Hamburg. Ob Philips, Otto, Tesa, Beiersdorf oder die Helm AG. Hamburger Firmen investieren kräftig in das leibliche Wohl ihrer Mitarbeiter.

Ein Platz an der lichten Fensterfront, zwischen sorgsam dekorierten Wandspiegeln oder doch lieber auf der gepolsterten Bank in Philips-Blautönen? Wenn die Hamburger Mitarbeiter­ des Konzerns mittags zum Essen gehen, haben sie die Wahl. Statt unter Neonröhren an langen Tisch­reihen, an denen kaum das eigene Wort zu verstehen ist, sind die knapp 500 Plätze bei Philips auf leichten hellen Möbeln in abgestimmten Graustufen locker im Raum verteilt.

1400 Menschen essen hier jeden Tag. Und auch wenn es Pommes frites oder Bratfisch gibt, hängt der Geruch nicht in den Kleidern. Kantine war gestern. Nach dem Umbau des Philips-Standorts an der Röntgenstraße zur Deutschland-Zentrale firmiert die Betriebsgastronomie als Restaurant Market.

2,7 Millionen Euro für das Restaurant

„Eine komplette Neugestaltung war ursprünglich gar nicht geplant“, sagt Oliver Gloor, der das Projekt als Standortleiter gemanagt hat. Aber aus der Erweiterung, die durch den Umzug von 1000 Beschäftigten in den Hamburger Norden nötig geworden war, wurde ein Prestigeprojekt. Mit einem Team aus Architekt, Innenarchitekt und Küchenplaner entstand eine runderneuerte Mitarbeitergastronomie mit abwechslungsreichem Speisezettel, der mit Grillstation, Pizzaofen, Wok und großer Salatbar zum Schlemmen verführt.

Statt den zunächst veranschlagten 300.000 Euro ließ sich der Konzern, dessen Sparten Medizintechnik und Licht sowie Verwaltungs- und Marketingabteilungen an dem Standort angesiedelt sind, den Umbau auf einer Gesamtfläche von 2400 Quadratmetern letztlich 2,7 Millionen Euro kosten. „Mit der Aufwertung wollen wir den Beschäftigten die Wertschätzung des Unternehmens zeigen“, sagt Gloor.

Neues Bistro bei Otto

Kein Einzelfall. Unternehmen investieren zunehmend ins leibliche Wohl ihrer Mitarbeiter, unterstützen gesunde Ernährung und schaffen Voraussetzungen, um den täglichen Gang zum Essen zum kommunikativen Treffpunkt zu machen. So hat zum Beispiel der Klebe-Spezialist Tesa beim Neubau der neuen Zentrale in Norderstedt eine hochmoderne Kantine eingeplant, beim Mutterunternehmen Beiersdorf laufen im Zuge eines Umbaus der Zentrale in Eimsbüttel die Vorbereitungen. Auf dem Gelände der Otto-Zentrale in Bramfeld wurde gerade ein neues Bistro im sogenannten Boulevard eröffnet, einem neu designten Bereich für das Arbeiten im Freien und für Ruhepausen.

„Die Kantine bekommt eine neue Bedeutung“, sagt Burkart Schmid vom Deutschen Institut für Gemeinschaftsgastronomie (DIG). „Immer mehr Firmen geht es darum, die Unternehmenswerte auch nach innen zu leben und für die Mitarbeiter erlebbar zu machen“, so der geschäftsführende Vorstand des Branchenverbands. Im Klartext: Beim Mittagessen, an der Auswahl der Gerichte und der Ausstattung der Betriebsgastronomie sieht man, was die Beschäftigten dem Unternehmen wert sind.

Employer Branding, was so viel heißt wie Arbeitgebermarkenbildung, ist gerade der große Renner. Auf Bewertungsportalen spielt die Kantine neben harten Faktoren wie Innovationskraft oder Führungsstil für die Gewinnung und Bindung von Mitarbeitern zunehmend eine Rolle.

Überraschung für die Mitarbeiter

Beim Hamburger Familienunternehmen Helm AG laufen die Planungen für eine neue Kantine schon seit fünf Jahren. In dem Konzern, der seit mehr als 115 Jahren mit Produkten für die chemische Industrie handelt und auch Düngemittel, Pflanzenschutzmittel und Pharmaprodukte verkauft, nennen sie das Mitarbeiterrestaurant Casino. „Die Neugestaltung ist für uns sehr wichtig“, sagt Thomas Gartz, der in der Geschäftsleitung für die Bereiche Personal und Administration zuständig ist. „Wir wollen etwas richtig Schönes für unsere Mitarbeiter machen.“

4,5 Millionen Euro lässt sich das Unternehmen mit 1500 Beschäftigten, davon 650 in der Zentrale an der Nordkanalstraße, den Neubau mit knapp 150 Plätzen und mehreren Ausgabestationen kosten – inklusive Konferenzbereich. Wie das Ganze genau aussieht, wird noch nicht verraten. Das soll eine Überraschung für die Mitarbeiter werden, heißt es.

