Hamburg . Naturschutzbund beklagt Naturvernichtung durch Wohnungsbau. Grün müsse voll erhalten bleiben. Nabu will Volksinitiative starten.

Der seit Jahren schwelende Konflikt um den Wohnungsbau in Hamburg droht zu eskalieren. Der Naturschutzbund Nabu hat am Donnerstag bei seiner Mitgliederversammlung mit großer Mehrheit beschlossen, eine Volksinitiative auf den Weg zu bringen, mit der eine weitere Bebauung von Grünflächen in der Hansestadt verhindert werden soll.

Die Initiative mit dem Titel „Hamburgs Grün erhalten“ hat laut Nabu das Ziel „Hamburgs Grün nach Fläche, Volumen und Naturwert mindestens zu erhalten“. Sprich: Es soll keinerlei Grün mehr bebaut werden dürfen, es sei denn, an anderer Stelle entstehen im gleichen Umfang neue Naturflächen, etwa durch Renaturierungsmaßnahmen.

„20 Prozent der Wohnungen werden auf der grünen Wiese gebaut“

„Hamburgs Grün- und Baumverluste haben sich durch den Wohnungsbau gerade in den letzten fünf Jahren zugespitzt. So gab es im Zeitraum von 2011 bis 2016 einen Grünflächenverbrauch für Neubauten von 246 Hektar, insgesamt 110 Bebauungspläne und fast 2900 Bäume, die demzufolge aus dem Stadtbild verschwunden sind“, schreibt der Nabu. „Die zukünftigen Pläne des Hamburger Senats weisen in eine dramatische Dimension. Mit dem ‘Bündnis für das Wohnen’ sollen jedes Jahr 10.000 neue Wohnungen entstehen, für die im Vertrag des Bündnisses allein schon 67 Hektar Flächenbedarf veranschlagt werden.“ Es sei daher eine leere Floskel, wenn Stadtentwicklungssenatorin Dorothee Stapelfeldt (SPD) sage, dass Hamburgs Charakter als grüne Stadt bewahrt bleiben solle.

Im November 2016 habe Stapelfeldt erklärt, dass 80 Prozent der Wohnungen durch Innenverdichtung entstehen sollten, so der Nabu. „20 Prozent der Wohnungen aber werden an ‘anderen Orten’ gebaut – im Klartext heißt das ‘Bauen auf der grünen Wiese‘.“ Drei geplante Großprojekte zeigten, was das bedeute: Elf Hektar Grünlandfläche würden für das Projekt Billstedt 113 in Öjendorf verbraucht, 80 Hektar landwirtschaftliche Fläche für das Gebiet Fischbeker Reethen und 100 Hektar für den neuen Stadtteil Oberbillwerder.

Nabu sucht Bündnispartner, die ihn bei der Volksinitiative unterstützen

„Es ist altbekannte Salamitaktik, die der Hamburger Senat hier anwendet“, sagt der Hamburger Nabu-Chef, Ex-Umweltsenator Alexander Porschke. „In den Sonntagsreden wird die grüne Stadt gelobt. Tatsächlich werden jedoch wertvolle Grünflächen in den Landschaftsachsen Stück für Stück abgeschnitten: hier eine Ecke vom Landschaftsschutzgebiet abgetrennt, dort eine Feuchtwiese zubetoniert. Einzeleingriffe werden bagatellisiert, aber es ist die Summe der einzelnen Teile, die zum Problem geworden ist.“

Dem „Druck auf die Stadt-Natur“ wolle der Nabu nun mit der Volksinitiative „eine Grenze setzen“ und „den Druck an die Politik zurückspielen“, kündigte Porschke an. Nach dem Beschluss vom Donnerstag muss nun allerdings erst der Text der Initiative formuliert werden. Zugleich will der Nabu Bündnispartner suchen, die ihn bei seinem Vorhaben unterstützen.

Nabu hat 10.000 Euro für Kampagne freigegeben

„Mit der Unterstützung seiner aktuell über 22.000 Mitglieder sieht der Nabu dabei gute Chancen“, geben sich die Naturschützer selbstbewusst. „Für eine erfolgreiche Volksinitiative müssen innerhalb von sechs Monaten 10.000 Unterschriften gesammelt werden.“ Für die Kampagne haben die Nabu-Mitglieder am Donnerstag die Verwendung von 10.000 Euro aus den Rücklagen des Nabu freigegeben.

Der genaue Zeitpunkt des Startes steht allerdings noch nicht fest, die Initiative soll aber noch in diesem Jahr starten, heißt es. Sollte die Volksinitiative genügend Unterstützer finden, könnte es im zweiten Schritt der Volksgesetzgebung ein Volksbegehren geben, für das mehr als 60.000 Unterschriften gesammelt werden müssten. Gelingt auch das, könnte es zum Volksentscheid über die Frage kommen, was den Hamburger wichtiger ist: der vollständige Erhalt aller Grünflächen oder möglichst bezahlbarer Wohnraum unter Verzicht auf Teile der Natur.

Volksentscheid wäre 2020 möglich

Laut Nabu-Chef Porschke peilt die Initiative einen Volksentscheid parallel zur Bürgerschaftswahl Anfang 2020 an – für den Fall, dass man sich vorher nicht mit der Politik über einen Schutz des Grüns einigen könne.

Porschke sagte dem Abendblatt, es gehe nicht darum, den Wohnungsbau grundsätzlich zu erschweren, sondern darum, das Grün zu erhalten. "Ich finde es falsch, dass Hamburg nun überall wirbt, um mehr Menschen hierher zu holen. Das Wachstum der Stadt ist kein Wert an sich", so Porschke. In Hamburg werde in der Folge die Infrastruktur überlastet und die Natur leide. Andere Gebiete würden dafür entvölkert und es gebe dort keine gute Versorgung für die verbleibenden Menschen mehr, so Porschke. Der Nabu-Chef nennt auch zwei Beispiele für die aus seiner Sicht falsche Entwicklung: "Wenn Hamburg Husum die Windmesse nicht gönnt und Wilhelmshaven keinen Container, dann hat das am Ende nur Nachteile für alle Beteiligten."