Hamburg. Airport-Chef Michael Eggenschwiler über höhere Strafzuschläge für späte Landungen, den G20-Gipfel und die Gepäckabfertigung.
14 Millionen Passagiere im Jahr 2014, 15 Millionen im Jahr 2015 und 16 Millionen im Jahr 2016 – der Hamburger Flughafen ist auf erfolgreichem Kurs, zumal er der Stadt auch noch erfreuliche Erträge einbringt. Doch der Fuhlsbütteler Airport lieferte zuletzt auch unerwünschte Schlagzeilen, etwa über lange Wartezeiten an den Gepäckbändern, wegen Lärmprotesten oder wegen eines Pfefferspray-Vorfalls im Terminal. Das Abendblatt sprach darüber mit Flughafenchef Michael Eggenschwiler.
Hamburger Abendblatt: Herr Eggenschwiler, teilweise dauert es zwei Stunden, bis die Koffer nach der Landung kommen – warum?
Michael Eggenschwiler: Zweifellos sind zwei Stunden Wartezeit indiskutabel. Es sind aber auch absolute Ausreißer nach oben, die selten vorkommen und bei denen mehrere Faktoren zusammenkommen. Flugzeuge kommen zu früh oder spät und durchkreuzen damit die Planung. In einem Einzelfall sorgten beispielsweise mechanische Defekte an mehreren Jets dafür, dass wir das Gepäck händisch statt automatisiert ausladen mussten. Statt zwei brauchten wir plötzlich sechs bis acht Mitarbeiter pro Maschine. Und dies an einem Tag, an dem der Krankenstand ohnehin hochgeschnellt war – das war auch mit dem üblichen personellen Puffer nicht aufzufangen. Passagiere müssen nach der Landung einer Maschine mit 200 Passagieren eine Wartezeit von 30 Minuten einkalkulieren. In diesem Jahr kam der letzte Koffer im Schnitt nach 20 Minuten aufs Laufband. Das ist im Vergleich mit anderen Flughäfen ein guter Wert.
Sie haben bereits im vergangenen Sommer 100 neue Mitarbeiter für den Bereich eingestellt und wollten weitere 60 nach Bestehen der Sicherheitszuverlässigkeitsprüfung beschäftigen. Warum bekommen Sie die Lage trotzdem nicht in den Griff ?
Eggenschwiler: Wir haben im vergangenen Sommer aufgestockt, aber unterm Strich nicht so viele, wie wir wollten. Das liegt auch daran, dass viele Männer wieder abspringen, weil ihnen der Job zu anstrengend ist – Frauen dürfen ihn per Vorschrift nicht ausüben. Pro Schicht muss ein Mitarbeiter aus den engen Frachträumen bis zu 1000 Koffer rauswuchten, er bewegt also einige Tausend Kilo. Derzeit beschäftigen wir bei den Bodenverkehrsdiensten, dazu gehören neben den Gepäckabfertigern auch Reinigungspersonal sowie Bus- und Schlepperfahrer, 860 Mitarbeiter fest und wollen auf 900 kommen. Wir wollen also 40 Personen einstellen, bei Dutzenden läuft bereits die vorgeschriebene Sicherheitszuverlässigkeitsüberprüfung. Insgesamt arbeiten für die Bodenverkehrsdienste Menschen aus 60 Nationen, darunter auch 35 sehr flughafenerfahrene Mitarbeiter aus Rumänien – die natürlich alle nach deutschem Tarifrecht bezahlt werden.
Gepäckabfertigung: Tarifverhandlungen laufen
Finden Sie vielleicht auch nicht genug Mitarbeiter, weil Sie zu schlecht bezahlen?
Eggenschwiler: Wir sind derzeit in Tarifverhandlungen mit den Gewerkschaften Komba und Ver.di. Die Gespräche sind relativ weit fortgeschritten. Wir wollen vor allem in der unteren Gruppe einen Gehaltssprung machen, sodass wir von rund 9 Euro auf mehr als 10 Euro pro Stunde kommen. Die im Schichtdienst und diesem Unternehmen üblichen Zulagen und Vergünstigungen kommen hinzu. Wir hoffen, so mehr Leute für uns gewinnen zu können – auch wenn uns das mehr als eine Million Euro pro Jahr zusätzlich kostet. Wir versuchen die Mehrkosten an die Airlines weiterzugeben, aber das wird im harten Wettbewerbsumfeld schwierig. Generell ist dieser Bereich ein margenschwaches Geschäft, das wir aber – im Gegensatz zu anderen Flughäfen – in unserer Verantwortung lassen und nicht an externe Dienstleister abgeben wollen.
