Hamburg. Wandsbeks Bezirksamtsleiter Ritzenhoff spricht über Pläne für die Areale an den neuen Bahnlinien und die Entwicklung des Bezirks.
Der alte und neue Bezirksamtsleiter in Wandsbek heißt Thomas Ritzenhoff (SPD). Sein Programm für die nächsten sechs Jahre hat drei Schwerpunkte: Wohnungsbau, Bürgerdialog und das Verstärken von Netzwerken in den Sozialräumen. Er will Kirchen und Wohnungsbaugenossenschaften in die soziale Arbeit der Stadt einbeziehen.
Bei Ihrer Wahl 2011 haben Sie noch mehr Stimmen bekommen als die rot-grüne Koalition Sitze hatte. Jetzt bei Ihrer Wiederwahl haben Sie nur die Stimmen aus den eigenen Reihen bekommen. Hat der raue Polit-Alltag Sie eingeholt?
Thomas Ritzenhoff: Es gab ein klares demokratisches Ergebnis, und festzuhalten ist: die Linke ist gespalten. Zwei Fraktionsmitglieder haben Franziska Hoppermann (CDU) gewählt, zwei sind ihrem Fraktionschef nicht gefolgt. Und es gab eine negative Koalition von ganz links bis ganz rechts. Gut war, dass die CDU eine qualifizierte Bewerberin aufgestellt hat und ich hoffe, dass das ein Bekenntnis für die Bewerberin war. Gerade im Jahr der Frauenprobleme bei der CDU.
CDU, Liberale und Linksfraktion laufen geschlossen Sturm gegen geplante oder gefühlte Einsparungen bei den Kundenzentren. Sie haben fünf davon im Bezirk (in Wandsbek Kern, Rahlstedt, Poppenbüttel, Bramfeld und den Walddörfern). Der Mietvertrag für das Kundenzentrum Walddörfer läuft 2018 aus, verlängern können Sie ihn noch bis Mitte des Jahres. Werden Sie das tun?
Thomas Ritzenhoff: Es gibt eine Initiative dazu, die in der Bürgerschaft verabschiedet wurde. Danach werden wir entscheiden. Am Ende soll eine Leistungsverbesserung stehen. Wir dürfen auch Personal einstellen. Eine gewisse Mindestgröße ist allerdings erforderlich, um ein Kundenzentrum effizient betreiben zu können. (Das Kundenzentrum Walddörfer hat vier Mitarbeiter und ist das kleinste in Hamburg, Anm. d. R.)
Aber Rot-Grün hat in der Bezirksversammlung doch schon den CDU-Antrag für den Erhalt abgelehnt ...
Thomas Ritzenhoff: Wir werden nach den Maßgaben des Bürgerschaftsbeschlusses entscheiden. Bis zum Juli sind es noch vier Monate. Das ist viel Zeit.
Was wird mit dem Kundenzentrum in Bramfeld? Auch hier hatten Sie die Öffnungszeiten im letzten Sommer schon eingeschränkt. Ein Zeichen für das bevorstehende Aus?
Thomas Ritzenhoff: Bramfeld hat acht Leute. Die Schließung in der Urlaubszeit hat ein stabiles Ergebnis bei der Terminbearbeitung herbeigeführt. In den Jahren zuvor gab es erhebliche Probleme. Daneben haben wir ein System von Partnerkundenzentren eingeführt, die sich gegenseitig unterstützen.
Sie können sich nicht über mangelnden Kontakt mit dem Bürger beklagen. Auf vielen Abendveranstaltungen haben Sie in den Sälen des Bezirks Bebauungspläne und Flüchtlingsunterkünfte verteidigt. Bei Ihrer Wiederwahl sagten Sie, dass dem Diskurs mit dem Bürger die gemeinsame Grundlage abhanden gekommen sei. Woran machen Sie das fest?
Thomas Ritzenhoff: Wenn wir in Gespräche gehen und versuchen zu sagen, was die Ausgangs- oder die Beschlusslage ist, haben wir oft schon Probleme. Viele sagen: „Das glaube ich nicht. Ihr wollt, zum Beispiel, die Große Heide (eine Grünfläche neben den geplanten neuen Gewerbegebieten in Rahlstedt) gar nicht aufwerten. Ihr macht da Wohnungsbau.“ In einer Situation, wo man uns nicht einmal glaubt, kommt man nicht weiter mit den üblichen Beteiligungsformaten. Oder nehmen Sie die Flüchtlingskrise. Alle Stadtteile sollten etwas zur Lösung beitragen. Aber dann stehen Sie in Sasel und die Leute sagen: „Nein, wir nicht.“ Irgendwann ist dann kein Gespräch mehr möglich. Aber wenn wir mit dem Wohnungsbau weitermachen, werden wir vielerorts solche Gesprächssituationen haben. Ich hätte gern einen Schlüssel, das aufzubrechen. Man kann ja dagegen sein. Aber man sollte sein Interesse offen äußern.
Was wollen Sie tun?
Thomas Ritzenhoff: Beharrlich sein. Einfach weiter das Gespräch suchen. Unsere Legitimation beziehen wir ja nicht daraus, dass wir bloß umsetzen. An Fiersbarg und Spechtort in Lemsahl gab es drei Bürgerbegehren zu demselben Thema. Aber wir haben zusammen mit der Politik etwas erreicht. Wir haben zwei Plangebiete gemeinsam entwickelt und Konsens über die Bebauung hergestellt. Vielleicht sollte man generell die Beteiligung früher starten. Und wir müssen den gesamten Sozialraum betrachten, nicht nur das jeweilige Plangebiet.
