Hamburg. Fünfmal höhere Ausfallquote im Vergleich zur U-Bahn. FDP fordert „Sanierung an der Spitze“. Portal wertet aus, wo genau es hakt.

Plötzlich geht nichts mehr, die Züge bleiben stehen, die Bahnsteige quellen über, bei der Bahn sucht man nach Lösungen. Szenen wie diese scheinen sich in diesem Jahr in Hamburg zu häufen. Nun werden Fakten zur Störanfälligkeit des Hamburger Nahverkehrs bekannt: Einige Linien sind häufiger betroffen als andere – und bei der S-Bahn hakt es auffällig stark.

Die Züge der S-Bahn verspäteten sich im Jahr 2016 doppelt so häufig wie Züge der U-Bahn – um mehr als drei Minuten – die Ausfallquote lag sogar knapp fünfmal höher als bei der Untergrundbahn. Das geht aus der Senatsantwort auf eine Kleine Anfrage des FDP-Abgeordneten Wieland Schinnenburg hervor. Insgesamt waren bei der S-Bahn fünf Prozent der Züge verspätet, 0,93 Prozent der Abfahrten fielen gänzlich aus.

Eine detaillierte Statistik über die Störungen führen die Verkehrsbetriebe jedoch nicht. Wieland Schinnenburg fordert ein rasches Umdenken: „Bei der S-Bahn ist dringend eine Sanierung an der Spitze nötig. Der erste Schritt ist eine vollständige Erfassung aller Störungen der Bahnen einschließlich deren Ursachen“, sagt der FDP-Politiker.

Bahn macht äußere Einflüsse für Störungen verantwortlich

Die Deutsche Bahn verweist darauf, dass technische Defekte seltener als andere Zwischenfälle seien: Mehr als 50 Prozent der Verspätungen und Ausfälle würden aus der Erfahrung durch äußere Einflüsse verursacht, obwohl Züge und Strecken intakt seien. „Wir hatten seit dem vergangenen Freitag neun Störungen, davon wurden acht durch Polizeieinsätze oder betriebsfremde Personen auf den Gleisen verursacht“, sagt Egbert Meyer-Lovis, Sprecher der Deutschen Bahn. Die Häufigkeit solcher Vorkommnisse habe deutlich zugenommen. Lediglich einmal sei es zuletzt durch eine technische Störung auf der Strecke zwischen Harburg und Wilhelmsburg zu Verzögerungen gekommen.

Zuvor bereitete die Technik der S-Bahn aber bereits seit Januar wiederholt arge Probleme: Die Signalanlage im Hauptbahnhof fiel allein im Februar dreimal aus, wegen eines ähnlichen Defekts kam es am ersten Tag nach den Frühlingsferien vor zwei Wochen erneut zu Ausfällen, Verspätungen und Frust bei den Passagieren. „Da ist der Wurm drin“, sagte ein Sprecher, nachdem sich auch noch ein Zug der Linie S 1 bei Blankenese durch eine falsche Weichenstellung „verfahren“ hatte.

Reagiert Bahn nicht professionell auf Störungen?

Der Fahrgastverband Pro Bahn macht auch den jahrelangen Sanierungsstau bei der Bahn für die häufigeren Ausfälle und Verspätungen verantwortlich. Seit einigen Jahren investiere der Konzern zwar massiv in die Instandhaltung der Technik. „Die früheren Verfehlungen sind aber spürbar und werden wohl noch auf Jahre spürbar bleiben“, sagt der Pro-Bahn-Landesvorsitzende Stefan Bark­leit. Da das S-Bahn-Netz in Hamburg kaum verästelt ist, machen sich auch Störungen auf der Strecke – und besonders Vorfälle am Hauptbahnhof – auch sehr stark bemerkbar. In der Vergangenheit wurde auch Kritik daran laut, dass die Bahn nicht schnell und professionell genug auf Störungen reagiere.

Als zum Beispiel Ende Februar eine Oberleitung auf einen einfahrenden InterCity-Express (ICE) am Hauptbahnhof krachte, verzögerte etwa ein fehlendes Kuppelstück die Rettung der eingeschlossenen Passagiere.

S 3, S 21 und Regionalbahnen besonders stark betroffen

Pro Bahn fordert seit Jahren auch eine bessere Information der Fahrgäste – inzwischen betreiben Privatleute das Portal „HVV Störungsmeldungen“ im Internet, das aktuelle Zwischenfälle bei Facebook und Twitter meldet und mehr als 25.000 Abonnenten hat. Laut einer Auswertung der Betreiber, die dem Abendblatt vorliegt, fallen bei der S-Bahn seit Jahresbeginn etwa 70 bis 100 Stunden an Verzögerungen pro Monat an.

Sie ist damit gemeinsam mit Regionalbahnen laut den Betreibern des Portals das am meisten beeinträchtigte Verkehrsmittel, am häufigsten träten Störungen auf den Linien S 3 und S 21 auf. Die Statistik ist mutmaßlich nicht vollständig, da die vier Administratoren nicht alle Sperrungen erfassen. Das tatsächliche Ausmaß der Störungen liegt laut den Betreibern höher als offiziell angegeben – die Verkehrsbetriebe zählten etwa die Nachwirkungen von Sperrungen teilweise nicht mit.

„HVV Störungsmeldungen“ hat zudem saisonale Unterschiede ausgemacht: „In den Monaten von November bis einschließlich März kommt es jedes Jahr zu einer Steigerung der Störungsmeldungen, welche erst substanziell wieder im April und Mai nachlässt“, so die Betreiber. In den Sommermonaten gebe es häufiger Meldungen durch Bauarbeiten an der Infrastruktur.

Im Gegensatz zur S-Bahn habe die Störanfälligkeit der U-Bahn-Linien zuletzt U 2 und U 4 im Vergleich zum Jahr 2016 abgenommen. Auch die Behinderungen auf Busstrecken wurden erfasst: Passagiere der Linien 23, 39 und 183 brauchen demnach die meiste Geduld. Dort wurden zuletzt teils an 100 Tagen im Jahr Verspätungen gemeldet.