Eimsbüttel. Acht Polizeiautos in Eimsbüttel ausgebrannt. Spirale der Eskalation im Gang: Weitere Anschläge für April geplant.

Normalerweise ist der Dienst in der Außenstelle der Polizeiwache 23 an der Grundstraße von äußerster Ruhe geprägt. Damit ist es in der Nacht zu Montag vorbei: Um 2.42 Uhr hören zwei Polizeibeamte aus Richtung des Innenhofs einen lauten Knall. Dort sehen sie kurz darauf einen lichterloh in Flammen stehenden Mannschaftswagen. Das Feuer greift sofort auf weitere Fahrzeuge über. Die Hitze ist so gewaltig, dass mehrere Fenster am Dienstgebäude zerspringen. Der Brand ist offenbar ein Fanal von Linksextremisten vor dem G20-Gipfel im Juli in Hamburg.

Die Feuerwehr, mit einem größeren Aufgebot zum Einsatzort ausgerückt, greift mit Löschschaum an. Doch von den Polizeiautos bleibt nicht viel übrig. Vier Mannschaftswagen vom Typ Mercedes Sprinter brennen auf dem Gelände der nur sporadisch besetzten Außenstelle komplett aus. „Zwei weitere Mannschaftswagen und zwei zivile Funkstreifenwagen wurden ebenfalls in Mitleidenschaft gezogen“, sagt Polizeisprecher Florian Abbenseth. Die Höhe des Sachschadens sei nicht bekannt.

Neue Qualität von Anschlägen vor G20-Gipfel

Mit den Ermittlungen beginnt die Staatsschutzabteilung der Kriminalpolizei noch in der Nacht. Während der Löscharbeiten wird ein Mann festgenommen; er steht allerdings nicht im Verdacht, die Polizeiautos angezündet zu haben. Der Anwohner hatte wegen „ruhestörenden Lärms“ Polizisten und Feuerwehrleute bepöbelt und war nach „Widerstandshandlungen“ abgeführt worden. An der Mauer entdecken die Beamten in der Nacht zudem eine Klappleiter, mit der sich der oder die Täter Zutritt zum Gelände verschafft oder von wo aus sie Brandsätze über die Mauer geschleudert haben könnten.

Wenig später folgt Polizeihund Trude einer Fährte bis zu einem Schlachter an der Ecke Methfesselstraße/Osterstraße. Dort verliert sich die Spur. Hatten der oder die Täter dort ihr Fluchtfahrzeug abgestellt? Eine Videoaufzeichnung der Tat gibt es nicht. Mehrere Kameras erfassen zwar auch den Innenhof der Wache, sie zeichnen aber nicht auf. Die Bilder werden live auf einen Monitor im Wachraum übertragen. Ob und gegebenenfalls was die Beamten gesehen haben, müsse nun erst ermittelt werden, so Abbenseth.

Reaktionen auf den Brandanschlag

Dennis Gladiator, innenpolitischer Sprecher der CDU-Bürgerschaftsfraktion,

sagt, dass sich die Täter mit „Terroristen auf eine Stufe“ gestellt hätten. „Gewalt gegen Polizisten ist Gewalt gegen uns alle. Gewalttätige Extremisten und Terroristen haben in unserer Stadt nichts verloren. Der Erste Bürgermeister und der Innensenator tragen die Verantwortung dafür, dass Hamburg nicht nur während des Gipfels sicher ist, sondern auch in den Wochen davor.“

Antje Möller, innenpolitische Sprecherin der Grünen Bürgerschaftsfraktion:

„Diese Anschläge sind inakzeptabel und schaffen keine Akzeptanz für G20 Kritik. Sie gefährden Menschen und erweisen der Auseinandersetzung mit dem Mandat und den Inhalten der G20 Treffen einen Bärendienst.“

Carl Jarchow, innenpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion:

„Der erneute Anschlag auf Fahrzeuge der Hamburger Polizei ist aufs Schärfste zu verurteilen. Alle demokratischen Kräfte sind aufgefordert, sich von diesen Attacken auf den Staatsapparat zu distanzieren. Die Anschläge zeigen die Taktik der militanten G20-Gegner, durch derartige Anschläge die Einsatzfähigkeit der Polizei zu schwächen. Es zeigt aber auch, dass diese Taktik den rot-grünen Senat absolut unvorbereitet trifft. Dieses Versäumnis muss Innensenator Andy Grote umgehend beseitigen, damit im Juli keine Chaostage drohen.“

Gerhard Kirsch, Landeschef der Gewerkschaft der Polizei (GdP),

sprach nach dem Anschlag auf ein GdP-Fahrzeug vor elf Tagen erneut von einem „feigen und kriminellen Angriff im Vorfeld des G20-Einsatzes“. Wer die Polizei angreife, greife in „asozialer Weise“ die Gesellschaft und den Staat an. „Auch ohne Bekennerschreiben sogenannter Linksextremisten erwarte ich insbesondere von den Vertretern der Linkspartei in dieser Stadt eine unzweideutige und öffentliche Verurteilung dieser kriminellen Gewaltakte – nachdem man sich nach dem Anschlag unter anderem auf das Fahrzeug der GdP in ein vielsagendes Schweigen gehüllt hatte.“

Christiane Schneider, innenpolitische Sprecherin der Linken,

sieht die Anschläge vor dem Gipfel mit Sorge. „Wir lehnen Gewalt als Mittel der Auseinandersetzung ab und hoffen, dass die begonnene Eskalation schnell endet. Dazu gehört auch, dass der Senat nicht zu einer Aufschaukelung beiträgt, indem er etwa das Heiligengeistfeld für eine Gegendemonstration vor dem Gipfel zur Verfügung stellt.“

