Hamburg. Die älteste Vereinigung Hamburger Kaufleute wird 500 Jahre alt. Neuer Vorsitzender über Verjüngungspläne.
Manche sehen den Verein als einen Fall für die Mottenkiste. Die „Versammlung eines Ehrbaren Kaufmanns zu Hamburg“ (VEEK) ist mit Sicherheit die älteste Vereinigung Hamburger Kaufleute, aber auch die unbekannteste. Zweimal im Jahr tritt der Verein VEEK, dessen Leitlinien sich insgesamt rund 1000 Hamburger Kaufleute unterworfen haben, in Erscheinung: zur Mitgliederversammlung im November und bei der Jahresschlussansprache des Präses der Handelskammer vor diesem Gremium. Aber sonst? Kaum Aktivitäten auf einem Fundament marmorner Tradition.
Ein Mann ist jetzt angetreten, das zu ändern: Gunter Mengers ist seit 44 Jahren selbstständiger Versicherungskaufmann in Hamburg und Mäzen mit vielfältigen ehrenamtlichen Aufgaben – so stellt man sich einen Hanseaten vor. Mengers lenkt seit Januar die Versammlung als neuer Vorstandsvorsitzender – und er will sie wieder ins Lampenlicht rücken: „Wir wollen die Versammlung eines Ehrbaren Kaufmanns sichtbarer in der Stadt machen. Wir wollen den Verein verjüngen und auch mehr Frauen ansprechen“, verrät Mengers dem Abendblatt bei einem Treffen im ehrwürdigen Übersee-Club.
Mehr im Blickpunkt der Öffentlichkeit
Die VEEK wird in den kommenden Monaten ohnehin mehr in den Blickpunkt der Öffentlichkeit geraten, eben wegen der Versammlung des Ehrbaren Kaufmanns zum Jahresausklang. „In der Vergangenheit ist die Ausgestaltung dieser auch überregional sehr wichtigen Veranstaltung mit mehr als 2000 Gästen harmonisch gemeinsam mit der Geschäftsführung und dem Präsidium der Handelskammer organisiert worden“, sagt Mengers. Er weiß aber selber nicht, ob das so bleibt: „Wir warten ab, wie sich die Zusammenarbeit mit dem neuen Präsidium in Zukunft gestaltet.“
Grund ist die Rede des Präses der Handelskammer, über die es bereits im vergangenen Jahr Streit gegeben hat. Ob der Präses in diesem Jahr reden wird, ist gänzlich offen. Die Handelskammer, mit der die VEEK eng verwoben ist, hat bekanntlich bei ihren Plenarwahlen in diesem Jahr einen Umsturz erlebt, bei dem die Kammerrebellen fast alle Sitze erringen konnten. Und deren Sprecher, Tobias Bergmann, der heute zum neuen Präses gewählt werden soll, hat eigene Vorstellungen vom Ablauf der Veranstaltung: Neben dem Präses sollen ein Azubi, ein Existenzgründer und ein Traditionsunternehmer zu Wort kommen.
Verein hat das Sagen
„Die Regeln bestimmen wir“, sagt hingegen Mengers. Er verweist auf die Satzung der VEEK, in der festgeschrieben ist, dass der Präses zum Jahresausklang spricht. „Wir würden uns sehr freuen, wenn der Präses auch in diesem Jahr unserer Einladung folgt und seinen traditionellen Bericht über die vorherrschenden wirtschaftspolitischen Fragestellungen sowie die Arbeit der Handelskammer erstattet“, sagt Mengers. „Wir überdenken, die Satzung dahingehend zu ändern, dass auch andere Wirtschaftspersönlichkeiten aus der Metropolregion über die Situation Hamburgs und der Metropolregion im lokalen und globalen Kontext berichten können.“
Obgleich die Versammlung eines Ehrbaren Kaufmanns jedes Jahr im Börsensaal der Handelskammer stattfindet, hat also der Verein das Sagen. Der Grund liegt in der Geschichte: 1517 gaben sich die Hamburger Kaufleute erstmals einen Vorstand – die Keimzelle der VEEK, aus der später die Commerzdeputation gewählt wurde, die Vorläuferin der heutigen Handelskammer. Damit feiert die VEEK in diesem Jahr ihr 500-jähriges Bestehen mit zahlreichen Veranstaltungen – inklusive Festakt im Oktober in der Elbphilharmonie.
Mitglied wird nur, wer Grundsätzen folgt
Wie werden die Kammerrebellen mit dem traditionswürdigen Gremium umgehen, in dem für sie nur „Pfeffersäcke“ sitzen? Mengers ist da nicht bange, auch wenn die neuen Machthaber in der Handelskammer nicht dem Kreis jener bekannten Unternehmer angehören, mit denen er sonst zu tun hat: „Ich gehe davon aus, dass die neuen Plenarmitglieder alles ehrbare Kaufleute sind, auch wenn sie nicht bei uns Mitglied sind. Außerdem haben wir uns als Kaufleute daran gewöhnt, auf Veränderungen zu reagieren, wir werden uns auch mit dieser Situation arrangieren.“
Einen Tipp für das neue Präsidium der Handelskammer hat der verheiratete Vater dreier Söhne parat. „Wenn ich der neue Präses wäre, würde ich schnell den Kontakt zum Ehrbaren Kaufmann suchen.“ Die VEEK sei nämlich keine verstaubte Altherrenriege, wie mancher glauben mag, sondern für die Kaufmannschaft in Hamburg noch immer von großer Bedeutung.
Leitlinien des Vereins unterwerfen
Mitglied kann nur werden, wer Hamburger Unternehmer ist oder ein Hamburger Unternehmen in leitender Position vertritt. Zudem muss das Mitglied sich den Leitlinien des Vereins unterwerfen, „die im Geschäftsverkehr allgemein anerkannten ethischen Grundsätze und das Prinzip von Treu und Glauben“ beachten und Handlungen unterlassen, „die mit dem Anspruch auf kaufmännisches Vertrauen nicht vereinbar sind“. Das, so Mengers, müsse auch für die neue Kammerführung gelten. „Anstand hat Zukunft“, sagt er und erläutert zugleich, was er damit meint. „Wir leben in rauen Zeiten. Da erleben ethische Grundsätze eine Renaissance.“ Zum Beispiel handele ein Unternehmer ethisch, wenn er bei der auf dem Vormarsch befindlichen Digitalisierung, beizeiten daran denkt, wie er seine Mitarbeiter weiterbilden und mitnehmen kann, anstatt sie zu entlassen.
„Der Ehrbare Kaufmann ist weltoffen“
Auch dem wieder aufkeimenden Protektionismus und nationalistischen Abschottungstendenzen, müsse man entgegentreten: „Der Ehrbare Kaufmann ist weltoffen und freiheitlich orientiert“, sagt Mengers. Korruption müsse er bekämpfen. Unethisch habe sich beispielsweise der VW-Vorstand in der Abgasaffäre verhalten. „Da wurde gelogen und betrogen“, so Mengers. Und auch hinter manchen Managergehältern möchte er ein Fragezeichen machen. Nicht alles, was rechtlich in Ordnung gehe, sei auch ethisch vertretbar.