Konzerthalle oder in das teilüberdachte Volksparkstadion gefunden haben. In München und Düsseldorf – weitere deutsche Stationen auf der Europatour – hat man sich anders entschieden. Vermutlich liegt es am Hamburger Wetter. Der September gilt in der Hansestadt ja traditionell als regenarm.