Joachim Lenders, Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG):

„Wir müssen uns der Ernsthaftigkeit der Situation bewusst werden, ohne in hektischen Aktionismus zu verfallen“, sagt Lenders. Dazu gehöre eine deutliche Verstärkung der Polizei beim Raum- und Objektschutz. „Das heißt, dass wir sehr frühzeitig darauf bestehen, dass auch Kräfte aus anderen Bundesländern in Hamburg eingesetzt werden“, so Lenders. Er geht davon aus, dass es weitere militante Aktionen geben wird. „Besonders besorgniserregend ist, dass, wie jetzt bekannt wurde, auch im Rahmen militanter Aktionen im Vorfeld des Gipfels direkte Angriffe auf Polizisten in der Szene als legitime Mittel angesehen werden. Hier haben wir eine neue Qualität“ , so Lenders.

Arno Münster, SPD-Fraktion:

„Ich verurteile diese Übergriffe aufs Schärfste. Ganz gleich, womit solche Chaoten sich auch zu rechtfertigen versuchen, wer Gewalt gegen Sachen oder Personen ausübt, ist nichts weiter als ein Straftäter.“

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Am späten Montagabend dann bekannte sich auf Indymedia eine Gruppe mit dem Namen SmashG20 zu dem Brandanschlag in der Grundstraße. „Wir wollten es uns nicht nehmen lassen, die heißen Tage vor dem Gipfel anzuheitzen“, heißt es auf dem bei Indymedia veröffentlichten Pamphlet unter der Überschrift „Ganz Hamburg hasst die Polizei/Die ganze Welt hasst die Polizei.“ Weiter steht dort: „Wir haben genau deshalb die Polizei angegriffen, da sie in dieser perfiden Maschinerie die unmittelbar ausführende Gewalt sind.“

Rund 100 Tage vor Beginn des G20-Gipfels ist damit eine Spirale der Eskalation im Gang. Vor zehn Tagen verübten Linksextremisten zwei Brandanschläge. An der Schmarjestraße, in der Nähe der Wohnung von Bürgermeister Olaf Scholz (SPD), ging in der Nacht zum 17. März ein Transportwagen der Polizei in Flammen auf; zur gleichen Zeit wurde unweit des Polizeipräsidiums in Winterhude ein Bus der Gewerkschaft der Polizei (GdP) an­ge­griffen und zerstört.

Linke planen Anschläge im April

Bereits im September 2016 hatten unbekannte Täter zwei Privatfahrzeuge eines Hamburger Polizeidirektors vor dessen Haus in Lemsahl-Mellingstedt abgefackelt – in einem Bekennerschreiben „begründeten“ sie ihre Tat auch mit der künftigen Funktion des hochrangigen Beamten beim G20-Gipfel. Der Anschlag in Eimsbüttel hat jedoch eine neue Qualität: Erstmals scheuten Extremisten nicht davor zurück, die Polizei auf eigenem Terrain anzugreifen.

Kommentar: Politik muss handeln

Dazu passt, dass die Linke auch öffentlich ihren Protest symbolhaft in Szene setzt. Seit Sonntagnachmittag prangt auf der Roten Flora eine bläuliche Lichtinstallation mit dem Schriftzug „No G20“ – wobei „G20“ mit Stacheldraht umrandet ist.

Eine Entspannung der Lage ist nicht in Sicht. Wie das Abendblatt aus linken Kreisen erfuhr, soll der April als „Aktionsmonat“ die „heiße Phase“ vor dem Gipfel einläuten. Sowohl gemäßigte als auch extremistische Gruppen haben dafür konkrete Planungen entworfen – die Bandbreite soll von offiziellen Veranstaltungen zur Geldgewinnung über Konferenzen bis zu gezielten Anschlägen auf noch unbekannte Ziele reichen. Auch in Polizeikreisen ist man über den Aktionsmonat informiert.

Verfassungsschutz: 11.000 Gewaltbereite erwartet

Nach Abendblatt-Informationen geht der Bundesverfassungsschutz davon aus, dass zum G20-Gipfel rund 11.000 gewaltbereite Demonstranten aus dem In- und Ausland in Hamburg aktiv werden wollen, insgesamt wird mit rund 150.000 Demonstranten gerechnet. In Lagepapieren der Polizei ist davon die Rede, dass während des Gipfels Anschläge auf Straßenverkehr, Bahnverbindungen und Luftraum möglich sind – zudem könnten Demonstranten versuchen, die Anfahrtswege für die Staatsgäste zu blockieren.

Die Anschläge im Vorfeld des Gipfels kämen nicht überraschend, heißt es aus Sicherheitskreisen. Die Maßnahmen sollen bereits in naher Zukunft hochgefahren werden. Insgesamt werden beim G20-Gipfel dann mindestens 14.000 Polizisten in Hamburg im Einsatz sein, mehr als jemals zuvor.

Die abgebrannten Einsatzfahrzeuge sind, wie alle Fahrzeuge von Polizei und Feuerwehr, nicht versichert. Schäden und Ersatz müssen aus dem Haushalt für Sachmittel – und damit vom Steuerzahler – bezahlt werden. Gerade bei den Mannschaftswagen ist die Zahl der zur Verfügung stehenden Ersatzfahrzeuge aber nicht so groß.