Hamburg. Brioni gibt Filiale auf – auch Traditionsgeschäfte ziehen weg. Modeketten, WMF und Rolex-Boutique von Wempe eröffnen neu.
Die italienische Luxusmodemarke Brioni hat überraschend ihr Geschäft am Neuen Wall aufgegeben. Inzwischen ist die Fläche sogar schon geräumt. Selbst die Angestellten hatten erst am 20. April von der Schließung erfahren: „Das Aus kam sozusagen über Nacht“, sagte eine Mitarbeiterin. Zwei Tage später wurde der erst im Jahr 2014 eröffnete Laden geschlossen. Das bestätigte Brioni auf Abendblatt-Anfrage.
Den Mitarbeitern seien vergleichbare Positionen innerhalb des Unternehmens oder bei anderen Marken der Kering Gruppe – zu der Brioni gehört – angeboten worden. Zu den Gründen der Schließung lehnte das Unternehmen eine Stellungnahme ab. Die Umsätze haben offensichtlich nicht den Erwartungen entsprochen.
Langfristiger Mietvertrag
Dem Vernehmen nach hatte Brioni einen langfristigen Mietvertrag abgeschlossen. Zu der Kering Gruppe gehören weitere Luxusmarken wie Stella McCartney und Bottega Venetta, letztere ist ebenfalls mit einem Laden am Neuen Wall vertreten. Auch Saint Laurent gehört zu dem Portfolio des Konzerns. Da die Marke bislang nicht in Hamburg mit einem eigenen Laden vertreten ist, wäre es möglich, dass Saint Laurent auf Brioni folgt. Allerdings wollte sich Brioni dazu nicht äußern.
Die Marke Brioni hatte in Deutschland eine gewisse Berühmtheit erlangt, weil der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) eine Affinität für die Anzüge des Luxusanbieters hatte, der nur Mode für Herren im obersten Preissegment schneidert. In Medienberichten ist deshalb auch häufig vom „Brioni-Kanzler“ die Rede gewesen.
Aber nicht nur Brioni verschwindet vom Neuen Wall. Demnächst werden drei weitere alteingesessene Traditionsgeschäfte schließen – und stattdessen auch hier Ketten in die frei werdenden Geschäfte einziehen. Nach Abendblatt-Informationen wird die schwedische Modemarke Acne im Juli auf Steinbrück Pelze folgen. Auch für den Modesalon Hoffmann wurde mit dem Haushaltswarenhersteller WMF bereits ein neuer Mieter gefunden.
Das Wäschehaus Möhring verlässt ebenfalls den Neuen Wall und eröffnet ein Geschäft am Großen Burstah. Nach Abendblatt-Informationen interessiert sich die schwedische Modekette H&M für die bisherige Möhring-Fläche über zwei Etagen und plant hier die Eröffnung eines Geschäfts der neuen Premiummarke Arket. Dass das neue Label auf 1-a-Lagen setzt, zeigt auch die Adresse des ersten Arket-Geschäfts: Es liegt an der berühmten Regent Street in London. Eine weitere Filiale, kündigte das Unternehmen an, soll in München entstehen.
Neuer Wall bei den Schweden beliebt
Fest steht: Der Neue Wall ist bei den Schweden beliebt. Hier haben bereits die H&M-Ableger Cos und „& Other Stories“ Flächen angemietet. Doch damit nicht genug: Das ehemalige Schmuckgeschäft Frey Wille wird bereits umgebaut. An diesem Standort wird der Juwelier Wempe im Spätsommer eine Boutique der Luxusuhrenmarke Rolex eröffnen.
Als Grund dafür, dass fast nur noch Ketten auf dem Neuen Wall vertreten sind, gelten die hohen Mieten. Von bis zu 330 Euro pro Quadratmeter ist in Branchenkreisen die Rede: „Die Diskrepanz zwischen den hohen Mieten in den 1-a-Lagen und den erzielten Umsätzen wird immer größer“, sagt Mario Litta, Teamleiter Einzelhandelsvermietung beim weltweit tätigen Immobiliendienstleister Jones Lang LaSalle (JLL). Deshalb könnten es sich fast ausschließlich Ketten erlauben, in Spitzenlagen Geschäfte anzumieten. Der Immobilienexperte weiß: „Luxusmarken müssen in gewissen Metropolen vertreten sein, da ist der Umsatz dann zweitrangig.“
Zahlreiche Wechsel
Seit Jahren verlassen immer mehr Traditionsgeschäfte den Neuen Wall. Ein Beispiel ist auch das Einrichtungshaus Bornhold, das seit 1949 dort ansässig war und im vergangenen Jahr vom Neuen Wall an das Alsterufer wechselte. Für die rund 1800 Quadratmeter große Fläche wurde bislang noch kein Nachmieter gefunden, momentan ist ein Teil des Geschäfts an einen Pop-up-Store vermietet.
Aber nicht nur am Neuen Wall stehen zahlreiche Wechsel an. Das Möbelgeschäft Flamant verlässt die Hohen Bleichen. Der Mietvertrag sei ausgelaufen, ist am Schaufenster zu lesen. Das Unternehmen ist auf der Suche nach einer neuen Fläche in der Innenstadt.