Hamburg . Behörde deutet Handzeichen bei Rede des türkischen Außenministers als „Wolfsgruß“ der rechtsextremen „Grauen Wölfe“.

Die Szene ereignete sich, als der offizielle Teil des Auftritts nahezu vorüber war. Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu badete nach seiner Rede am Dienstagabend noch im Jubel seiner Anhänger an der Konsulatsresidenz auf der Uhlenhorst – und formte wie mehrere Begleiter seine Finger plötzlich zu einer Geste, zeigte sie in die Höhe und in das Publikum. Für den Hamburger Verfassungsschutz, für Grüne und CDU handelt es sich nach Ansicht mehrerer Fotos des Abendblatts um den „Wolfsgruß“ – den Gruß der rechtsextremen und nationalistischen türkischen Gruppe „Graue Wölfe“, die sich selbst als „Idealisten“ bezeichnen.

Die Geste Cavusoglus sei eindeutig der Wolfsgruß, sagte Marco Haase, Sprecher des Verfassungsschutzes, dem Abendblatt. Fraglich sei, ob sich Cavusoglu damit selbst zur rechtsex­tremen Klientel bekannt habe. Der Vorfall sei in jedem Fall zumindest eine „bedenkliche Referenzerweisung“, so der Sprecher des Verfassungsschutzes.

Die Szene nach der Rede Cavusoglus in Hamburg
Die Szene nach der Rede Cavusoglus in Hamburg © Michael Arning | Michael Arning

Nach Ansicht der Sicherheitsbehörden ist die rechtsextreme Gruppe potenziell gefährlich und wird beobachtet: Die Grauen Wölfe streben ein großtürkisches muslimisches Reich an, das sich vom Balkan bis Zentralasien erstreckt. Es gab wiederholt Berichte über ausgeprägten Antisemitismus, Rassismus und eine gewaltbereite Feindschaft gegenüber Kurden.

Die Grauen Wölfe wurden bereits wiederholt für gewaltsame Übergriffe verantwortlich gemacht, zuletzt etwa im vergangenen Jahr in Duisburg. In Deutschland werden der Szene derzeit 7000 Personen zugerechnet, davon mehrere Hundert in Hamburg. „Der Verfassungsschutz hat diese Zeichen am Dienstag mit großer Aufmerksamkeit zur Kenntnis genommen und wird die Entwicklung intensiv im Fokus behalten“, sagt Marco Haase.

Auch die Innenbehörde ist alarmiert

Ein Sprecher der Innenbehörde sagte, der Vorfall sei derzeit Gegenstand einer „intensiven Prüfung“. Zu weiteren Details oder möglichen Reaktionen des Senats wollte er sich zunächst nicht äußern. Die Spitzen der Regierungsfraktionen der Bürgerschaft verurteilen das Verhalten des Außenministers scharf. „Cavusoglu hat sich mit dieser Geste als politischer Brandstifter betätigt. Wer auf der einen Seite Deutschland Nazi-Praktiken vorwirft und gleichzeitig einen solch rechtsex­tremen Gruß zeigt, reißt sich selber die Maske vom Kopf und zeigt sein wahres Gesicht“, sagte Anjes Tjarks, Fraktionschef der Grünen. Für den SPD-Integrationsexperten Kazim Abaci ist bereits der gemeinsame Auftritt des türkischen Diplomaten mit Rechtsextremen „völlig inakzeptabel“ und „entlarvend“.

Da die Grauen Wölfe in Deutschland nicht verboten sind, handelt es sich nicht um eine Straftat. Polizeisprecher Timo Zill: „Der Staatsschutz hat die Bilder mit der Staatsanwaltschaft bewertet. Es werden dort Gesten der Muslimbruderschaft und der Grauen Wölfe gezeigt. Diese Gruppierungen werden jedoch nicht etwa als terroristische Gruppierungen eingestuft.“ Für CDU-Fraktionschef André Trepoll hat der türkische Außenminister Cavusoglu am Dienstag dagegen eine Grenze überschritten: „Dieser Nationalismus ist mit unseren demokratischen Werten in Deutschland nicht vereinbar.“

Mutmaßlicher Angriff auf demonstrierenden Journalisten

Am Rande des Auftritts kam es offenbar auch zu einem Übergriff auf einen Hamburger Journalisten. Ein Redakteur der „Zeit“ hatte bei der Veranstaltung mit einem Schild gegen die Inhaftierung des deutschen „Welt“-Korrespondenten Deniz Yücel in der Türkei demonstriert. Daraufhin hätten ihm Anhänger der türkischen Regierung die Brille aus dem Gesicht geschlagen und ihn herausgedrängt. „Du verdankst es Erdogans Menschlichkeit, dass du noch lebst“, sei zu ihm gesagt worden, wie der Journalist per „Twitter“ mitteilte.

Auch mit diesem Vorfall beschäftigt sich nun die Polizei. In einem Schreiben rief der Staatsrat für Auswärtige Angelegenheiten in der Senatskanzlei, Wolfgang Schmidt (SPD), den Generalkonsul zur Unterstützung der Ermittlungen auf und bat ihn um eine Stellungnahme: „Die Vorwürfe, sollten sie sich bewahrheiten, sind aus Sicht des Senats der Freien und Hansestadt Hamburg sehr gravierend.“ Das türkische Generalkonsulat war am Mittwochnachmittag nicht für eine Stellungnahme zu beiden Vorfällen zu erreichen. Am späten Abend teilte das Generalkonsulat zu dem mutmaßlichen Angriff mit, „selbstverständlich mit den örtlichen Sicherheitsbehörden“ zusammenarbeiten zu wollen.