Hamburg. Trotz Nachfolgedebatte bleibt Gründer der Hamburger Optikerkette bis 2020 an Spitze. Geschäftszahlen geben ihm bisher recht.

Die Zentrale der Hamburger Optikerkette Fielmann strahlt eine gewisse Beharrlichkeit aus. Wie eine Trutzburg wirkt der langgezogene Backsteinbau im Stadtteil Barmbek. Die Arbeit hinter der Fassade läuft zuverlässig wie ein Uhrwerk. Ein wenig gilt diese Beschreibung auch für den Chef der größten deutschen Optikerkette, Günther Fielmann – jenen Mann, der einst die Branche mit seinem „Brillenchic zum Nulltarif“ revolutionierte.

Erst vor wenigen Wochen hat der 77-Jährige seinen Vertrag als Vorstandsvorsitzender des von ihm gegründeten Unternehmens noch einmal bis zum Jahr 2020 verlängert. Gut 80 wäre er dann und damit wohl der Älteste unter den Chefs der großen, börsennotierten Firmen in Deutschland. Das hat ihm in der Wirtschaftspresse jüngst die Frage eingebracht, ob er die Nachfolge im Milliardenkonzern verschleppe und so die Zukunft gefährde. „Grauer Star“, titelte das Magazin Capital doppeldeutig und fast schon despektierlich.

Sohn wird immer mehr zum Gesicht der Firma

Darauf angesprochen wird Günther Fielmann bei seiner Bilanzvorlage am gestrigen Donnerstag sehr schmallippig. „In den nächsten drei Jahren führe ich das Unternehmen“, sagt er dann. „Das mache ich jetzt seit 45 Jahren, und bisher sind wir ganz gut damit gefahren.“ Auf die Nachfrage, ob es denn denkbar sei, dass er künftig einige Aufgaben an die Vorstandskollegen delegiere, bleibt der Gründer eine Antwort schuldig.

Derjenige, der den Chefsessel voraussichtlich übernehmen wird, sitzt an diesem Tag ein wenig abseits von seinem Vater. Marketingvorstand Marc Fielmann ist rund 50 Jahre jünger als der Gründer. Der Sohn ist im vergangenen Jahr immer mehr zum Gesicht des Hamburger Unternehmens geworden. In einem der Werbespots, den Günther Fielmann während seiner Präsentation einspielt, ist Marc zu sehen, wie er eine Filiale in Italien eröffnet und den Mitarbeitern in der Landessprache zu ihrer guten Arbeit gratuliert.

Direkt nach der Bilanzvorlage wird Marc Fielmann noch an diesem Tag per Flugzeug nach Trient jetten, um dort die mittlerweile sechste Niederlassung in dem südeuropäischen Land aufzumachen. Bis zu 20 Filialen sollen in den kommenden Jahren in Italien entstehen – ein wichtiger Wachstumsmarkt. Die Augen des hochgewachsenen jungen Mannes leuchten, während er von den Perspektiven erzählt und davon, wie es ist, einem italienischen Kunden das Gleitsichtprinzip zu erklären – die Arbeit macht ihm sichtlich Spaß.

Der Vater als Mentor, der Sohn als Impulsgeber. Im Augenblick scheint diese Arbeitsteilung bei Fielmann noch aufzugehen. Die Zahlen, die Günther Fielmann bei der Bilanzvorlage präsentiert, können sich durchaus sehen lassen. Absatz, Umsatz, Gewinn und die Dividende für die Aktionäre legten 2016 zum zwölften Mal in Folge zu. Der Aktienkurs hat sich in den vergangenen 15 Jahren annähernd verzehnfacht.

Überraschend stark gestartet

Ins laufende Jahr ist Fielmann überraschend stark gestartet. Der Konzernumsatz erhöhte sich in den ersten drei Monaten gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres um 8,1 Prozent auf 341,9 Millionen Euro. Noch stärker stieg der Gewinn. Er kletterte um 12,1 Prozent auf 43 Millionen Euro. Fielmann verkaufte 1,95 Millionen Brillen – gegenüber 1,87 Millionen im Vorjahreszeitraum. Dabei spielte dem Unternehmen allerdings in die Hände, dass das erste Quartal über zwei zusätzliche Verkaufstage im Vergleich zu 2016 verfügte.

Die mittelfristigen Wachstumsziele für die nächsten fünf bis sieben Jahre sind festgeschrieben – ein gutes Stück also über die Zeit des Patriarchen an der Konzernspitze hinaus: 800 Filialen in Europa (heute gut 700), 2,5 Milliarden Euro Konzernumsatz (heute 1,3 Milliarden Euro). Die Wachstumstreiber sind nicht nur klassische Brillen, sondern auch Kontaktlinsen, Hörgeräte, Sonnenbrillen und vor allem Gleitsichtbrillen, die viermal so teuer sind wie einfache Sehhilfen.

Noch Raum für Expansion

In Deutschland sieht Fielmann vor allem in Bayern und Baden-Württemberg noch Raum für Expansion, der Schwerpunkt liegt aber auf Um- und Neubauten an bestehenden Standorten. „Damit können wir zweistellige Zuwächse erreichen“, sagt Günther Fielmann.

Mit größeren Filialen soll auch ein Problem gelöst werden, mit dem nicht wenige Fielmann-Kunden zu kämpfen haben: die langen Wartezeiten. So kann es in einer gut frequentierten Niederlassung wie in Ottensen schon mal eine Dreiviertelstunde dauern, bis die Kunden endlich an die Reihe kommen. „Wir arbeiten daran“, verspricht der Vorstand.

„Bei Kontaktlinsen sind wir vorn“

Was dem Hamburger Marktführer fehlt, ist eine Vision für den Onlinehandel. Günther Fielmann verweist umgehend an seinen Sohn, als das Gespräch auf dieses Geschäftsfeld kommt. „Bei Kontaktlinsen sind wir vorn, die kann sich der Kunde aus einer App nach Hause bestellen“, sagt Marc Fielmann. Doch an den Verkauf von Brillen im Netz will das Unternehmen nach wie vor nicht heran. Was fehle, sei die Möglichkeit, sich die Sehhilfen online vernünftig anpassen zu lassen. „Brillen im Internet sind ein Zufallsprodukt.“

Die Aussagen klingen so, als könnten sie eins zu eins vom Vater stammen. Ob Marc Fielmann mutiger wäre, wenn der Vater ihn ließe? Als Günther Fielmann am Ende der Bilanzvorlage noch gefragt wird, wie sich sein Sohn als Vorstandsmitglied denn so schlage, da fällt seine Antwort kurz und bündig aus. „Gut“, sagt er.