Hamburg. A cool night! Der in Hamburg lebende Amerikaner David Patrician ging für das Abendblatt auf Tour durch Kunsthalle, Hafenmuseum und Co.
„Ick heff mol en Hamborger Veermaster sehn, to my hooday, to my hooday!“ Und dann kommt noch irgendwas über Gold in Kalifornien. Ein sehr musikalischer Start in meine ganz persönliche Lange Nacht der Museen im Hafenmuseum Hamburg. Ich habe in meiner Zeit in Deutschland schon ziemlich viele verrückte, großartige und ungewöhnliche Sachen erlebt, aber Shanty-Karaoke mit dem Hamburger Lotsenchor ist wirklich etwas ganz Besonderes.
Um ehrlich zu sein: ohne die 17. Lange Nacht der Museen wäre ich wohl nie hier gelandet. Ich lerne etwas über die Geschichte des Hamburger Hafens, während draußen im Hafen Schwimmkräne, Sauger und Schiffe zu sehen sind.
Junges Publikum fällt auf
Da kann man nix sagen: Die MS „Bleichen“ ist ein echt attraktiver Stückgutfrachter! Theorie und Praxis ganz nah beieinander. Außerdem hat man einen fantastischen Blick auf Hamburgs neues Aushängeschild, die Elbphilharmonie. Die Nacht ist jung, und es gibt noch viel zu entdecken. Zeit zu gehen also – das nächste Museum wartet.
Es gibt 55 Shuttle-Busse und -Schiffe, die die Besucher durch die Nacht bringen. Busfahrten sind ja oft langweilig, nicht so in dieser Nacht. Die Fans der Langen Nacht reden miteinander, geben sich gegenseitig Tipps und erzählen – auch ungefragt – von ihren bisherigen Museen.
Aber nicht nur die Busfahrten sind in dieser Nacht anders, auch die Museumsbesuche sind es. Statt dröger Kunstbetrachtung in einsamer Stille sind die Museen Restaurants, Eventflächen und Bühnen. Das lockt auch Menschen an, die sich normalerweise nicht in der Kunsthalle & Co. bewegen.
Aber mit einem Bier in der einen und einem Snack in der anderen Hand lässt sich die Welt von Kunst, Wissenschaft und Geschichte ganz gut erleben. Auch das jüngere Publikum scheint heute freiwillig hier zu sein und besucht nicht nur Konzerte.
Auf der Suche nach Störbeker
Ich kenne das Konzept der Langen Nacht der Museen nicht aus den USA. Bestimmt gibt es etwas in der Art hier und dort, aber nicht wie in Deutschland, wo fast jede Stadt etwas Ähnliches veranstaltet. Und ganz sicher nicht wie in Hamburg, wo man als Besucher zwischen 54 Stationen und über 800 Veranstaltungen wählen kann.
Ich bin in der Nähe von Washington DC aufgewachsen, und dort war das museale Highlight ein kostenfreier Besuch im Smithsonian. Sicherlich veranstaltet auch das ein oder andere Museum mal ein besonderes Event, ein Konzert oder eine Lesung. Aber eine Nacht voller Museen habe ich nur hier erlebt.
Zurück nach Hamburg, die Auswahl fällt schwer bei dem Angebot. Es sollte schon etwas Ungewöhnliches sein. Also ist der nächste Stopp das Wasserforum, Hamburgs ältestes Wasserwerk. Wann geht man da schon mal hin? Tatsächlich ist es ziemlich interessant: Das Wasserforum ist Norddeutschlands größte Ausstellung zum Thema Wasserversorgung und Abwasseraufbereitung. Nach einem kurzen Toilettenbesuch muss ich grinsen: Dank des Wasserforums werde ich in Zukunft jeden Spülvorgang zu schätzen wissen.
Im Bus zurück in die Innenstadt, erzählt mir jemand von Störtebeker. Offensichtlich kennt jeder Hamburger außer mir die Geschichte des berühmten Piraten. Einen Tipp bekomme ich auch gleich: Seinen Kopf kann ich im Museum für Hamburgische Geschichte sehen. Fast Mitternacht – das passt ja zur Geisterstunde!
Wenig später mache ich mich im Museum auf die Suche nach Störtebekers Schädel. Ein Angestellter berichtet mir, dass dieser vor ein paar Jahren gestohlen wurde (ehrlich: Wer klaut denn einen Totenschädel?) und noch gar nicht lange wieder in der Ausstellung zu sehen ist. Piraten, Schiffe und ein unglaubliches Modell der Stadt, hier war ich sicherlich nicht das letzte Mal.
Transen und Massenmörder
Wieder draußen an der frischen Luft, habe ich gerade noch Zeit für ein letztes Abenteuer. Dieses Jahr kann man erstmals einen Bunker unter dem Hauptbahnhof besuchen, aber die Besucheranzahl ist begrenzt, und ich habe keine Reservierung gemacht.
Ich könnte einen Fußball-Abstecher ins HSV-Museum machen und mir die Erinnerungen an die gute, alte, längst vergangene Zeit der Meisterschaften wachrufen.
Aber mir ist dann doch eher nach einem amüsanten Abschluss des Abends.
Im Programm liest sich das so: St. Pauli Museum: Transen, Massenmörder und starke Frauen … ein Quickie auf Sankt Pauli. Na dann – auf zum Kiez. Und meiner Frau kann ich sogar sagen, ich musste arbeiten! Die bunten Lichter der Nacht auf der Reeperbahn erinnern an ein Mini-Las Vegas, nur ohne Elvis-Imitatoren.
Vorbei an den leichten Mädchen geht es in das kleine Museum an der Ecke. Im St. Pauli Museum erfahre ich nicht nur etwas über die Geschichte des Stadtteils, sondern auch über die Herbertstraße und warum am Anfang des sündigen Viertels eine Kirche erbaut wurde. Wäre bloß der Geschichtsunterricht in der Schule so unterhaltsam gewesen!
Aber genau das macht den Charme der Langen Nacht der Museen aus. Kultur in allen Facetten auf unterhaltsame Weise nahegebracht zu bekommen – und ganz nebenbei die Stadt, neue Menschen und neue Dinge kennenzulernen. Da meine Tour auf dem Kiez endet, entscheide ich mich für ein letztes Bier und lasse so eine großartige, interessante und spannende Nacht ausklingen.
Als Amerikaner kann ich sagen: A cool night! Oder wie meine norddeutschen Freunde sagen würden: gar nicht mal so übel.