Eine Frontcoo­king-Station mit Wok ist geplant

„Es werden nur hochwertige Materialen verwendet“, verrät Peter Weise schon mal, der als Küchenchef maßgeblich an der Planung beteiligt war. Der Fußboden etwa wird mit Parkett ausgelegt, das Dämmmaterial wurde eigens hergestellt. Die Eröffnung ist für den Herbst geplant. Schon jetzt ist das Mittagsangebot bei Helm etwas Besonders. Weise, der schon in Sternerestaurants wie dem Le Canard kochte und zuletzt bei einer Hamburger Bank für die Gästebewirtung zuständig war, hat selbst in der kleineren Interimskantine Kalbsbratwürste, Wiener Schnitzel und vegetarische Gerichte auf dem Menüplan.

In Zukunft soll es deutlich mehr Auswahl geben mit einer Front­cooking-Station mit Wok, einer größeren Salatbar und unterschiedlichen Dessertangeboten. 2,50 Euro zahlen die Mitarbeiter bei Helm für ein Essen inklusive Suppe und Dessert, den größeren Teil der Kosten von insgesamt 8 Euro bezuschusst das Unternehmen.

Philips hat den Betrieb des Mitarbeiterrestaurants an den Caterer Eurest ausgelagert. Betriebsleiterin Birthe Schoenlein, die von Block House kommt, bekocht mit ihrem 34-köpfigen Team jeden Tag mehr als 2000 Mitarbeiter. Fünf Gerichte stehen zur Auswahl – ab 3,40 Euro. „Abwechslung auf der Speisekarte ist wichtig und ein gesundes, ausgewogenes Angebot“, sagt die Fachfrau für Systemgastronomie, die auch für das – von den Mitarbeitern mitgestaltete – Bistro „Philistro“, eine Cafeteria und die Gästebewirtung zuständig ist.

Oliver Gloor (ehemaliger Standortleiter) und Birthe Schoenlein (Betriebsleiterin) im Philips Betriebsrestaurant
Oliver Gloor (ehemaliger Standortleiter) und Birthe Schoenlein (Betriebsleiterin) im Philips Betriebsrestaurant © Andreas Laible

Trotzdem gibt es immer wieder die Lieblingsessen der Philips-Mitarbeiter. „Das ist Studentengulasch mit viel verschiedenen Fleischsorten und Spaghetti bolognese“, verrät Schoenlein. Currywurst, sonst der ungeschlagene Renner in deutschen Kantinen, gehört bei Philips zum Dauerangebot. Ob das Essen geschmeckt hat, bekommt die Restaurantmanagerin fast in Echtzeit zurückgemeldet. Im Intranet und über eine eigene Smartphone-App können die Mitarbeiter ihr tägliches Mahl bewerten. Wenn sie mal nicht zufrieden sind, kann die Betriebschefin sogar im laufenden Betrieb noch etwas ändern.

Statistisch isst fast jeder vierte Deutsche mittags in der Kantine am Arbeitsplatz. Gab es früher noch Restaurants, die bestimmten Hierarchieebenen vorbehalten waren, ist die Mitarbeitergastronomie in den meisten Firmen demokratisiert. Nach aktuellen Zahlen, die das Fachblatt „gv-Praxis“ gerade veröffentlicht hat, nutzen zehn Millionen Menschen eins der 13.000 Betriebsrestaurants im Land. Im Durchschnitt gibt jeder Gast 3,79 Euro pro Essen aus.

Der Kaffeewagen kommt kostenlos

Dass eine moderne Betriebsgastronomie ein Wettbewerbsvorteil sein kann, haben schon vor Jahren IT-Konzerne wie SAP vorgemacht. Dort ist das Essen sogar kostenfrei, auch bei Tech-Pionieren wie Google zahlen die Mitarbeiter nichts für ihr Mittagessen. In Hamburg profitieren etwa 500 Mitarbeiter davon. Beim Internet-Anbieter Jimdo mit Sitz in Bahrenfeld heißt das Betriebsrestaurant „Chez Sam“ und ist Teil des Feelgood-Managements des jungen Unternehmens. Für Mitarbeiter kostet das Essen – je nach Wahl Fisch, Fleisch oder vegetarisch – 3,50 Euro.

Fast überall ist die Internetseite mit dem Speiseplan die am meisten geklickte in den deutschen Firmen-Intranets. Das ist auch bei der Hamburger Helm AG nicht anders. Dort gehört es schon lange zur Unternehmensphilosophie, den Mitarbeitern das Essen schmackhaft zu machen. In dem Familienbetrieb gibt es auch einen ganz besonderen Service: Seit Jahrzehnten kommen dreimal am Tag Mitarbeiter mit einem Kaffeewagen herum und bringen Kaffee oder Tee direkt an den Arbeitsplatz – gratis.

Betriebsrestaurant ist begehrt

Auch bei Philips kommen die Investitionen in das Betriebsrestaurant gut an. „Es gehen mehr Menschen mittags zum Essen in unserer Betriebsrestaurant“, sagt Oliver Gloor, der Anfang des Jahres einen anderen Aufgabenbereich übernommen hat. Das Feedback sei positiv. Gerade erst habe ein Kollege gesagt: „Ich werde immer dicker, weil ich so gern in die Kantine gehe.“ Das, sagt Gloor und lacht, sehe er als Bestätigung.