Hamburg. Naturschützer legen Widerspruch gegen Bau von 250 Wohnungen am Öjendorfer See ein und drohen mit einer Klage.
Der Streit über den Bau von rund 250 Wohnungen für Flüchtlinge in Billstedt spitzt sich zu. Sowohl Anwohner als auch die Naturschutzorganisation BUND haben beim Bezirksamt Hamburg-Mitte Widerspruch gegen die Bebauung des Gebiets „Östlich Haferblöcken“ eingelegt und angekündigt, notfalls vor das Verwaltungsgericht zu ziehen. Die Sprecherin des Bezirksamts, Sorina Weiland, bestätigte den Eingang und erklärte, deren Inhalt werden derzeit geprüft.
Hintergrund ist der Plan der Stadt, in einem Teil des Öjendorfer Parks mehrere Hundert Wohnungen zu errichten. In einem ersten Schritt hatte der Bezirk Mitte am 24. Dezember vergangenen Jahres zwei Baugenehmigungen für 112 Reihenhäuser und weitere Gebäude für Flüchtlinge erteilt. Die Stadt beruft sich dabei auf Sonderregelungen des Paragrafen 246 des Baugesetzbuches. Dessen Auslegung durch die Stadtentwicklungsbehörde ist – auch unter Experten – umstritten.
Bürgerinitiative wirft der Stadt „moralisch verwerfliches“ Verhalten vor
Nach Ansicht der Bürgerinitiative „Natürlich MITTEndrin!“ missbraucht die Stadt „moralisch höchst verwerflich die Situation der Flüchtlinge und begründet den Eingriff in Landschaftsschutzgebiete und ökologisch wertvolle Flächen mit einer angeblich immer noch bestehenden Notsituation“. Ziel sei jedoch, in „Tabu-Gebieten“ rasch Wohnungsbau zu ermöglichen.
Kommentar: Das Vertrauen in die Politik ist verloren
Neben den Flüchtlingswohnungen sollen auf dem Gelände 550 gewöhnliche Wohnungen errichtet werden. Dafür läuft ein Bebauungsplanverfahren. Hamburgs BUND-Chef Manfred Braasch fürchtet, dass die ökologisch wertvolle Fläche durch den Bau der Flüchtlingswohnungen „entwertet und so der Bau weiterer Wohnungen erleichtert wird“. Er forderte, das Ergebnis des regulären Bebauungsplanverfahrens abzuwarten, bevor durch Flüchtlingswohnungen Tatsachen geschaffen würden.
Stadt will insgesamt 4800 „Expresswohnungen“ bauen
Die Umweltschutzorganisation lehnt die Bebauung der in einem Landschaftsschutzgebiete liegenden Fläche grundsätzlich ab. „Der Öjendorfer Park hat aus unserer Sicht in Teilen den Wert eines besonders geschützten Biotops“, sagte Braasch weiter. Das betreffe vor allem die sogenannten Knicks. Das sind kleine, mit Sträuchern und Bäumen bewachsene Erdwälle, die das Gebiet durchziehen und die Heimat für viele Tiere und Pflanzen bilden.
Zudem ist die Baufläche nach Ansicht der Naturschützer Teil einer Leitbahn für Kaltluft, die für das Stadtklima bedeutsam ist und im Sommer für Frischluft im Stadtkern sorgt. SPD und Grüne hatten diese Landschaftsachsen in ihrem Koalitionsvertrag unter Schutz gestellt. Nach den Worten von Braasch zeigt das „abstruse Vorgehen“ der Stadt, „wie Stadtentwicklungspolitik derzeit in Hamburg funktioniert: Hauptsache bauen. Was kümmern einen da Schutzgebiete oder die eigenen Genehmigungsauflagen?“
Anwohner hatten vergangene Woche demonstriert
Die Anwohner hatten in der vergangenen Woche mit einer Protestaktion auf den drohenden Verlust der Parkfläche aufmerksam gemacht. „Es gibt hier zig neue Schmetterlingsarten, welche sich entwickelt haben, und erst vor kurzem wurden Amphibienteiche angelegt und die werden uns nun wieder genommen“, sagte eine Anwohnerin aus dem nahen Jenfeld. Die Bewohner seien verärgert, denn nicht jeder könne den Zoobesuch mit den Kindern bezahlen.
Den Vorwurf, in der Nachbarschaft würden Flüchtlinge grundsätzlich abgelehnt, wies eine Anwohnerin zurück. „Ich bin selber eine Person mit Migrationshintergrund“, sagte die 35-Jährige. Hamburg sei bereits eine Stadt mit zu wenig Grünfläche, da könne nicht noch mehr bebaut werden. Zusätzlich gebe es auf der Straße häufig chaotische Situationen, da sie zu eng sei.
Die Stadt hat im Zuge der Flüchtlingskrise den Bau von 4800 Expresswohnungen beschlossen. Um die im gewöhnlichen Wohnungsbau gesetzlich vorgeschriebenen strengen Auflagen bei der Mitbestimmung oder des Umweltschutzes zu umgehen, werden die Gebäude zunächst als Flüchtlingsunterkünfte deklariert. Später sollen sie normale Wohnungen werden. Dieses Vorgehen ist umstritten.