Hamburg. Geldhaus will Bearbeitungszeit auf 24 Stunden senken. Vorstand Michael Reuther über das Geschäft im Norden und das Sparprogramm.

In der Metropolregion Hamburg hat die Commerzbank im vergangenen Jahr rund 700 Unternehmenskundenhinzugewonnen. Das ist Teil der Wachstumsstrategie, die Michael Reuther, im Vorstand der Commerzbank verantwortlich für die Betreuung der bundesweit 70.000 Firmenkunden, verfolgt. Doch der Konzern hat auch ein massives Sparprogramm angekündigt. Das Abendblatt sprach mit Reuther über seine Pläne für den Norden und über die Neuausrichtung des Kreditinstituts.

Bis zum Jahr 2020 will die Commerzbank 10.000 Firmenkunden hinzugewinnen. Wie viele sollen es in Hamburg sein?

Michael Reuther: Wir wollen hier im Norden in diesem Jahr neue Kunden im hohen dreistelligen Bereich gewinnen. Für uns ist Hamburg ein sehr wichtiger Standort – schließlich ist die Commerzbank im Jahr 1870 in dieser Stadt von Kaufleuten zum Zweck der Außenhandelsfinanzierung gegründet worden. Dieser Ursprung ist in unserer DNA fest verankert. Heute wickelt die Commerzbank rund 30 Prozent des deutschen Außenhandels ab.

Aber die Commerzbank bezeichnet sich selbst ohnehin schon als Marktführer im Geschäft mit dem deutschen Mittelstand. Außerdem rangeln auch etliche andere Banken – darunter manche ausländische – um mittelgroße Firmenkunden und Sparkassen wie die Haspa sind ihnen regional gesehen nahe. Welche Kunden wollen Sie da noch gewinnen?

Reuther: Richtig ist, dass wir Marktführer bei Firmenkunden mit Umsätzen zwischen 100 Millionen Euro und einer Milliarde Euro sind. Aber bei den Unternehmen im Umsatzbereich von 15 Millionen bis 50 Millionen Euro liegt unser Marktanteil unter dem von Wettbewerbern.

Die Sparkassen sind uns hier noch voraus. Um Kunden in dieser Größenordnung wollen wir uns jetzt verstärkt bemühen – zumal die Margen da vergleichsweise hoch sind, weil ausländische Banken nur bei großen Mittelständlern eine spürbare Konkurrenz darstellen. Gerade im Norden sehen wir gute Gelegenheiten, im Firmenkundengeschäft noch weiter voranzukommen.

Warum gerade im Norden?

Reuther: Angesichts der Ungewissheit über die Zukunft des hiesigen Landesbankensektors müssen sich die Kunden fragen, auf welche Bank sie langfristig setzen wollen. Diese Mittelständler haben wir im Blick. Ich bin fest davon überzeugt, dass im Norden die Marktanteile neu verteilt werden.

Welche Stärken will denn die Commerzbank ins Feld führen?

Reuther: Wir sind sehr stark, wenn es um Absicherungen von Zinsen und Währungen geht, und haben eine führende Position in der Exportfinanzierung. Wir sind in mehr als 50 Ländern vor Ort. Und das ausgeprägte Know-how unserer Spezialisten für bestimmte Branchen, zum Beispiel Automobilzulieferer oder Chemie/Pharma, das bisher schon die größeren Mittelständler nutzen, wollen wir jetzt auch den Betreuern der kleineren Firmenkunden zugänglich machen.

Zeigen aber nicht die Sondierungsgespräche zwischen Top-Managern der Commerzbank und der Deutschen Bank im vorigen Sommer über eine mögliche Fusion – auch wenn sie ergebnislos blieben –, dass der Markt nicht groß genug für beide ist?

Reuther: Zweifellos haben wir in Deutschland einen sehr zersplitterten Bankenmarkt, auf dem private Institute, Sparkassen und Genossenschaftsbanken konkurrieren. Das ist gut für die Kunden, die im Vergleich zum Ausland von niedrigeren Preisen für Bankdienstleistungen profitieren, aber das ist natürlich nicht gut für Aktionäre oder Eigentümer – zumal der Markt insgesamt nicht mehr wächst. Damit bleibt den Banken hier nichts anderes übrig, als um die Marktanteile zu kämpfen.

Zurück in den Norden: Welche besonderen Kompetenzen hat die Commerzbank in Hamburg?

Reuther: Hier ist unser Team für das Wachstumsfeld erneuerbare Energien angesiedelt, außerdem steuern wir von Hamburg aus unser Geschäft in den skandinavischen Ländern.

