Hamburg. Die ersten Mitarbeiter müssen bereits zum 1. Juli gehen. Neue Werftleitung will auch Tarifverträge ändern.

Die Pläne zum Arbeitsplatzabbau bei Hamburgs Traditionswerft Blohm + Voss werden konkret. Bei einer Betriebsversammlung am Mittwoch informierte der Geschäftsführer der Werft, Dieter Dehlke, die Belegschaft über die Stellenstreichungen. Betroffen sind 300 von derzeit 980 Beschäftigten des Schiffbaubetriebs.

„Um den Standort langfristig zu sichern, werden wir – trotz zahlreicher kurzfristiger Einsparmaßnahmen, die das Unternehmen und jeden einzelnen Mitarbeiter betreffen – Stellen in der Stammbelegschaft abbauen müssen“, sagte Dehlke nach der Mitarbeiter­versammlung. „Aus heutiger Sicht sind in zwei Phasen – eine im Sommer dieses Jahres, eine zweite voraussichtlich im kommenden Jahr – rund 300 Arbeitsplätze in allen Bereichen des Unternehmens betroffen.“

Es soll einen Sozialplan geben

Wie Dehlke weiter berichtete, soll es einen Sozialplan geben. Nach Informationen des Abendblatts sieht der Plan im Einzelnen vor, dass etwa zwei Drittel der betroffenen Mitarbeiter bereits zum 1. Juli gekündigt werden. Ein weiteres Drittel zum 1. Juli 2018. Die Mitarbeiter sollen für ein Jahr in eine Transfergesellschaft wechseln, in der sie weiterqualifiziert werden und 80 Prozent ihres letzten Bruttolohns erhalten.

Wie viele betriebsbedingte Kündigungen die Werft aussprechen wird, ist aber noch offen. Vorgeschaltet wird nämlich ein Programm, das das freiwillige Aussscheiden aus dem Unternehmen erleichtern soll. Dabei ist eine Abfindung vorgesehen, die je nach Alter, Betriebszugehörigkeit und Bruttoeinkommen unterschiedlich hoch ausfallen wird. Ein 50 Jahre alter Metallfacharbeiter mit 20 Jahren Betriebszugehörigkeit, der einen Monatsverdienst von 3800 Euro brutto hat, bekommt demnach 26.000 Euro.

Fakt ist, dass die Werft gerne erfahrene Angestellte im mittleren Alter halten will. Deren Berechnungsschlüssel ist ungünstiger, sodass die Abfindung niedriger ausfällt. Gleiches gilt für Mitarbeiter, die einen freiwilligen Wechsel in die Transfergesellschaft ablehnen und gekündigt werden. Auch sie erhalten eine geringere Abfindung.

Mit Wut und Enttäuschung habe die Belegschaft auf die Ankündigungen der Geschäftsführung reagiert. „Warum müssen wir jetzt gehen?“, hätten viele Beschäftigte gefragt, sagte der Betriebsratsvorsitzende Murat Acerüzümoglu. „Warum müssen wir für die Fehler des Managements in der Vergangenheit zahlen?“ Schließlich habe die Belegschaft immer wieder darauf hingewiesen, dass die Werft dringend neue Aufträge brauche. „Stattdessen wurde uns immer wieder vorgegaukelt, dass der Neubau einer Großyacht in Aussicht steht.“

Investitionsstau über Jahre

Die Bremer Lürssen Gruppe hatte Blohm + Voss im Herbst des vergangenen Jahres vom britischen Finanzinvestor Star Capital gekauft. Sehr schnell zeichnete sich bei der Bestandsaufnahme ab, dass sich auf dem Werftgelände gegenüber den Landungsbrücken über Jahre ein Investitionsstau aufgebaut hat – und neue Aufträge fehlen. „Unsere Docks waren in den vergangenen Wochen zwar gut gefüllt, das waren aber nur kleine, wenig beschäftigungswirksame Aufträge“, sagt Acerüzümoglu. Richtig düster sei die Auftragslage für 2018.

Unterschrieben ist der Sozialplan allerdings noch nicht. Denn Lürssen will bei den nach den Kündigungen verbleibenden Beschäftigten den Lohn kürzen, um die Abfindung der anderen Kollegen gegenzufinanzieren. Die IG Metall will am kommenden Montag mit den Gewerkschaftsmitgliedern des Unternehmens darüber beraten, ob sie in Verhandlungen über Änderungen des Tarifvertrags eintritt. „Angesichts der wirtschaftlichen Lage von Blohm + Voss kann man sich dem eigentlich nicht verschließen“, sagt Emanuel Glass, Zweiter Bevollmächtigter der IG Metall Hamburg. „Wir lassen uns aber nicht erpressen. Die Geschäftsführung möchte den Sozialplan nämlich von unserer Zustimmung zu Tarifänderungen abhängig machen.“

Arbeitszeit und Lohntabelle nicht verhandelbar

Sollte die Werftführung gar eine Verlängerung der Arbeitszeit für die verbleibenden Beschäftigten ins Auge fassen, sei dies nach Meinung der Gewerkschaft nicht akzeptabel. „Aus Sicht der Belegschaft ist die Lohntabelle nicht verhandelbar“, ergänzt Betriebsratschef Acerüzümoglu.

Bereits heute sollen die Gespräche mit den Mitarbeitern beginnen, von denen sich die Werft trennen will. Die Leiter der einzelnen Sparten sollen dazu Vorschläge erarbeiten. „Der Stellenabbau geht über alle Ebenen. Am stärksten ist aber die Fertigung betroffen“, sagt Acerüzümoglu. Richtig erbost sind er und seine Kollegen an diesem Tag vor allem über eines: „Es hat sich keiner von der Unternehmensführung aus Bremen blicken lassen.“