Hamburg. Hamburger empört über Abriss von Denkmälern. Ein Streitgespräch zwischen Oberbaudirektor Walter und der Denkmalratsvorsitzenden Schües.

Immer wieder werden in Hamburg Denkmäler zum Abriss freigegeben. Das empört viele Hamburger. Auf Einladung des Abendblatts haben sich Oberbaudirektor Jörn Walter und Elinor Schües, Vorsitzende des Denkmalrats, zum Streitgespräch getroffen.

Frau Schües, Sie wollten, dass wir uns in der Patriotischen treffen. Warum?

Elinor Schües: Beim Blick aus dem Fenster sehen wir das Commerzbank-Areal, dessen zwei Gebäude derzeit Gegenstand einer emotional geführten Debatte um Stadtentwicklung und Denkmalschutz sind. Bei dem neueren, denkmalgeschützten Hochhaus geht es darum, ob man es wirtschaftlich erhalten kann oder nicht. Hier streitet man sich übers Geld. Bei dem weißen Altbau streitet man sich darüber, warum es nicht unter Denkmalschutz steht. Die Argumentation des Denkmalschutzamts, er sei immer wieder verändert worden, finden wir hier nicht überzeugend. Wirtschaft verändert sich, da muss man Gebäude anpassen. Deshalb fordern wir, auch den Altbau unter Schutz zu stellen.

Die Kontrahenten

Herr Walter, wie wichtig ist Ihnen denn der Altbau?

Jörn Walter: Hier spiegelt sich ein Konflikt zwischen der öffentlichen und der fachlichen Wahrnehmung wider, der uns auch an vielen anderen Stellen in der Stadt beschäftigt, beispielsweise an der Alster. Verschwindet dort eine der alten Villen, haben viele Menschen das Gefühl, es gehe etwas Wichtiges verloren. Dieses Gefühl teile ich. Gerade in Städten wie Hamburg, die durch Luftangriffe im Zweiten Weltkrieg stark zerstört wurden, erscheint alte Substanz bedeutsam, auch wenn sie es aus fachlicher Sicht nicht unbedingt ist.

Können Sie das Gebäude dann nicht einfach unter Schutz stellen?

Walter: Nein. Das ist eine autonome Entscheidung des Denkmalschutzes. Darüber kann sich nur der Hamburger Senat hinwegsetzen.

Schües: Das Commerzbank-Areal hat aber eine ganz besondere historische und städtebauliche Bedeutung. Hier gab es im 12. Jahrhundert die ersten Hafenanlagen. Mit der Patriotischen Gesellschaft und dem Laeiszhof bildet der Altbau ein wichtiges städtebauliches Ensemble.

Walter: Wie gesagt, als Oberbaudirektor ist meine Entscheidungsgewalt bei denkmalpflegerischen Belangen gering. Doch tatsächlich ist die städtebauliche Bedeutung eines der Kriterien dafür, ein Gebäude unter Schutz zu stellen. Da die Kriterien aber vom Denkmalschutzamt oft unterschiedlich gewichtet werden, müssten die Debatten darüber viel häufiger öffentlich geführt werden.

Was meinen Sie damit?

Walter: Als Oberbaudirektor bin ich es gewohnt, dass meine Entscheidungen in Medien und Ausschüssen diskutiert werden, oft kontrovers und kritisch. Diese Öffentlichkeit ist im Denkmalschutz nicht so verbreitet. Fachliche Entscheidungen werden da nur selten zur Diskussion gestellt. Sie sollten aber Gegenstand eines gesellschaftlichen Diskurses werden.

Schües: Genau dafür hat die Kultur­behörde doch den Denkmalrat gesetzlich installiert: nicht nur um das Denkmalschutzamt zu beraten; sondern auch, um in die Öffentlichkeit zu wirken.

Können Sie als Oberbaudirektor überhaupt etwas für gefährdete alte Gebäude tun?