Früher war Hamburg auch der Sitz des Bereichs Schiffsfinanzierung. Wie lange wird Ihnen die Abwicklung dieser Sparte noch Probleme machen?

Reuther: Wir haben im Jahr 2012 die Entscheidung getroffen, dieses Geschäft einzustellen. Aus heutiger Sicht war das absolut richtig. Damals hatten wir ein Schiffskreditvolumen von mehr als 20 Milliarden Euro in den Büchern, jetzt sind es noch 4,8 Milliarden Euro in unserer Abbaueinheit. Im Jahr 2016 entfiel über die Hälfte aller Wertberichtigungen von rund 900 Millionen Euro, die wir in der Commerzbank vornehmen mussten, allein auf die verbliebenen Schiffskredite.

In diesem Jahr dürfte noch einmal ein ähnlicher Betrag anfallen. Aber insgesamt liegt der Anteil der notleidenden Kredite für die Commerzbank nur bei 1,6 Prozent, während es bei vielen südeuropäischen Banken 15 Prozent und mehr sind.

Im September hat der Commerzbank-Vorstand beschlossen, bis 2020 unter dem Strich mehr als 7000 der zuletzt 45.000 Arbeitsplätze abzubauen. Wie stark ist Ihre Sparte davon betroffen? Und welche der bisherigen Dienstleistungen für Firmenkunden fallen durch die drastische Straffung nun weg?

Reuther: Weil die Gespräche mit dem Betriebsrat über den Arbeitsplatzabbau erst Ende März beginnen, kann ich zu den konkreten Auswirkungen im Hinblick auf die Zahlen noch nichts sagen. Für die meisten Firmenkunden wird sich aber kaum etwas ändern. Wir streichen zwar einige hochkomplexe Finanzprodukte. Aber davon merkt ein Unternehmenskunde gar nichts, denn wir hatten sie speziell für Vermögensverwalter und institutionelle Kunden im Programm.

Aufgrund der Vorschriften der Regulierungsbehörden müssen solche Produkte mit sehr viel Kapital abgesichert werden. Dieses Kapital können wir jetzt für Wachstum im Kerngeschäft nutzen, unter anderem für die Vergabe von Krediten an neue Firmenkunden. Zudem investieren wir in die Digitalisierung, was unseren Kunden zugutekommt.

Können Sie Beispiele dafür nennen?

Reuther: Während wir für die Vergabe von Firmenkrediten bis zu einer Million Euro heute mindestens 72 Stunden benötigen, wollen wir diesen Zeitraum schon im kommenden Jahr auf 24 Stunden drücken. Auch größere Kreditengagements werden von der Digitalisierung der Prozesse profitieren und sich weiter deutlich beschleunigen.

Dazu entwickeln wir Computerprogramme, die über Daten zur Kreditwürdigkeit des Kunden und zu der Situation der jeweiligen Branche verfügen. Und in Berlin haben wir gerade die Tochterfirma #openspace gegründet, die Mittelständlern dabei hilft und sie befähigt, ihre Geschäftsmodelle und Unternehmen digital zu transformieren. Hamburg hat sicher ebenfalls das Potenzial für eine solche Plattform.

Kommen wir noch einmal auf die Restrukturierung der Commerzbank zu sprechen. Sie waren jahrelang als Investmentbanker unter anderem in London tätig. Müssen Sie jetzt also auch die Arbeitsplätze früherer Kollegen abbauen?

Reuther: Sicher macht es mehr Spaß, etwas aufzubauen. Aber wegen der immer weiter verschärften Vorgaben der Regulierungsbehörden ist es richtig und wichtig, dass wir uns auf Geschäfte konzentrieren, die für unsere Privat- und Firmenkunden wirklich relevant sind.

Das schließt auch den Großteil der Leistungen aus dem Kapitalmarktgeschäft ein. Den Eigenhandel hat die Commerzbank ohnehin schon im Jahr 2004 eingestellt. Damit gehörte sie zu den Vorreitern.

Wie läuft es in diesem Jahr für die Sparte, die Sie verantworten?

Reuther: Mit Blick auf die zahlreichen politischen Unsicherheiten ist es zu früh für Prognosen. Aber trotz der Ungewissheit, die nicht zuletzt die Wahlen in diesem Jahr mit sich bringen, ist die Stimmung bei Firmenkunden relativ gut. Zuletzt hat die Investitionsbereitschaft sogar leicht zugenommen.