Hamburg . SPD-Fraktionschef Dressel empört über CDU – Abgeordnete sprechen von “Schutt und Asche“ und “sicherheitspolitischem Super-GAU“.

Der G20-Gipfel und seine Auswirkungen auf die Bevölkerung in rund drei Monaten standen am heutigen Mittwoch im Zentrum der Aktuellen Stunde der Hamburgischen Bürgerschaft, die Abendblatt.de live übertragen hat. Die Hamburger Abgeordneten lieferten sich einen heftigen Schlagabtausch über Demonstrationsverbote während des G20-Gipfels. Während die Linken jegliche Verbote von Demonstrationen ablehnten, machten SPD und Grüne deutlich, dass es unter Umständen auch Einschränkungen bei der Genehmigung von Demonstrationsorten oder -routen geben könne. CDU und AFD warnten mit drastischen Worten vor gewaltbereiten Demonstranten und Chaoten.

Anlass für Empörung lieferten vor allem Pressemitteilungen, die die CDU-Fraktionsmitglieder Dennis Gladiator und Joachim Lenders – auch Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft Hamburg (DPolG) – bereits am Mittwochvormittag verschickt hatten.

Dressel: "Das sind Horrorszenarien, die Sie verbreiten"

In seiner Mitteilung warf Lenders dem Senat vor, Linksterroristen dazu einzuladen, die Stadt auseinanderzunehmen, Gladiator sprach von "Tausenden krawallorientierten Chaoten", die Hamburg nicht in "Schutt und Asche" legen dürften.

Andreas Dressel, Fraktionschef der SPD, zeigte kein Verständnis für derartige Aussagen. "Das sind Horrorszenarien, die Sie verbreiten", sagte er in der Aktuellen Stunde Richtung CDU. "Überlegen Sie lieber, was Sie zur Deeskalation beitragen können." Auch den Linken warf Dressel vor, Halbwahrheiten zu verbreiten und forderte die Fraktion auf, sich deutlich von gewaltbereiten Demonstranten zu distanzieren.

Der SPD-Fraktionschef machte deutlich, dass das Demonstrationsrecht in Hamburg eingehalten werden wird. Es würden auch keine Demonstrationen an den Stadtrand verbannt, sondern an Orten stattfinden, die zentral in Hamburg lägen. Der Gipfel müsse sich einem kritischen Diskurs mit der Gesellschaft stellen. Deshalb sei Hamburg für die Veranstaltung gut geeignet. „Das ist ein klares Zeichen unserer Stadtgesellschaft.“ Allerdings gelte auch für Staatschefs Versammlungsfreiheit. "Gerade in dieser unruhigen Zeit muss Hamburg ein Ort sein, wo das möglich ist."

CDU: Justizsenator ist fehl am Platz

Auch die Grünen-Politikerin Antje Möller kritisierte die Aussagen von Gladiator und Lenders. "Sie reden ein Szenario herbei, das keiner will und keiner erwartet ", sagte sie. Wer drei Monate vor dem G20-Gipfel vom "brennenden Hamburg" schwadroniere, wer davon spricht, dass die "Mönckebergstraße entglast" wird und wer den "Super-GAU" herbeiredet, handele verantwortungslos, so Möller. "Was wir brauchen, ist genau das Gegenteil: Nüchterne Analysen und eine Politik, die Sicherheitsaspekte ebenso berücksichtigt wie die Grundrechte unserer Verfassung.“

Dennis Gladiator wehrte sich gegen die Kritik. Es seien es die Tausenden Linksextremisten, die Horrorszenarien verbreiten, sagte der CDU-Abgeordnete. "Wir zitieren nur, was die Linksextremen verbreiten." Gladiator: "Seit mehreren Wochen brennen Autos der Polizei und auch von Bürgern, die nichts damit zu tun haben." Das sei zuvor von Linksextremisten angekündigt worden. Zudem sei ein Justizsenator, der den Sicherheitsbehörden misstraue, fehl am Platz.. "Der Bürgermeister muss Verantwortung übernehmen und handeln."

Heiligengeistfeld müsse Ort der Abschlusskundgebung werden

Christiane Schneider von der Linken-Fraktion betonte, dass der Bürgermeister mit der Freude darüber, dass der G20-Gipfel in Hamburg stattfindet, recht alleine da stehe. "Für uns ist es selbstverständlich, dass wir demonstrieren werden – und zwar mit Kind und Kegel." In einer rechtsstaatlich verfassten Demokratie müssten Demonstrationen ohne Wenn und Aber möglich sein. Das Heiligengeistfeld nahe des Messegeländes müsse der Ort für eine Abschlusskundgebung werden. Wenn das Heiligengeistfeld für den Schlagermove hergerichtet werden könne, müsse das auch für eine politische Veranstaltung möglich sein, sagte die innenpolitische Sprecherin der Linken. Schneider verlangte von Innensenator Andy Grote (SPD), die Gespräche mit den Anmeldern von Demonstrationen nicht allein der Polizei zu überlassen.

