Hamburg. Umweltbehörde setzt Brüsseler Richtlinie um. Hagenbeck muss Zwerghirsche und Nasenbären unfruchtbar machen. Neun Tierarten betroffen.
Während der heimische Schierlings-Wasserfenchel im Verfahren um die Elbvertiefung jüngst unter allerhöchsten Naturschutz gestellt wurde, soll nun anderen, eingewanderten Tier- und Pflanzenarten in Hamburg der Garaus gemacht werden. So schreibt es eine neue EU-Verordnung zum Schutz der hiesigen Flora und Fauna vor. Dabei stehen 37 Tier- und Planzenarten auf der europäischen Abschussliste, elf von ihnen kommen auch in Hamburg vor. Darunter wild lebende, eingewanderte Waschbären, Wollhandkrabben und Nutrias, aber auch bei Hagenbeck gehaltene Muntjaks oder Nasenbären, die sich nun nicht weiter fortpflanzen dürfen. Zuständig für die Umsetzung der EU-Verordnung ist die Umweltbehörde.
Übergangsfristen gesucht
Wie genau gegen die „Einwanderer“ in der Stadt vorgegangen wird, steht im Haus von Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) noch nicht fest. „Die Umweltbehörde ist aktuell mit anderen Bundesländern in der Abstimmung, um angemessene Lösungen und Übergangsfristen für jede einzelne Art zu finden“, lässt Sprecher Björn Marzahn wissen. Dazu zähle auch, wie die betreffenden Arten aktiv eingedämmt werden sollen. Bis Ende des Jahres sollen Managementpläne erstellt und das Jagdgesetz angepasst werden. Wichtig für Privathalter und Zoos sei: „In Gefangenschaft gehaltene Tiere müssen nicht gezielt getötet werden.“ Die betroffenen Arten dürften nun aber nicht mehr gezüchtet oder transportiert werden.
In Hagenbecks Tierpark ist die Begeisterung über die Verordnung deshalb überschaubar. Der Tierpark muss nun seine 14 frei herumlaufenden Muntjaks, asiatische Zwerghirsche, in Gehege verfrachten und unfruchtbar machen. Gleiches gilt für die sieben Nasenbären. „Wir halten uns an das Zuchtverbot für diese Arten“, sagt eine Sprecherin. „Und müssen den Bestand im Tierpark aussterben lassen.“ Gleichwohl habe sich Hagenbeck den Petitionen gegen die EU-Verordnung sowie dem Protest des Verbands der Zoologischen Gärten angeschlossen: Dort hält man die Anwendung der EU-Verordnung auf Zootiere für unangebracht, fordert Ausnahmeregelungen. Für Zoohandlungen gelten zwar Übergangsfristen, aber auch sie müssen ihre kommerziellen Bestände dem Haltungs- und Handelsverbot der Verordnung schon jetzt anpassen.
Wenig Verständnis
Im Wildpark Schwarze Berge bringt Geschäftsführer Arne Vaubel ebenso wenig Verständnis für das neue EU-Recht auf. Ohne Nachzucht seien die Tage seiner etwa 20 Nutrias und der fünf Waschbären gezählt. Würde man die EU-Verordnung konsequent weiterdenken, dürften in keinem Zoo der Welt regionsfremde Arten gehalten werden. „In der Natur mag die Verordnung richtig sein“, sagt Vaubel. „Bezogen auf Tierparks und Zoos halte ich das für sehr gewagt.“ Sowohl Hagenbeck als auch sein Wildpark stünden für verlässliche Gehegehaltung. Die Gefahr einer Verdrängung heimischer Tiere durch invasive Arten bestehe demnach nicht.
Auf Stadtgebiet sieht das laut dem Naturschutzbund (Nabu) Hamburg anders aus. Neun der 23 von der EU gelisteten Tierarten kommen hier vor. Seit Jahren klagen etwa Elbfischer über die in Ballastwassertanks eingeschleppten Chinesischen Wollhandkrabben. „Allerdings fehlt mir die Fantasie, wie man dieser Invasion künftig Herr werden kann“, sagt Christian Gerbich, Naturschutzreferent beim Nabu.
Nur ein Einzelfund
Einwanderer wie Nutrias seien da einfacher zu bejagen, kämen im ganzen Stadtgebiet vor. Im Gegensatz dazu gebe es nur kleine Waschbärenpopulationen in Bergedorf oder im Duvenstedter Brook. Ursprünglich ausgesetzte Schmuckschildkröten haben sich in Planten un Blomen angesiedelt, von der ebenfalls gelisteten Schwarzkopf-Ruderente gab es laut Umweltbehörde nur einen Einzelfund in Hamburg.
Grundsätzlich sei der europaweite Schutz heimischer Arten auch für eine Stadt wie Hamburg sinnvoll, sagt Nabu-Experte Gerbich. Dabei sollte es einen fortlaufenden, regionalisierten Prozess geben. Denn tatsächlich für die Stadt problematisch invasive Pflanzenarten wie Indisches Springkraut, Japanischer Knöterich oder Riesenbärenklau stünden nicht auf der Liste. Auch der Marderhund, 2016 immerhin 87-mal in Hamburg geschossen, wird nicht als bedrohlich invasiv eingestuft. Dabei heißt es im Jahresbericht: „Die Abschusszahlen legen nahe, dass der Marderhund viel stärker eingewandert ist als der Waschbär.“ Nabu-Experte Gerbich: „Vor weiteren Maßnahmen muss deshalb der Bestand der Arten in Hamburg ermittelt werden.“ Nur auf dieser Grundlage sollten weitere Pläne fußen.
Weder fangen noch transportieren
Auf Bundesebene werde aktuell am Aktionsplan gearbeitet, sagte Ministeriumssprecher Nikolai Fichtner. „Er regelt die Zuständigkeiten der Länder, soll präventiv die Einwanderung neuer Arten eindämmen.“ Der Hamburger Umweltbehörde sei es überlassen, den sogenannten Managementplan für die bereits festgelegten Tier- und Pflanzenarten zu erstellen. Der gezielte Abschuss invasiver Arten ist nach einer Anpassung des Jagdgesetzes wohl die Folge. Denn laut EU-Verordnung dürfen problematisch eingestufte Tiere weder gefangen noch transportiert werden.