Hamburg . Umweltsenator Jens Kerstan sieht vorgezogenes Nachtflugverbot skeptisch. BUND kontert Zweifel an Seriosität seiner Lärm-Studie.
Hamburg. Hamburgs Umweltsenator Jens Kerstan hat bei der Durchsetzung des Nachtflugverbots am Airport Helmut Schmidt Defizite eingeräumt. „Da kann ich den Unmut der Initiativen und der Anwohner verstehen. Da sind wir im Moment noch nicht gut genug“, sagte der Grünen-Politiker. Auch hätten einige Maßnahmen, „die wir bisher ergriffen haben, nicht zu dem gewünschten Effekt geführt“.
Forderungen der Umweltorganisation BUND nach einem verkürzten der Betriebsgenehmigung des Flughafens von derzeit 23 auf dann 22 Uhr gegenüber zeigte sich Kerstan skeptisch: „Ich halte es im Moment für verfrüht, über eine Verkürzung der Betriebszeiten zu reden, wenn es uns im Moment noch nicht gelingt, sicher dafür zu sorgen, dass die Nachtruhe ab 23 Uhr weitgehend eingehalten wird.“
2016 lautestes Jahr
Laut einer BUND-Studie haben fluglärmgeplagte Anwohner des Hamburger Airports 2016 ihr lautestes Jahr seit der Jahrtausendwende erlebt. So sei der sogenannte Fluglärmteppich – also der lärmbetroffene Bereich im Umfeld – im vergangenen Jahr auf 14 Quadratkilometer gewachsen. In den sechs flugverkehrsreichsten Monaten sei zudem das Nachtflugverbot überhaupt nur an 12 von 184 Nächten eingehalten worden.
Bereits seit dem 1. März sammelt der BUND Unterschriften, um noch vor der Sommerpause eine Volkspetition mit der Forderung nach einem Nachtflugverbot schon ab 22 Uhr bei der Bürgerschaft einreichen zu können. Vom Fluglärm betroffen sind nach BUND-Angaben in Hamburg und im Umland rund 200.000 Menschen. Die Umweltbehörde geht dagegen davon aus, dass im Ballungsraum Hamburg nur knapp 50.000 Menschen eine Belastung von mehr als 55 Dezibel (A) aushalten müssen.
BUND-Zahlen nicht seriös?
Kerstan bezeichnete die BUND-Zahlen in Teilen als nicht seriös, weil auch Rettungsflüge und Hubschraubereinsätze der Polizei mitgezählt worden seien. „Die Zahl der Nächte ohne Flugbewegungen nach 23 Uhr ist deutlich höher als das, was der BUND dargestellt hat.“ Denn ziehe man die Rettungsflüge ab, die es immer geben werde und auch nie untersagt würden, komme seine Behörde auf 90 statt 12 Nächte ohne Fluglärm im Jahr 2016.
Der BUND wies die Vorwürfe umgehend zurück. Er habe die Zahlen nicht selbst erhoben, sondern das Material des Flughafens genutzt und ausgewertet und könne insofern kaum in den Geruch parteilicher Daten-Erhebung kommen. „Mitnichten wurden von uns Hubschrauber-Rettungsflüge in die Statistik einbezogen“, widersprach der BUND-Luftverkehrsexperte Martin Mosel dem Umweltsenator. „ Vielmehr geht es um Leerflüge, Frachtflüge, private „Taxiflüge“ und Militärflüge – alle diese Flugzeuge reißen die Bewohnerinnen und Bewohner aus den Schlaf.“ Mosel warf Kerstan vor, die BUND-Studie nicht richtig gelesen zu haben. Sie gehe für 2016 von 74 Nächten ohne Fluglärm aus.
BUND greift Kerstan an
Insgesamt zeige aber auch die behördliche Zählweise deutlich, dass Verspätungen die Regel seien, mithin die Regeln nur ausnahmsweise eingehalten würden. Mosel warf Kerstan vor, in seiner Rechnung die Flüge nach 24 Uhr zu unterschlagen. In der Flughafenstatistik werden nur die Flugbewegungen zwischen 23 und 24 Uhr als "verspätet" gezählt. Flüge nach 24 Uhr werden gesondert erfasst. Mosel wies darauf hin, dass die Umweltbehörde selbst keine Daten erhebe, sondern sich auf die Angaben des Flughafens verlasse. Das werfe kein gutes Licht auf die behördliche Kontrollfunktion.
Behörde will Bußgelder erhöhen
Kerstan räumte ein, dass mehr getan werden müsse. So sei seine Behörde bereits dabei, die Bußgelder für Fluglinien deutlich zu erhöhen und auch Gewinne abzuschöpfen, „wo wir den Eindruck haben, dass nicht seriös gearbeitet wird“, sagte Kerstan mit Blick etwa auf zu knapp angelegte Flugpläne und vermeidbare Verspätungen: „Das hat vor mir noch kein Umweltsenator angeordnet.“