Der FDP-Abgeordnete Carl Jarchow bekannte sich zu dem Gipfel in Hamburg, kritisierte allerdings die bislang bekannten Konzepte zu Sicherheit und Notfallversorgung. „Die bereits jetzt zutage getretene und scharf zu verurteilende Gewalt von Extremisten hat gezeigt, dass der Senat die Lage bislang unterschätzt hat.“ Zugleich machte auch Jarchow deutlich, dass es kein Recht auf Demonstrationen gebe, bei denen Gewalt ausgeübt werde. Friedliche Demonstrationen müssten die Möglichkeit haben, „sich in einem angemessenen, der Sicherheitslage entsprechenden Rahmen zu artikulieren“. Der Senat könne jetzt seinen Anspruch, „gut zu regieren“, unter Beweis stellen.

Mehr als 100.000 Demonstranten bei Hauptkundgebung

Gleich drei Fraktionen hatten zu dem Thema in der Bürgerschaftssitzung Beratungsbedarf angemeldet. Während die Linken eine Einschränkung des Versammlungsrechts durch zu strikte Polizeiabsperrungen befürchten, richten CDU und AfD den Blick auf mögliche Krawalle.

Die CDU fordert „Haltung zeigen, Linksextremen nicht das Feld überlassen“. Die AfD behauptet in ihrer Anmeldung zur Aktuellen Stunde: „Rot-Grün liefert die Stadt den Chaoten aus.“ Zu dem Treffen der Staats- und Regierungschefs der führenden Industrie- und Schwellenländer am 7. und 8. Juli werden bei der Hauptkundgebung mehr als 100.000 Demonstranten erwartet.

Vergangene Woche hatte die Polizei bei einem Kooperationsgespräch mit den Gipfelgegnern überraschend mitgeteilt, dass sie während des Gipfels die gesamte Innenstadt bis zum Flughafen im Norden für Demonstrationen sperren wolle. Im Nachhinein erklärte sie, dass noch nichts entschieden sei. Justizsenator Till Steffen (Grüne) hatte von generellen Verbotszonen am Dienstag Abstand genommen.

Scharfe Kritik von der Polizeigewerkschaft

Am heutigen Mittwochmorgen reagierte Joachim Lenders, Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft Hamburg (DPolG), auf Steffens Ankündigung, dass es keine Demonstrationsverbotszone in der City geben werde. „Ich bin fassungslos und wütend“, sagte Lenders. Mit der Entscheidung, Demos jedweder Art und Größe in der Hamburger City während des G20-Gipfels zuzulassen, maßregele der Senat die Polizei.

„Der Senat lädt Linksterroristen geradezu ein, die Stadt auseinanderzunehmen“, kritisiert Lenders. Kein noch so großes Polizeiaufgebot könne dies in einer Millionenmetropole verhindern. „Offenbar ist weder dem Ersten Bürgermeister noch den verantwortlichen Senatoren bewusst, was da Anfang Juli auf Hamburg tatsächlich zukommt.“

Senat riskiere sicherheitspolitischen Super-GAU

Der DPolG-Landesvorsitzende fragt: „Wer übernimmt die politische Verantwortung, wenn der G20-Gipfel so endet, wie der G8-Gipfel 2001 in Genua mit Hunderten Verletzten und einem Toten? Wer übernimmt die Verantwortung, wenn wortwörtlich Teile Hamburgs brennen oder die gesamte Mönckebergstraße entglast wird?“ Der Senat riskiere den sicherheitspolitischen Super-GAU.

Auch die CDU-Fraktion wirft dem Justizsenator vor, der Polizei in den Rücken zu fallen. „Es ist ein echter Skandal", sagt Dennis Gladiator, innenpolitischer Sprecher der CDU-Bürgerschaftsfraktion. Der Justizsenator wolle die Polizei daran hindern, Hamburg vor militanten Linksextremisten zu schützen. "Das Demonstrationsrecht ist ein hohes Gut, aber unsere Stadt muss auch nach dem G20-Gipfel noch stehen und darf nicht von Tausenden krawallorientierten Chaoten in Schutt und Asche gelegt werden", so Gladiator.

CDU: Das gefährliche Treiben von Skandalsenator Steffen beenden

Die Sicherheitszonen seien keine Schikane und auch keine Provokation gegenüber friedlichen Demonstranten, sondern dienten der Sicherheit in der Stadt und dem Schutz der Demonstranten und Einsatzkräfte, betonte der CDU-Abgeordnete. "Wir fordern Rot-Grün eindringlich auf, die gestrige Entscheidung zurück zu nehmen und dem gefährlichen Treiben von Skandalsenator Steffen ein Ende zu bereiten." Unter den jetzigen politisch vorgegebenen Bedingungen werde die Polizei die Sicherheit während des Gipfels nicht gewährleisten können.

In den vergangenen Wochen haben in Hamburg bereits mehrfach Autos gebrannt, darunter auch Polizeiwagen. Auf einem linken Online-Portal war dazu ein Bekennerschreiben von Gegnern des für Juli geplanten G20-Gipfels in Hamburg aufgetaucht.