Hamburg. Verwaltungsgericht erlässt Zwischenverfügung für Siedlung Duvenacker. 98 Wohnungen für fast 400 Flüchtlinge sind betroffen.

Das Verwaltungsgericht Hamburg hat am Dienstag den Bau von 98 Expresswohnungen für Flüchtlinge in Eidelstedt gestoppt. Die Richter hätten eine Zwischenverfügung erlassen, sagte eine Sprecherin des Verwaltungsgerichts dem Hamburger Abendblatt. Das Gericht habe eine Vielzahl von Rechtsfragen als offen betrachtet und wolle verhindern, dass durch den Bau der sieben Wohngebäude vollendete Tatsachen geschaffen würden.

In Eidelstedt sollten auf einem städtischen Grundstück zwischen der Autobahn 7 und der Straße Duvenacker 98 Wohnungen im Standard des sozialen Wohnungsbaus entstehen. Allerdings werden die Gebäude zunächst als Flüchtlingsunterkunft deklariert und sollen von dem städtischen Unternehmen „Fördern und Wohnen“ (F&W) über einen Zeitraum von 15 Jahren betrieben werden. Anschließend sollen die Wohnungen in den Besitz des städtischen Wohnungskonzerns Saga übergehen und als Sozialwohnungen angeboten werden.

Richter haben Fragen aufgeworfen, aber noch keine beantwortet

Nach den Worten der Gerichtssprecherin haben die Verwaltungsrichter in ihrer Zwischenverfügung „Fragen aufgeworfen, aber noch keine beantwortet“. Sie bewerteten das Rechtsschutzbegehren der Kläger „als nicht offensichtlich aussichtslos“. Das bedeutet allerdings nicht, dass die Kläger sich am Ende auch mit ihrer Auffassung durchsetzen werden.

Im Kern geht es in dem Verfahren darum, ob bei dem Bau der Flüchtlingswohnungen die Rechte der Anwohner auf Mitsprache ausreichend berücksichtigt wurden. Auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise im Herbst 2015 hatten Bundestag und Bundesrat Ausnahmeregelungen im Baugesetzbuch beschlossen, die eine unbürokratische Errichtung von Flüchtlingsunterkünften erlauben sollte.

Über die Auslegung des Paragrafen 246 gibt es seit einem Jahr Streit

Über die Auslegung des betreffenden Paragrafen 246 gibt es in Hamburg jedoch seit mehr als einem Jahr Streit. Während die Stadt die Ausnahmeregelungen auch für den Bau von Wohngebäuden, die bis zu 60 Jahre und mehr Bestand haben, anwenden will, vertreten Kritiker die Auffassung, dass die Regelungen nur für den Bau von vorübergehenden Unterkünften gedacht sind. So werden durch die Ausnahmeregelungen wichtige Mitspracherechte der Anwohner, die bei der Errichtung von Wohngebäuden üblicherweise gelten, außer Kraft gesetzt. Im vorliegenden Fall wollen die Richter beispielsweise gründlich prüfen, ob bereits ein Bebauungsplanverfahren eingeleitet wurde, das bestimmte Anhörungsrechte von Nachbarn beinhaltet.

Klägeranwältin: Bebauungsplanverfahren dürfen nicht durch Verfahrenstricks ausgehebelt werden

Die Anwältin der Kläger begrüßte die Zwischenverfügung. Das Gericht stelle klar, „dass nachbarliche Beteiligungsrechte im Bebauungsplanverfahren sich nicht durch Verfahrenstricks aushebeln lassen“, erklärte Stefanie Grünewald von der Kanzlei Rechtsanwälte Klemm & Partner. „Damit wird endlich das Ende der in der Hamburger Planungspraxis üblichen Schubladenbeschlüsse eingeläutet.“

Für die flüchtlingspolitische Sprecherin der CDU-Bürgerschaftsfraktion, Karin Prien, ist die Zwischenverfügung im Interesse der ganzen Stadt. „Ein Zweiklassen-Baurecht ist ebenso wenig akzeptabel, wie die rechtsmissbräuchliche Auslegung von Bundesrecht durch diesen Senat. Es ist absolut nicht hinnehmbar, dass er über einen juristischen Winkelzug versucht, ganze Wohnquartiere außerhalb des regulären Bebauungsplanverfahrens und somit ohne Beteiligung der Anwohner zu schaffen.“

In den auf umstrittener Rechtsgrundlage basierenden Großunterkünften sollten hunderte Flüchtlinge in Wohnungen leben, die aufgrund von Lärmbelästigung, fehlender Infrastruktur oder ihrer Lage in einem Landschaftsschutzgebiet für den Wohnungsbau eigentlich nicht genehmigt und gebaut werden dürften, sagte prien weiter. „Insgesamt drohen diese Flüchtlingsunterkünfte zu sozialen Brennpunkten zu werden.“

FDP: Gericht stoppt Hütchenspieler-Trick-Bau des Senats in Eidelstedt

Der Eimsbütteler FDP-Bezirksabgeordnete Burkhardt Müller-Sönksen sprach von „Hütchenspieler-Tricks“, die in einem Rechtsstaat nichts zu suchen hätten. „Erst einen Bau unter der Bezeichnung Flüchtlingsunterkunft ohne übliche Bürgerbeteiligung zu bauen und diese dann nach 15 Jahren einfach als Sozialwohnung umzuwidmen, ist eine gewillkürte Umgehung der Nachbarrechte.“