Hamburg. 7700 Menschengehen zum Tag der Arbeit in Hamburg auf die Straße. Auch Angestellte von Traditionsfirmen demonstrieren.
Der Fischmarkt am Montagmittag: frühlingshafte Temperaturen, Sonnenschein und ein wütender Betriebsratschef von Blohm + Voss. „Uns da drüben geht es schlecht“, ruft Murat Acerüzümoglu bei der Kundgebung auf der Demonstration zum Tag der Arbeit und zeigt auf das Gelände der Hamburger Traditionswerft am Elbufer gegenüber. Dort hängt am Kai ein Plakat, mit dem ein Kreuzfahrtunternehmen für schöne Reisen wirbt.
Urlaubsstimmung dürfte bei den Angestellten von Blohm + Voss allerdings kaum aufkommen, denn der Auftragsbestand im Schiffsneubau ist stark gesunken. Zudem seien wichtige Investitionen zuletzt ausgeblieben, teilte der Aufsichtsrat Ende Februar nach einer mehrwöchigen Analyse mit. Nun sollen 300 von fast 1000 Jobs wegfallen. „Das ist nicht die Schuld der Mitarbeiter“, ruft Betriebsratschef Acerüzümoglu. Er fordert, dass zumindest die Jobs der verbleibenden Mitarbeiter erhalten und „die hart erkämpften Tarifverträge unangetastet bleiben“.
7700 Menschen nahmen teil
Neben Acerüzümoglu waren in Hamburg etwa 7700 Menschen – davon gut 500 in Bergedorf – dem Aufruf des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) zum 1. Mai gefolgt. Die bundesweiten Demonstrationen für die Rechte der Arbeitnehmer standen in diesem Jahr unter dem Motto „Wir sind viele, wir sind eins!“ In der Hamburger Innenstadt marschierten die Teilnehmer vom Rödingsmarkt zum Fischmarkt. Mit dabei waren Bürgermeister Olaf Scholz (SPD), Hamburgs Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank (Grüne) und Bischöfin Kirsten Fehrs.
Spardruck bereitet nicht nur den Mitarbeitern von Blohm + Voss Sorgen. Auch andere Teilnehmer der Demonstration treibt das Thema um. „Lohndumping stoppen! Sicherheit hat ihren Preis“, hatten etwa Angestellte von Lufthansa Technik auf ihr Spruchband geschrieben. Hintergrund: Die Abteilung Flugzeugüberholung des Unternehmens in Hamburg wird geschlossen. „Das ist für viele von uns nicht nachvollziehbar“, hieß es. Das Unternehmen will die Flugzeugüberholungen künftig an Standorten wie in Budapest, Sofia, Puerto Rico und Manila anbieten. Die Mitarbeiter werden in andere Bereiche versetzt oder sollen Angebote wie Altersteilzeit erhalten.
DGB fordert Unterstützung von der Politik
Hamburgs DGB-Vorsitzende Katja Karger verwies in ihrer Rede zunächst auf den Einfluss der Gewerkschaften, forderte anschließend allerdings mehr Unterstützung von der Politik. „Der Mindestlohn ist eine unserer Erfolgsgeschichten“, sagte sie. „Aber er wird immer noch oft umgangen. Deshalb brauchen wir Sanktionen.“
Einen weiteren Missstand gebe es bei den Arbeitsverhältnissen in vielen Bereichen und Branchen, sagte Karger. „Befristete Verträge werden zur Regel. Macht Schluss mit dem Befristungswahn“, appellierte Karger erneut an die Politik.
Anschließend forderte die DGB-Vorsitzende von den Unternehmen, die Tarifflucht zu beenden: „Arbeitgeber, die sonntags von der Sozialpartnerschaft reden und montags die Tarifbindung kündigen, sind für uns Heuchler. Die Tarifbindung ist inzwischen auf durchschnittlich 50 Prozent abgesackt.“ Millionen von Beschäftigten seien ohne Tarifvertrag und damit massiv schlechter gestellt. Das habe zur Folge, dass Einkommens- und Lebensbedingungen immer weiter auseinanderklafften. „Da brauchen wir uns nicht mehr zu fragen, woher die Verunsicherung und soziale Abstiegsangst vieler Menschen kommt“, sagte Karger.
Erinnerungsfoto mit Olaf Scholz
Ein weiteres Anliegen hatten Mitglieder des Azubiwerks Hamburg. Eingehüllt in blaue Kartons, die für eine Unterkunft stehen sollten, forderten sie bei der Demo bezahlbaren Wohnraum für Azubis. Bisher gibt es nur ein Azubiwohnheim in Hamburg, nämlich in Wandsbek. Dort seien allerdings schon alle 156 Zimmer belegt, wobei rund 2500 Bewerbungen eingegangen seien, sagte Patrick Fronczek, Vorstand der Stiftung Azubiwerk. Ziel sei es, bis 2022 an sechs Orten in Hamburg insgesamt 1000 Plätze zu schaffen.
Vor Kurzem mit seiner Ausbildung fertig geworden ist Precious Sabottka. Der 30-Jährige kam 2010 aus Ghana nach Deutschland, weil seine Mutter hier schon länger lebt. Als er 2013 einen Ausbildungsplatz zum Maler fand, sagte seine Deutschlehrerin: „Jetzt bist du unter den Arbeitenden. Das musst du feiern.“ Seitdem nimmt Sabottka, der 2015 von der Handelskammer zum Azubi des Jahres gekürt wurde, an den Hamburger Demos am 1. Mai teil. Von der Veranstaltung am Montag bleibt Sabottka eine besondere Erinnerung: ein Foto von ihm mit Olaf Scholz.