Hamburg. Bee-Sharing vernetzt Hobbyimker mit Obstbauern und vermarktet deren Honig. Umsatz soll 2017 kräftig steigen.

Gleich gegenüber, am anderen Ufer der Bille, liegt ein Binnenschiff am Kai des Betonwerks. Ein Kran mit mächtiger Greifschaufel hebt im 30-Sekunden-Takt zentnerweise Splitt aus den Laderäumen der „Fulda“. Einige Meter weiter rattern S-Bahnen auf einer Brücke über den von Betonwänden und Schlackesteinen eingefassten Fluss, hin und wieder auch ein ICE. Es ist eine Ecke in Hammerbrook, die allenfalls hartgesottene Liebhaber von Industrie- und Gewerbelandschaften begeistert, die Naturgrün als Störfaktor empfinden.

„Trotzdem ein ganz guter Standort“, sagt Otmar Trenk, bevor er sich die Haube seines Imkeranzugs über den Kopf zieht und den Deckel des ersten Bienenstocks abhebt. Fünf Völker, die von der Firma Bee-Sharing betreut werden, stehen auf einem schmalen Streifen Rasen zwischen der fensterlosen Rückwand einer Lagerhalle und der Bille. An einem der ersten warmen Tage des Jahres summt es mächtig vor den Holzkisten, ständig starten Bienen zum Flug in die Umgebung, andere kehren mit dicken, gelben Pollenkugeln an den Beinen zurück in den Stock. „Irgendwo finden die hier immer etwas Blühendes“, sagt der 29-Jährige.

Spaß und Entspannung

Otmar Trenk, Nils Gerber (27), beide Politologiestudenten kurz vor dem Abschluss, und der dritte Mitgründer von Bee-Sharing, Wolfgang Reuter (29), gehören zu der zumeist jungen Generation von Imkern, die die Bienenhaltung in den vergangenen Jahren zurück in die Stadt geholt hat. Weil sie etwas gegen das Bienensterben tun wollen, weil die Arbeit mit den umtriebigen Insekten Spaß und Entspannung verschafft, weil sie am Ende eines Jahres – wenn es gut läuft – pro Volk um die 30 Kilo Honig aus den Waben geschleudert haben.

Für die allermeisten Stadtimker ist es ein für die Bewahrung der Natur nützliches Freizeitvergnügen, für die drei Teilhaber der 2016 gegründeten Bee-Sharing GmbH auch – aber nicht nur. Trenk und Reuter sind gelernte Banker, beide haben jahrelang in der Finanzbranche gearbeitet. Das Start-up macht die Stadtbienen nun vom Hobby zum Geschäftsmodell, es bringt Abnehmer mit Anbietern zusammen, von denen viele noch gar nicht wissen, dass sie welche sind.

Start verläuft verheißungsvoll

Der Start verläuft verheißungsvoll. Im Gründungsjahr erzielte Bee-Sharing 30.000 Euro Umsatz. In diesem Jahr sind 120.000 Euro das Ziel. „Die Hälfte ist schon drin“, sagt Gerber, der Mann für das Marketing, schon nach dem ersten Quartal. Das Firmenkonzept steht auf drei Beinen: Bienenpatenschaften, Bestäubungsservice, Honighandel. Die Voraussetzung dafür, dass es aufgeht, ist, die weithin zersplitterte Szene der Freizeitimker in der Stadt digital zu vernetzen.

Etwa 4500 bis 5000 Bienenvölker gibt es in Hamburg, 700 bis 800 in Vereinen organisierte Imker und eine unbekannte Zahl solcher, die mit Vereinen nichts zu tun haben wollen. Manche kümmern sich um 30 Völker, viele nur um eines. Die Kästen stehen in Kleingärten, auf Balkonen und Brachflächen. Immer häufiger aber auch auf den Flachdächern von Hotels wie dem 25hours, bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PriceWaterhouseCoopers – oder hinter der Halle des traditionsreichen Feinkostherstellers und -händlers L.W.C Michelsen an der Bille in Hammerbrook.

