Hamburg. Zur Uraufführung der ersten Theaterproduktion schwächelte der Große Saal der Elbphilharmonie ausgerechnet in der Akustik.

Nein, das ist natürlich keine Kopie der Oper von Sydney, wie ein kunstbanausiger Soldat vermutet, als er mit seiner Einheit, Waffen im Anschlag, staunend den dunklen Konzertsaal sichert. Es ist eine Replik der Hamburger Elbphilharmonie, errichtet von einem wahnsinnigen und grausamen Diktator irgendwo unter der Wüste eines fiktiven Unrechtsstaates.

Maßstabsgetreu und - Zwangsarbeit sei Dank - sogar fünf Jahre früher fertig als das Hamburger Original. Was nach der Feststellung, dass dieses Bauwerk „bestimmt viel gekostet hat“, beim Premierenpublikum verlässlich die ersten Lacher einsammelt. Und da hat John Malkovich, Star der Uraufführung von "Just Call Me God“ und damit Hauptdarsteller der allerersten Theaterproduktion im Großen Saal, die Bühne noch gar nicht betreten. Sein Auftritt in blauen Gesundheitsschlappen, Putzkittel und mit Reinigungswagen ist dann auch weniger glamourös, als so mancher das vielleicht vermutet haben mag.

Malkovich ist der Herrscher von Circassia

Malkovich nämlich ist Satur Diman Cha, Herrscher von Circassia, dessen Reich nach Jahrzehnten der Schreckensherrschaft zusammenbricht. Militäreinheiten samt „eingebetteter“ Journalisten dringen vor, um den Tyrannen zu stellen. Der jedoch ist vorbereitet und lässt nur den Bach orgelnden Reverend der Truppe (der passenderweise „Alle Menschen müssen sterben“ spielen darf) und die hübsche Journalistin am Leben, die ihre einzige Überlebenschance darin sieht, ihm ein Exklusivinterview anzubieten. Sie berichtet über historische Ereignisse, er schreibt Geschichte, erklärt der Diktator maliziös die Verhältnisse und beordert den Reverend (Martin Haselböck, von dem auch das musikalische Konzept stammt) an sein „Keyboard“, von wo er für den Rest der Vorstellung den Soundtrack liefern darf: „Spiel irgendetwas Seltsames und Dunkles, um uns in Stimmung zu bringen!“

„Just Call Me God“, geschrieben und inszeniert von Michael Sturminger, mit dem Malkovich schon den Frauenmörder Jack Unterweger und den Verführer Casanova auf die Bühne brachte, ist ein Stück um Macht und Ohnmacht, um Gewalt und Autorität, um die Kraft und das Scheitern von Politik und Medien. Die treten hier in Person des Diktators und der von Sophie von Kessel gespielten Journalistin als Kontrahenten auf, eine in Zeiten von Erdogan und Trump ungemein zeitgemäße Konstellation, sollte man meinen, die hier allerdings etwas verblüffend Konventionelles hat.

Taugt die Elbphilharmonie für Theater? Nur bedingt

Zudem muss die Produktion am Ende die Frage beantworten: Taugt dieser Raum, der eine so beträchtliche Eigenwirkung hat, also auch für Theater? Leider nur bedingt, lautet in diesem Fall die Antwort. Eigentlich nämlich ist „Just Call Me God" ein Kammerspiel. Das aber bedeutet Konzentration, Fokus - schwierig herzustellen in einem so offenen Raum, der anderthalb Stunden lang so tun muss, als säßen da nicht bis unter die Decke annähernd 2000 Leute. Abgesehen von der für Sprechtheater nicht eben idealen Akustik, in der die Sätze bisweilen verschwimmen, gibt John Malkovich den Diktator souverän exakt so malkovichesk bösewichthaft, wie man es erwartet hatte. Er ist fraglos von einer Präsenz, die selbst der enormen Kraft der Orgel stand hält. Trotzdem wurde man das Gefühl nicht ganz los, dass der anfangs fast etwas reservierte, dann aber doch anhaltende Schlussapplaus womöglich auch ein bisschen der puren Anwesenheit dieses Ausnahmeschauspielstars geschuldet war - und nicht in erster Linie die Inszenierung feierte.