Viele Passagiere beschweren sich über lange Busfahrten zu den Jets – bedingt durch die fünf Jahre dauernde, 120 Millionen Euro teure Vorfeldsanierung. Läuft die Baustelle nach Plan?
Eggenschwiler: Wir sind jetzt im dritten von zehn Abschnitten. Dieser soll Ende Juni abgeschlossen sein. Das Mammutprojekt läuft reibungslos – trotz laufenden Flugverkehrs. Dabei wird beispielsweise nicht nur der Beton ausgetauscht, sondern werden auch sämtliche Fluggastbrücken generalüberholt. Mitte März sollen die neuen Doppelfluggastbrücken in Betrieb gehen, an denen ein Großraumjet wie eine Boeing 777 oder ein Airbus A380 oder zwei kleine Jets andocken können. Allerdings gibt es durch die Baustelle rund 20 Prozent mehr Busfahrten – das lässt sich, solange wir direkt an den Terminals arbeiten, nicht verhindern.
Im April 2016 starteten Sie die Pünktlichkeitsoffensive. Damit wollten Sie die Zahl der verspäteten Flüge zwischen 23 und 24 Uhr senken. Tatsächlich waren es aber mit 677 satte 150 Flüge mehr als im Vorjahresvergleich. Ihr Projekt ist gescheitert.
Eggenschwiler: Nein, das ist es nicht. Im Frühsommer und Oktober war extremes Wetter in Europa verantwortlich für eine Zunahme der verspäteten Flüge. Die Offensive ist entstanden, um die Airlines auf die Besonderheitern Hamburgs als Stadtflughafen hinzuweisen. Wir sehen bei den Airlines ein Umdenken bei der Flugplanung. Es gibt seit dem Winterflugplan deutlich weniger Flüge, die zwischen 22.45 und 22.59 Uhr landen und starten sollen. So hat EasyJet einen späten Abflug nach London-Gatwick gestrichen. Condor hat einen Abflug aus Lanzarote um eine Stunde vorgezogen. Eurowings wird von diesem Sommer an eine Stand-by-Maschine in Hamburg stationieren, die keine festen Umläufe hat und bei Verspätungen anderer Jets einspringt. Mit weiteren Airlines sind wir in Gesprächen. Die Planung und Durchführung der Flüge ist stabiler geworden. Von November bis Ende Februar sank die Zahl der verspäteten Flüge um 13 Prozent – im Februar gab es an 17 von 28 Tagen keine einzige Landung nach 23 Uhr.
Die Umweltschutzorganisation BUND will per Petition Flüge zwischen 22 und 6 Uhr verbieten lassen. Was würde das für den Flughafen Hamburg bedeuten?
Eggenschwiler: Darauf würde ganz klar ein deutlicher Rückgang der Beschäftigung folgen, nicht nur beim Flughafen selbst. Denn Airlines würden weniger Flugzeuge – und damit keine Crews – hier stationieren, auch in der Nacht anstehende Reinigungs- und Wartungsarbeiten würden wegfallen. Es hätte Auswirkungen auf das gesamte Angebot hier am Standort. Außerdem: Schon jetzt gibt es eine Ruhezeit zwischen 0 Uhr und 6 Uhr. Kein anderer Verkehrsträger, ob Straße oder Schiene, bietet Anwohnern so etwas.
Fluglärm: Neue Strafzuschläge
Mit dem Airbus A320neo und der Boeing 737 Max drängen neue, spürbar leisere Jets auf den Markt. Verändern Sie die lärmabhängigen Landegebühren?
Eggenschwiler: Wir haben einen neuen Gebührenkatalog, der sich noch sehr viel stärker auf Lärmzuschläge konzentriert als der jetzige, bei der Wirtschaftsbehörde zur Genehmigung eingereicht. Damit wollen wir erreichen, dass vom Sommer an der Anreiz für die Airlines, solche leisen Flugzeugtypen besonders auf Hamburg-Routen einzusetzen, noch größer wird. Wir wollen in Zukunft noch mehr leisere Maschinen fördern. Gleichzeitig enthält der Katalog eine Steigerung der Lärmzuschläge im zweistelligen Prozentbereich für Maschinen, die nach 23 Uhr landen. Das ist ein klares Signal, das wir setzen. Bei einem Flugzeug in der Größenordnung eines A320, das um 23.30 Uhr hier verspätet ankommt, machen die lärmabhängigen Gebührenbestandteile dann rund 40 Prozent der gesamten Landegebühren von etwa 3000 Euro aus – unterm Strich würde mit der neuen Gebührenregelung die Landung um mindestens 300 Euro teurer. Das sind ein paar Tickets mehr, die die Airlines verkaufen müssen, und ist ein Faktor bei ihnen.
Der Pfefferspray-Vorfall Anfang Februar hat viele Menschen beunruhigt. Wie sicher ist der Flughafen?
