Hamburg. Naturwissenschaftlicher Schatz mit modernisiertem Foyer und veränderter Dramaturgie wiedereröffnet.
Irgendwann werden wir zehn Milliarden sein. Das Erdzeitalter des Menschen hat längst begonnen. Niemand prägt und dominiert den Planeten mehr, macht ihn sich mehr zum Untertan. Die Frage ist nur: Zerstören oder retten wir auf lange Sicht die einzige Erde, die wir haben?
Es sind auch solche Themen, die künftig im Zoologischen Museum Hamburg verhandelt werden sollen. Nach dem etwa eine halbe Million Euro teuren Umbau des Eingangs ist das Haus an der Bundesstraße in Rotherbaum am Donnerstag wiedereröffnet worden.
Programm zum Eröffnungswochenende
Besucher empfängt nun im allein 200 Quadratmeter großen Foyer kein 80er-Jahre Mief mehr, sondern ein lichtdurchfluteter, in dunklen Tönen gehaltener Eingangsbereich. Multimedial, zukunftsweisend und nach außen sichtbar. Die Zeiten des „am besten versteckten Museums“ in Hamburg sollen vorbei sein, jetzt fungiert das Foyer als „Schaufenster zur Stadt“. Passende Losung: „Ein Museum taucht auf.“
Interessant inszeniert
In einer der neuen Vitrinen wird Museumsgästen nun etwa der Spiegel vorgehalten. Zwischen präpariertem Eisbär und Finnwal-Skelett beleuchtet der Auftakt der Ausstellung das „Erdzeitalter des Menschen“, die Rolle des Homo Sapiens als Evolutionsfaktor. Keine schlechte Pointe, den Einstieg in das „Haus der Tierwelten“ dem Menschen zu widmen. „Intellektuell verstörend“ soll der modernisierte Auftakt in eine der bedeutendsten zoologischen Sammlungen Deutschlands sein, sagte der Direktor des Centrums für Naturkunde (CeNak), Matthias Glaubrecht. Alles darf ein bisschen neugieriger machen als vorher. Auch der Eisbär, der als Willkommensgruß einen Forscher verspeist zu haben scheint, verfolgt dieses Ziel. Das Tier steht als Symbol des sich ändernden Weltklimas, auf einem Tastbildschirm gibt es die Fakten.
Unter anderem kann man markierte Eisbären in Echtzeit per GPS auf ihren Wanderungen verfolgen. Spannungsreiche Wissenschaft zum Anfassen? Wird geliefert. Vor allem Kinder werden wohl die neuen Touchscreens im Museum lieben. Zwischen den 1300 Tier-Exponaten der Ausstellung hat die moderne Technik als zeitgenössische Erklärhilfe Einzug gehalten.
Wichtigste Neuerung neben der gewonnenen Barrierefreiheit des Museums ist die gedrehte Ausstellungsdramaturgie auf insgesamt 2000 Quadratmetern. Das Museum, das im vergangenen Jahr 70.000 Besucher zählte, wird jetzt von der Bundesstraße aus betreten. Dort steht auch das Finnwalskelett „Finni“. Die 170 Knochen werden in Lageratmosphäre präsentiert (für ein 20 Meter langes Gerippe fehlte der Platz). Besucher erleben virtuell, wie der Wal zu Lebzeiten eine Kollision mit einem Schiff überlebte, Jahre später von einem Walfänger gewildert wurde und schließlich nach Hamburg kam.
Das neue Zoologische Museum:
Das neue Zoologische Museum in Hamburg
Auch die mächtigen Blauwalkiefer wurden neu inszeniert. Sie wurden dem kleinsten Säuger der Erde, der Etruskerspitzmaus, gegenübergestellt. Wieder eine gute Pointe. Matthias Glaubrecht, lange am Naturkundemuseum in Berlin, das etwa 500.000 Besucher pro Jahr zählt, weiß, wie Museumstheater geht. Denn auch die „Mona Lisa“ des Hauses, ein Narwalschädel mit zwei Stoßzähnen aus dem Jahr 1684, heißt jetzt nicht nur so. Sie wurde auch besser positioniert. Glaubrecht: „Wir haben die Objekte. Wir haben die Geschichten. Und wir können sie erzählen.“
Sehnsucht nach einem „Evolutioneum“
Beim Festakt mit Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank (Grüne) und Universitätspräsident Dieter Lenzen ließ der Leiter des Museums auch keinen Zweifel daran, dass Hamburg in naher Zukunft ein neues Naturkundemuseum brauche. Im aktuell lediglich „aufgehübschten“ Bestandsbau aus den 70er-Jahren in Eimsbüttel werde nur angedeutet, wie ein zoologischer Schatz adäquat präsentiert werden kann.
Nicht grundlos urteilten Gutachter des Wissenschaftsrates, dass Hamburg zwar über „eine der bedeutendsten zoologischen Sammlungen in Deutschland“ verfüge, aber „die Ausgestaltung der Schausammlung erhebliche Defizite“ aufweise.“ Zumal ein Großteil der etwa zehn Millionen Objekte mangels Ausstellungsplatz in den Kellern und Lagerräumen des Instituts schlummern.
Deshalb wurde beim Festakt auch deutlich, dass der neue Eingangsbereich nur einen Zwischenschritt für ein neues Naturkundemuseum in Hamburg markieren soll. Die Sehnsucht nach einem modernen „Evolutioneum“, unter dessen Dach auch die Geologisch-Paläontologische und Mineralogische Sammlung aufgehen könnten, ist groß.
„Vorschein einer Wirklichkeit“
Universitätspräsident Dieter Lenzen nannte das neue Foyer den „Vorschein einer Wirklichkeit“, die das spätere Naturkundemuseum darstellen kann. Zumal ein „Evolutioneum“ in Zeiten, in denen Wissenschaft nicht nur in den USA angezweifelt werde, wichtig sei. Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank sagte vieldeutig, das neue Foyer sei „ein Blick auf das, was da noch kommen mag.“ Matthias Glaubrecht bezeichnete die neue Ausstellungsfläche als „Embryo eines Evolutioneums“. Bis 1943 besaß Hamburg ein eigenes Naturkundemuseum am Steintorwall. Es wurde im Krieg zerstört.