Hamburg. Internes Konzept sieht 68 neue Mitarbeiter vor. Stadt investiert 15,5 Millionen Euro. Beschäftigte klagen über Überlastung.

Als Andreas Dressel und Anjes Tjarks, die Fraktionsvorsitzenden der rot-grünen Koalition, vor zwei Monaten im Raum A des Rathauses mehr Service, längere Öffnungszeiten und keine weiteren Geduldsproben in Hamburgs Kundenzentren versprachen, klang das wie ein Ehrenwort, wie ein Gelöbnis, fast wie ein Schwur. Nach zuletzt desolaten Zuständen in den 20 Ämtern gab die Koalition mit ihrer Serviceoffensive das Ziel aus, die Wartezeit auf einen Behördentermin auf maximal zehn Tage zu begrenzen. Und nun wird erstmals öffentlich, welche Widerstände es gibt und welchen Aufwand die Stadt dafür betreiben muss.

Flexible Eingreiftruppe

Wie aus einer internen Verfügung der Finanzbehörde hervorgeht, die dem Abendblatt vorliegt, wird die Umsetzung des „Elf-Punkte-Plans“ von SPD und Grünen bis Ende des Jahres 2018 viel Geld und viel Personal kosten. Demnach werden in den kommenden gut eineinhalb Jahren 68 zusätzliche Stellen und im ungünstigsten Fall 15,5 Millionen Euro für die Neuorganisation der Kundenzentren kalkuliert.

Mindestens 50 neue Sachbearbeiter müssten eingestellt werden, hat eine Projektgruppe unter Leitung der Kasse Hamburg ermittelt. Fünf weitere Mitarbeiter wären als eine Art flexible Eingreiftruppe nötig. Für bessere Durchgriffsrechte sollen alle Kundenzentren zudem unter die Ägide eines zentralen, 13-köpfigen Leitstands. Er soll das Personal der Standorte flexibel steuern, das Projekt „Serviceoffensive“ verantworten.

Die Serviceoffensive

Zudem, heißt es in der sogenannten Einsetzungsverfügung, soll das neue Kundenzentrum an der Caffamacher­reihe zum „Großkundenzentrum“ mit „Platzreserven“ werden und auch sonnabends von 9 bis 16 Uhr öffnen. In allen Kundenzentren soll ein „Überangebot“ an Terminen eingerichtet werden, mindestens 15 Kundenzentren müssen ihre Öffnungszeiten ebenfalls ausdehnen, montags bis freitags von 7 bis 19 Uhr.

Im Papier wird zudem vorgeschlagen, oft geforderte Dienstleistungen wie Ausweis- und Meldeangelegenheiten für Bürger und Mitarbeiter zu vereinfachen und nach Möglichkeit online in Form von „Servicekonten“ anzubieten. Dafür soll sich die Stadt um ein Pilotprojekt der bundesweiten Digitalisierungsoffensive bewerben. Auch sieben Risiken werden benannt. Unter anderem befürchtet die Projektgruppe verzögernde Engpässe, Widerstände beim Personal und steigende Kosten. In den veranschlagten 15,5 Millionen Euro sind deshalb rund 6,3 Millionen Euro „Risikoaufschlag“ enthalten – vornehmlich für noch mehr Personal.

Wut und Enttäuschung

Tatsächlich sind bei den Mitarbeitern der Kundenzentren erhebliche Widerstände vorhanden, sagen die Personalräte der Bezirksämter. Wie berichtet, waren zwischenzeitlich nur 170 von 220 Stellen in den Kundenzentren besetzt. Nun seien nach einer Einstellungsoffensive alle neuen Kollegen halbwegs eingearbeitet, da werde schon die nächste Offensive angekündigt, ohne das Ergebnis der neuen Besetzung abzuwarten.

Dementsprechend sei die Stimmung bei einer dreistündigen Mitarbeiterversammlung am Mittwoch mit Finanz­senator Peter Tschentscher (SPD), den Koalitionsführern Tjarks und Dressel, allen sieben Bezirksamtsleitern und den Angestellten der Kundenzentren gewesen. Teilnehmer berichten von Wut und Enttäuschung seitens der Mitarbeiter. Vor allem hätten sich die Beschäftigten entsetzt darüber gezeigt, dass die Serviceoffensive ohne ihr Zutun entschieden worden ist. „Das empfinden viele als Ausdruck mangelnder Wertschätzung und Anerkennung für die geleistete Arbeit“, sagte Sieglinde Frieß, Fachbereichsleiterin der Gewerkschaft Ver.di. Wissen und Kompetenz der Mitarbeiter hätten bei der Offensive helfen können.

Furcht vor Schichtarbeit

Durch ausgeweitete Öffnungszeiten sei die Furcht vor Schichtarbeit groß, sagt Angela Traboldt, Personalrätin im Bezirksamt Nord. Motivierte und geforderte Kollegen würden nicht ermutigt, „das Gesicht der Hamburger Verwaltung“ zu bleiben. Thomas Auth-Wittke, Personalrat in Bergedorf, vermisst eine Entscheidungsgrundlage.

Es habe weder einen Bürgerdialog gegeben, um herauszufinden, was Hamburger eigentlich von Kundenzentren erwarten, noch seien dem Personal die Ergebnisse einer Kundenzentrumsuntersuchung durch die Kasse Hamburg mitgeteilt worden: „Stattdessen bringt sich die Stadt durch ein überbordendes Serviceversprechen in Handlungszwang, den die Mitarbeiter vor Ort ausbaden müssen.“ Eine aktuelle Personalbemessung fehle zudem.

Konstruktive Vorschläge

Bei der Versammlung seien aber auch konstruktive Vorschläge gemacht worden, etwa, die Technik zu überarbeiten oder von 17 bis 18 Uhr verstärkt Termine anzubieten, weil diese Zeit besonders nachgefragt werde. Die Initiatoren der Offensive, Tjarks und Dressel, hätten die Kritik mitgenommen und gesagt, noch sei nichts „in Stein gemeißelt“. Stefan Wiarda, Personalrat aus dem Bezirk Nord, hofft, dass sich Anjes Tjarks an den Satz erinnert, den Wiarda gestern notiert hat: „Wir wollen den Weg gemeinsam mit Ihnen gehen.“