Eggenschwiler: Ich denke, er bietet mehr Sicherheit als viele andere öffentliche Orte. Aber an Plätzen, an denen viele Menschen zusammenkommen, etwa in Theatern, Restaurants oder Kinos, ist es schwer, absolute Sicherheit zu garantieren. Und die Pfefferspray-Kartusche, die sich in einem Behälter ohne Zutun eines Menschen entladen hat, ist ja zuvor einem Passagier abgenommen worden, sie ist nicht in den Sicherheitsbereich gelangt – das zeigt, dass die Kontrollen wirken.
G20-Gipfel: Einschränkungen möglich
Anfang Juli erwarten Sie 70 Sonderflüge wegen des G20-Gipfeltreffens in Hamburg. Wie gut ist der Flughafen auf dieses Großereignis vorbereitet?
Eggenschwiler: Es wird eine Herausforderung, aber unsere Mitarbeiter freuen sich auch darauf. Die Schwierigkeit liegt für uns darin, dass die Ankunft von Staatsoberhäuptern in Regierungsjets nicht so gut planbar ist wie der reguläre Verkehr. Daher ist nicht auszuschließen, dass Passagiere in dieser Zeit mit leichten Verzögerungen rechnen müssen. Die Terminals werden von dem Sonderbetrieb allerdings nicht berührt, er findet auf einem gesonderten Teil des Flughafens statt. Es gibt hier eine hervorragende Zusammenarbeit mit unserem Nachbarn Lufthansa Technik, dessen Vorfeldflächen und Hallen für die Regierungsjets mit genutzt werden.
Voriges Jahr feierte der Flughafen mit 16,2 Millionen Passagieren erneut einen Rekord. Wo liegt denn die Kapazitätsgrenze?
Eggenschwiler: Einen Engpass haben wir zurzeit nicht: Es gibt eigentlich keine Fluggesellschaft, die ihre Wunschzeiten für An- und Abflüge nicht bekommen kann. Nur während kurzer Phasen am Morgen und am Spätnachmittag wird es etwas eng. Man darf auch nicht vergessen, dass höhere Passagierzahlen nicht unbedingt mehr Flüge bedeuten: Im Jahr 2016 hatten wir 25 Prozent mehr Fluggäste als 2007, aber sieben Prozent weniger Flugbewegungen als damals. Und im Hinblick auf die Gebäudeinfrastruktur nehmen wir immer wieder einmal schrittweise Anpassungen vor. So entstehen in den nächsten Jahren sechs weitere Fluggastbrücken dort, wo bisher das Luftfrachtzentrum war.
Wie lautet Ihre Prognose für die Passagierzahl in diesem Jahr?
Eggenschwiler: Wir rechnen mit einem Zuwachs von drei Prozent. Bis Ende Februar haben wir sogar ein Plus von knapp zehn Prozent verzeichnet, aber dabei dürfte es nicht bleiben. Auch wenn zum Sommerflugplan 14 ganz neue Ziele hinzukommen: 17 Millionen Passagiere 2017 wäre anspruchsvoll.
Die kriselnde Air Berlin hatte zuletzt noch einen Marktanteil von 14 Prozent in Hamburg, aber ein großer Teil der Flüge erfolgt jetzt unter der Regie der Lufthansa-Billigtochter Eurowings. Nutzt der Lufthansa-Konzern die noch erheblich ausgebaute Marktführerschaft nun aus, um die Konditionen zu drücken?
Eggenschwiler: Nein. Für uns ist erfreulich, dass die Lücken, die durch den Sparkurs von Air Berlin entstanden sind, schnell wieder gefüllt worden sind. Dabei ist allerdings nicht nur Eurowings hier am Standort gewachsen, auch Ryanair, Easyjet und andere haben zugelegt.
Mit Dubai gibt es nur noch ein Langstreckenziel ab Hamburg. Warum kriegen die Airlines in der zweitgrößten Stadt Deutschlands die Maschinen nach Übersee nicht voll?
Eggenschwiler: Eine Langstreckenverbindung bedeutet für Fluggesellschaften eine enorm große Investition. Allein die Jets, zum Beispiel ein Airbus A330 oder eine Boeing 787, kosten rund 250 Millionen Euro. Ich bin sicher, dass Potenzial für Strecken in die USA oder nach China da wäre. Aber die Bekanntheit Hamburgs ist auf anderen Kontinenten nicht so groß, wie wir das gern hätten. Sie muss nach und nach gesteigert werden, das geht nicht von heute auf morgen. In Europa ist uns das schon ganz gut gelungen. Und Hamburg hat ja mit der Elbphilharmonie gerade noch eine Attraktion hinzugewonnen.