Hamburg. Die Zahl der Fälle verdoppelt sich. Die FDP kritisiert Personalmangel und warnt vor einem Kollaps.

Das Hamburger Verwaltungsgericht ächzt unter der Last zunehmender Klagen in Asylsachen – eine Folge der hohen Flüchtlingszahlen der vergangenen Jahre. 1748 Klagen gegen die Ablehnung von Asylanträgen gingen allein im Januar und Februar 2017 ein – so viele wie im gesamten Jahr 2015.

Die Situation am Verwaltungs­gericht verschärft sich damit weiter. Im Jahr 2016 verzeichnete es mit insgesamt 3514 neuen Klagen in Asylsachen – also doppelt so viele wie 2015 – einen neuen Rekord (dazu kommen 933 Eilverfahren). In diesem Zeitraum bekamen die Richter außerdem 4340 Klagen und Eilverfahren in allgemeinen Sachen auf den Tisch, darunter fallen beispielsweise auch Bau- und Ordnungsrecht – insgesamt hielten sich Asylverfahren und alle übrigen Verfahren also die Waage.

Anstieg wegen „Rückstandsabbau“

Der Anstieg geht laut Justizbehörde auf den „Rückstandsabbau“ von Asylverfahren beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zurück. Werden Asylbewerber abgelehnt, können sie vor dem Verwaltungsgericht klagen. Das Hamburger Gericht muss sich nach Abendblatt-Informationen vor allem mit Klagen syrischer Flüchtlinge befassen, denen nur ein „subsidiärer Schutz“ zuerkannt worden ist, das heißt, dass deren Aufenthaltserlaubnis befristet ist und sie ihre Familienangehörigen nicht nachholen dürfen. Ihr Ziel: Sie wollen als „echte Flüchtlinge“ anerkannt werden.

Erledigt wurden im Vorjahr nur 1324 Hauptverfahren in Asylsachen – das sind 250 weniger als im Jahr zuvor. Außerdem dauerten sie länger. Vergingen 2015 bis zu einer Entscheidung durchschnittlich 9,3 Monate, waren es 2016 bereits 9,8 Monate. Mit einer Verfahrensdauer von 8,6 Monaten in den ersten zwei Monaten dieses Jahres deutet sich hier aber eine Trendwende an.

„Extrem angespannte Situation“

Nur 2,4 Monate dauerten hingegen Asyl-Eilverfahren. Deren Zahl sank von 1318 auf 933 im Vorjahr – was vor allem daran liegt, dass der Flüchtlingsstrom nach Schließung der Balkanroute im März 2016 deutlich abgeebbt ist. Mit zeitlicher Verzögerung sollen diese Effekte auch auf die Justiz durchschlagen. „Ab Mai werden spürbar sinkende Eingangszahlen erwartet“, sagt Marion Klabunde, Sprecherin der Justizbehörde.

Von einer „extrem angespannten Situation“ spricht die justizpolitische Sprecherin der FDP-Bürgerschaftsfraktion, Anna von Treuenfels-Frowein. Es komme am Verwaltungsgericht auch zu „alarmierenden Höchstständen“ bei den Fehlzeiten. Wie aus der Senatsantwort auf eine Kleine Anfrage der Politikerin hervorgeht, betrug die Fehlzeitenquote im letzten Jahresviertel 2016 bei den Servicekräften 14,9 Prozent. Bei den Richtern waren es nur 2,9 Prozent. „Justizsenator Steffen muss an allen Gerichten endlich für Entlastung sorgen und den Personalbedarf decken“, fordert von Treuenfels-Frowein. „Der Justizapparat droht ansonsten zu kollabieren.“

Richter müssen praktisch im Akkord arbeiten

Die Justizbehörde hingegen sieht das Verwaltungsgericht für die Herkulesaufgabe gut gewappnet. „Übereinstimmend mit der Präsidentin des Verwaltungsgerichts hält die Justizbehörde die Ausstattung des Gerichts und die organisatorischen Maßnahmen für geeignet, mittelfristig die Bestände anhängiger Verfahren abzubauen“, sagt Klabunde. So sei das Gericht seit 2015 um 14 Richter und elf Servicekräfte verstärkt worden. Zudem seien im Januar zwei Kammern eingerichtet worden, die nur mit Asylverfahren befasst seien. Künftig sollten daher mehr Verfahren erledigt werden können. „Sollte diese Prognose nicht zutreffen, werden weitere Maßnahmen geprüft“, sagt Klabunde.

So oder so werden die Richter auch in den kommenden Jahren Asylverfahren praktisch im Akkord bearbeiten müssen – schon allein, weil sie auf einem Berg von Akten sitzen. Bis Ende Februar 2017 gab es in Asylsachen noch 5231 unerledigte Verfahren im Bestand.