Wo sehen Sie größeres Potenzial für Nachverdichtungen?
Thomas Ritzenhoff: Neue Verdichtungspunkte ergeben sich an den Bahnhaltestellen für die neue S4 vom Hauptbahnhof nach Bad Oldesloe und die neue U5 zwischen Bramfeld und der City Nord.
Das sind ziemlich viele ...
Thomas Ritzenhoff: Ja .
Für die S4 die Haltestellen Hasselbrook, Claudiusstraße, Bovestraße, Holstenhofweg, Sonnenweg (Pulverhof), Tonndorf und Rahlstedt, dann der frei werdende bzw. zum Abriss frei gegebene Bahnhof Wandsbek, für den ersten Bauabschnitt der U5 von Bramfeld zur City-Nord die Haltestellen Bramfeld und Steilshoop. Was ist mit dem bereits avisierten Bahnhof Oldenfelde an der Linie U1 zwischen Berne und Farmsen?
Thomas Ritzenhoff: Da befinden sich unter anderem Kleingärten.
Genau, wollen Sie die verlagern?
Thomas Ritzenhoff: Im Moment gibt es keine Planungen, dort Wohnungsbau zu machen. Weitere Potenziale sehen wir entlang der großen Magistralen wie der Bundesstraße 75 und der Bramfelder Chaussee. An der Ahrensburger Straße (B75) zum Beispiel ist es gelungen, straßenparallel zu bauen und eine gewisse Höhe zu erreichen. So werden untergenutzte Flächen erschlossen und Grünbereiche geschont.
Wie sehen Sie die Rolle der Bezirke im Verhältnis zur Zentralgewalt? Sind die Zielvereinbarungen, mit denen die Bezirke auf bestimmte Entscheidungen festgelegt werden, ein problematischer Zug zur Zentralisierung oder finden Sie das richtig?
Thomas Ritzenhoff: Ob es einen Zug zur Zentralisierung gibt, ist eine offene Frage. Früher haben wir jahrelang bestimmte Summen bekommen. Jetzt will der Senat mehr. Zum Teil bekommen wir dafür mehr Personal. Das ist ein kluges Instrument zur Zielerreichung. Unabhängig davon würde der Bezirk immer zuerst die Straße sanieren, die den höchsten Sanierungsbedarf hat. Man kann das also so und so sehen. An der fachlichen Entscheidung aber ändert sich in der Regel nichts.
Oft sieht es so aus, als würden sich die auf Senatsebene regierenden Behördenleitungen verstecken. Dann behaupten sie gern, der Bezirk hätte die Entscheidungen getroffen. Umgekehrt preist die Zentrale aber ihre Steuerungsqualitäten, wenn es Erfolge zu vermelden gibt. Die lokale Ebene vor Ort guckt so immer in die Röhre. Muss man das nicht abstellen, wenn der Bürger verstehen soll, was vorgeht?
Thomas Ritzenhoff: In Flüchtlingsfragen stand der Bezirk nie allein da. Bei den Anhörungen war immer auch die Sozialbehörde dabei. Die Themen werden in Gesamtverantwortung angepackt. Das hat sich durchgesetzt und das muss auch so sein. Das war auch bei den Überschwemmungsgebieten mit der Umweltbehörde so. Optimierbar wäre bei manchen Behörden die Kommunikation. Die Parameter der Entscheidungen sind nicht immer nachvollziehbar. Das war zum Beispiel bei der Schließung der Schule Lienaustraße ein Problem.
Die Zahl der Überlastungsanzeigen (schriftliche Erklärungen, in denen Mitarbeiter auch aus haftungsrechtlichen Gründen sagen, dass sie ihre Arbeit nicht mehr schaffen) ist in Ihrer Amtszeit stark gestiegen. Die Linke spricht von einer Verdoppelung. Die CDU sieht die Bezirksverwaltung am Rande der Arbeitsunfähigkeit. Was sagen Sie?
Thomas Ritzenhoff: Es gibt auch kollektive Überlastungsanzeigen ganzer Abteilungen wie etwa beim Allgemeinen Sozialen Dienst (ASD). Wir sind in Gesprächen, wo wir wie helfen können. Aber obwohl wir jetzt alle Stellen im ASD besetzt haben, darf die erforderliche Einarbeitungszeit von 1,5 Jahren nicht unbeachtet bleiben. Es dauert also, bis diese Verstärkung auch zu 100 Prozent abgerufen werden kann. Zu Beginn meiner Amtszeit wurden Stellen gestrichen. Jetzt haben wir 80 Stellen mehr als 2011. Aber das wird oft außer Acht gelassen.
Der angedachte schnelle Radweg auf der Walddörferstraße scheint etwas ins Stocken geraten zu sein. CDU und Teile der Anwohnerschaft haben massiven protestiert. Heißt das, dass die Fahrradstraße nicht kommt?
Thomas Ritzenhoff: Nein, wir werden das im Prozess mit den Bürgern klären. Die Straße ist sehr lang. Vielleicht muss es für verschiedene Teilstücke verschiedene Lösungen geben.
Wenn Olaf Scholz kein König, sondern eine Fee wäre und Sie drei Wünsche frei hätten, was würden Sie sich aussuchen?
Thomas Ritzenhoff: Wir versuchen, alles gut und klug zu machen. Olaf Scholz weiß sehr genau, was läuft und lässt uns weitestgehend machen. Das ist gut. Manchmal wäre es wünschenswert, dass wir diese Spielräume besser nutzen könnten.