Walter: Ja, das ist schon vorgekommen. Beim Hotel Prem an der Alster gelang es nach Verhandlungen mit dem Bauherrn zumindest, die Fassade zu retten – das Gleiche gilt für zwei Stadtvillen an der Hohenfelder Bucht. Das städtebauliche Bild an der Alster lebt von alten Elementen wie diesen – auch wenn die Gebäude dahinter mehrfach um- oder sogar neu gebaut wurden. Es geht schließlich nicht nur um die Originalsubstanz eines Gebäudes, sondern auch um seine städtebauliche Bedeutung und Geschichte.

Schües: Dann sind wir uns da ja einig. Ein Gebäude muss trotz baulicher Veränderungen das Recht haben, unter Schutz gestellt zu werden, wenn die Umbauten qualitätsvoll sind. Das sieht das Denkmalschutzamt leider manchmal recht eng.

Herr Walter, Sie haben die Kriterien des Denkmalschutzes an den Beispielen Elisabethgehölz und Weißes Haus in Nienstedten infrage gestellt.

Walter: Ich war und bin der Meinung, dass das Elisabethgehölz ein bedeutendes 20er-Jahre-Ensemble war, und kann nicht verstehen, warum es nicht unter Schutz gestellt wurde. Das Weiße Haus stand in sehr prominenter Lage und hat den Elbhang maßgeblich mit geprägt. Und auch wenn vielfach umgebaut wurde: An so einer bedeutsamen Stelle muss man öffentlich darüber diskutieren, ob nicht der geschichtliche und der Stadtbild prägende Wert über den Zeugniswert gestellt werden müssten.

Hätten Sie nicht durchgreifen können wie beim Hotel Prem?

Walter: Das einzige Instrument, das ich spielen kann, ist das Baurecht. Ich hätte also einer neuen Villa neben der alten zustimmen müssen, um diese zu erhalten. Das war nicht möglich. Die Nachnutzung eines Denkmals muss ja für den Eigentümer wirtschaftlich bleiben.

Ist das ein typischer Konflikt, den Sie im Umgang mit Denkmälern haben?

Walter: Ja. Ähnlich verhält es sich ja auch beim Commerzbank-Areal. Würde man auch den Altbau unter Schutz stellen – so; wie Sie, Frau Schües, das wünschen –, müsste man auf dem Gelände des Neubaus etwas zulassen. Der ist jedoch denkmalgeschützt. Und ein neues Gebäude zwischen Alt- und Neubau könnte den gesamten städtebaulichen Eindruck kaputt machen. Am Ende muss auch alles nutzbar und bezahlbar bleiben.

Frau Schües, was stört Sie am Umgang der Stadt mit ihren Denkmälern?

Schües: Dass zu viele geschönte Bilder unkritisch publiziert werden. Ich spreche von der verfälschten Darstellung des KPMG-Gebäudes, das heute die Sicht auf den Michel versperrt, oder den beschönigenden Wettbewerbszeichnungen zur Bebauung des Holzhafens. Aktuell gibt es Zweifel an der Darstellung der Bilder zum Neubau am Stintfang und denen zur Aufstockung des Feldstraßenbunkers. Bei den hübschen Simulationen sind Höhen falsch dargestellt, und es fehlen zum Beispiel die Aufzüge, die außen am Gebäude entstehen sollen. Wir vom Denkmalrat sind dagegen, eine Veränderung des Mahnmals überhaupt zuzulassen. Generell hätten wir als unabhängiges Gremium, das die Stadt berät, gerne ein Budget, um Gegenzeichnungen erstellen zu lassen.

Lassen Sie in Ihrer Behörde so etwas anfertigen, Herr Walter?

Walter: Ja. Die Stadtentwicklungsbehörde hat mit dem georeferenziellen Computermodell des Landesbetriebs für Geoinformation und Vermessung mittlerweile eine sehr gute Möglichkeit, präzise Darstellungen zu erarbeiten. Und da kann man feststellen, dass zwar von der Aussichtsplattform des Stintfangs auch der Neubau zu sehen sein wird, dahinter aber, wie jetzt, alle Hamburg prägenden Kirchtürme und die Elbphilharmonie.