Patenschaft für Bienenvölker

Firmenchef Malte Peters, der das Unternehmen mit seinem Cousin Jan Erik Peters führt, hat selbst einen Imkerkursus absolviert. „Wir handeln ja auch mit Honig, ich wollte mehr über Bienen erfahren“, sagt Peters. Er lässt die Stöcke von Bee-Sharing betreuen. Andere Unternehmen übernehmen Patenschaft für Bienenvölker und bezahlen den Imker dafür, dass er die Nektarsammler bei ihnen hält.

Die Zahl der Firmen, die dazu bereit sind, steige, sagt Otmar Trenk. „Wir bringen das Unternehmen und den Bienenhalter zusammen.“ Pro Volk und Jahr könne ein Imker bis zu 360 Euro einnehmen. Bee-Sharing bekommt Provision und sorgt zugleich dafür, dass der Bienenbesitzer jederzeit Zugang zu seinen Völkern auf dem Firmengelände hat.

Otmar Trenk (l.) und Nils Gerber hatten
die Idee zu Bee-Sharing
Otmar Trenk (l.) und Nils Gerber hatten die Idee zu Bee-Sharing © HA | Michael Rauhe

Die fünf Stöcke von Michelsen sind mittlerweile für einige Wochen umgezogen – zur Obstblüte ins Alte Land. Der Ernteerfolg der Apfel- und Kirschbauern hängt auch stark davon ab, dass in den wenigen entscheidenden Tagen ausreichend viele Bienen in den Plantagen unterwegs sind. Dafür zahlen die Landwirte 50 bis 75 Euro Bestäubungsprämie pro Volk – arbeiten aber am liebsten mit Haltern zusammen, die gleich so viele Stöcke mitbringen, wie der ganze Hof braucht.

Oft sind es um die 30. Bee-Sharing ist in dieser Saison mit je 50 Honigbienen-, Hummel- und Mauerbienenvölkern auf zehn Obsthöfen im Geschäft. Aber schon jetzt können sich Freizeit- und Kleinimker auf der Internetseite www.beesharing.de für die nächste Bestäubungssaison registrieren. Das Angebot: Das Start-up sammelt die Völker im Stadtgebiet ein, stellt sie gemeinsam in den Altländer Plantagen auf und organisiert den Rücktransport.

Stadtbienen sind produktiver

Auch dafür fließt eine Provision an das Unternehmen. „Für die Landwirte sind wir der professionelle Ansprechpartner“, sagt Gerber. Für Bee-Sharing ist es zudem die Chance, schnell über Hamburg hinaus zu expandieren. Es gebe bereits Anfragen aus den großen Obstanbaugebieten in Baden-Württemberg, sagt Trenk.

Viel Honig bringt die Obstblüte nicht, dafür bleibt danach noch genug Zeit. Stadtbienen sind dabei sogar produktiver. Sie können in Gärten und Parks durchgehend von Frühjahr bis Spätsommer Nektar saugen, Landbienen in landwirtschaftlich intensiv genutzten Regionen sammeln erfahrungsgemäß weniger Nahrung für den Winter ein. Auch das Schleudern und Abfüllen von Honig für die Freizeitimker sowie die Vermarktung gehören zum Geschäftsmodell des Start-ups.

„Wir zahlen den Preis, den der Imker bei einem Privatverkauf erzielen würde, abzüglich der Kosten für das Abfüllen, die Gläser und die Etiketten“, verspricht Otmar Trenk. Verkauft wird das regionale Naturprodukt dann etwa als Hamburger Stadthonig zum Beispiel an Hotels, die es mit eigenem Etikett auf die Frühstückstische ihrer Gäste stellen.

Die Bienen von Hammerbrook werden in der nächsten Saison womöglich mehr Honig einsammeln. Mindestens werden sie bis zu den nächstgelegenen Blüten nicht mehr die Bille und das Betonwerk überqueren müssen. Die Chefs des Groß- und Onlinehändlers Michelsen lassen gerade die Grünstreifen rund um die Firmenzentrale neu bepflanzen. Statt Rasen soll es dort mehr blühende Büsche geben – solche, auf die Bienen besonders fliegen.