Der türkische Außenminister bricht mit allen Gepflogenheiten – Hamburg muss daraus lernen.
Das ganze bizarre Schauspiel endete vor traumhafter Kulisse. Nach Tagen der Verwirrung und der Planänderungen hat der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu seinen Auftritt in Hamburg bekommen, in der Residenz des Generalkonsuls an der Schönen Aussicht. Die Alster im Hintergrund, die Polizei als Aufpasser vor der Tür. Ja, solch ein Auftritt schmerzt – und doch ist er auszuhalten. Wichtig ist, aus ihm zu lernen.
Denn Cavusoglu hat demonstriert, wie seine Regierung den Rechtsstaat für ihre eigenen Zwecke ausnutzt. Die Ankündigung des Besuchs kam magere vier Tage im Voraus. Es gab keine Abstimmung mit der Stadt, kein Interesse an einem Treffen mit dem Bürgermeister, keine Transparenz bei der Suche nach einer Halle. Es ging bei diesem Besuch nicht nur, vielleicht nicht einmal hauptsächlich, um die Rede selbst. Ankara demonstriert Macht, in dem es Verwirrung stiftet. Es ist eine Beleidigung aller Gepflogenheiten.
Die Beschwerden über „Nazi-Praktiken“ sind Teil derselben Strategie. Dass der Auftritt wegen fehlender Brandmelder nicht in Wilhelmsburg stattfinden konnte, kam nur Cavusoglu zupass. Es ist immer die große Verschwörung, die die Türkei wittert. Erst daraus speist die Regierung ihre Legitimation, sich weiter zu ermächtigen.
Dieses Vorgehen erfordert eine klare(re) Reaktion. Die Kritik des Bürgermeisters ist ein Anfang. Aber es ist mehr möglich: einen Nazi-Vergleich nicht nur „unpassend“, sondern unverschämt zu nennen; klar auszusprechen, dass ein Auftritt in einer Halle ohne Brandmelder schlicht lausige Planung ist. Strikte Auflagen – bis hin zu Verboten – sind nach dem Gesetz leichter möglich, als oft behauptet wird. Zur Souveränität gegenüber Autokratien gehört, sich nicht ausnutzen zu lassen.