Frau Schües, welche Entscheidungen des Oberbaudirektors haben Sie als Denkmalschützerin enttäuscht?

Schües: Der Umgang mit dem City-Hof. Da war sich zwar der Denkmalrat selbst nicht vollkommen einig, ob der Bau nun zu Recht ein Denkmal ist oder nicht. Wir haben aber den Prozess verurteilt: Erst wird das Gebäude unter Denkmalschutz gestellt, dann soll es aber trotzdem weg – und zwar ohne jede Diskussion, weil es dem Oberbaudirektor nicht gefällt.

Herr Walter, darf das ästhetische Empfinden eines Oberbaudirektors hier über dem Denkmalschutz stehen?

Walter: Nun, ich bin ja nicht der alleinige Entscheider. Aber genau dafür gönnt sich die Stadt ja das Amt eines Oberbaudirektors: dass er eine Meinung hat und sie auch äußert. Das Denkmalschutzamt hat meiner Meinung nach beim City-Hof ein fachliches Fehlurteil gefällt. Er ist nicht denkmalwürdig. Dazu kommt, dass wir das Haus wegen der problematischen Leca-Fassade nicht mehr so herstellen können, wie es einst war. Es wäre also eine reine Neuerfindung. Warum sollte unsere Generation nicht den Mut haben, an dieser Stelle etwas Neues zu errichten, das das Welterbe noch besser zur Geltung bringt und sich nicht bewusst dagegenstellt?

Schües: Dieses Gebäude ist ein eingetragenes Denkmal, und es gibt gute Gründe dafür. Wie sehr sich entsprechende Beurteilungen wandeln, zeigt sich auch daran, dass zu dieser Generation ausgerechnet eine Gruppe junger Leute gehört, die sich sehr für den Erhalt des City-Hofs einsetzt – als Denkmal, aber auch aus ökologischen und sozialen Gründen.

Frau Schües, für welche Projekte sollte sich der Oberbaudirektor in seiner verbleibenden Amtszeit, also bis Juli, einsetzen?

Schües: Wir sind beide Mitglieder in der Fritz-Schumacher-Gesellschaft. Daher wünsche ich mir von ihm, dass er sich für den Erhalt der Schule Berne einsetzt. Der Standort wurde von der Schulbehörde aufgegeben. Es handelt sich aber um einen wirklich gut erhaltenen Schumacher-Bau, der unbedingt weiter für Unterrichtszwecke genutzt werden sollte. Wohnnutzungen würden dem Bau sehr schaden, aber vielleicht könnte ein Bildungsträger einziehen. Außerdem wünsche ich mir, dass er das Immobilienunternehmen ECE dazu bewegt, die denkmalgeschützten Hallen am Billbrookdeich trotz des dort geplanten Logistikzentrums zu erhalten und mit ECE nach einem Konzept sucht, das dies bei allem wirtschaftlichen Druck möglich macht. Nachdem schon Teile der historischen Lagerhallen der Großeinkaufs­Gesellschaft Deutscher Consumvereine auf der Peute abgerissen wurden, wäre das ein gutes Signal.
Walter: Es ist dem Unternehmen offenbar nicht möglich, die Hallen weiterzunutzen, so bedauerlich das auch ist. Hier wird man meiner Meinung nach ein Zugeständnis an einen der großen Arbeitgeber der Stadt machen müssen, der im Übrigen dort genau richtig platziert ist.

Herr Walter, welches Denkmal liegt Ihnen besonders am Herzen?

Walter: Die wertvollen Backstein­ensembles im Hamburger Osten aus den 20er- und 30er-Jahren. Diese gehören zum großen städtebaulichen Erbe der Stadt, sind aber nur wenig im Bewusstsein der Allgemeinheit.