Hamburg. Die ehrliche Finderin Sophie Dorison (46) erhält nur den halben Finderlohn. Die herrenlose Geldsumme geht nun an die Stadt Hamburg.

Sophie Dorison denkt noch oft an die Minuten davor. Wie eine Dame neben ihr saß, sie am 2. August 2016 mit dem Schnellbus der Linie 34 durch Eppendorf fuhren, bis die Frau ausstieg. War sie die Besitzerin? Kurz darauf bemerkte Sophie Dorison eine Plastiktüte am Sitz, darin ein Beutel – randvoll mit 20.000 Euro in gerollten 500-Euro-Scheinen.

Heute würde die Finderin anders handeln

Die 46-Jährige war ehrlich und gab das Geld bei der Polizei ab. „Hätte ich gewusst, was dann kam, hätte ich anders gehandelt“, sagt sie heute.

Sieben Monate nach dem Fund ist der oder die Eigentümerin des Geldes weiterhin unauffindbar. Die gesetzliche Frist, sich beim Fundbüro zu melden, hat sie oder er bereits im Februar verpasst. Die herrenlose Geldsumme geht nun jedoch nicht an Sophie Dorison – sondern an die Stadt Hamburg. Grund ist der alte Paragraf 978 im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), der die Finderin noch zusätzlich benachteiligt: Ihr steht nur die Hälfte des sonst üblichen Finderlohns von drei Prozent des Fundwertes zu, da sie das Geld in einem Bus und nicht auf der Straße fand.

Finderin fühlt sich getäuscht

Auch den halben Finderlohn hat Sophie Dorison bisher nicht erhalten. Erst gilt es, Papierkram zu erledigen: Sophie Dorison musste ihre Finderrechte juristisch geltend machen, zunächst versuchte sie über Wochen, eine verbindliche Auskunft vom Fundbüro zu erhalten. „Ich fühle mich getäuscht“, sagt Sophie Dorison, die in einer Eineinhalbzimmerwohnung lebt und keine finanziellen Rücklagen hat.

Nach dem ersten Bericht des Abendblatts hatte ihr Fall bundesweit Schlagzeilen gemacht – gegenüber Journalisten gab es Andeutungen der Verwantwortlichen, dass der Paragraf 978 veraltet sei. „Es hieß, man werde genau prüfen, mir möglicherweise einen Teil der Summe zuzusprechen, wenn sich der Eigentümer des Geldes nicht meldet“, so sagt es Sophie Dorison. Davon sei später dann keine Rede mehr gewesen. Ein Sprecher des Bezirksamts Altona bestätigte, dass entsprechend dem Gesetz verfahren werde.

Behörden hinterherrennen

Es mache sie wütend, sagt Sophie Dorison, dass sie den Behörden „hinterherrennen“ müsse. Sie hat ihre Lehren gezogen: „Wenn ich noch einmal in die Situation käme, würde ich das Geld ganz sicher nicht selbst behalten. Aber ich würde wohl zuerst auf eigene Faust versuchen, irgendwie die Eigentümerin des Geldes zu finden.“

Ein Abendblatt-Leser aus Stuttgart hat Dorison inzwischen die übrige Hälfte des Finderlohns geschenkt. „Ich habe auch eine Dankeskarte vom HVV bekommen“, sagt sie. „Aber welcher Finder wird nach dieser Geschichte noch so handeln, wie man es sich wünscht?“