Hamburg. Neuer Mietatlas wirke wie “Beruhigungspille“ und zeige nur den unproblematischen Teil des Hamburger Wohnungsmarktes.

Der „Mieterverein zu Hamburg“ und „Mieter helfen Mietern“ sind mit der Wohnungswirtschaft hart ins Gericht gegangen. Der vorgelegte Mietatlas zur Entwicklung der Mieten in der Stadt (wir berichteten) sei eine „Beruhigungspille“ und zeige nur den unproblematischen Teil des Wohnungsmarktes. Die Studie des „Center of Real Estate Studies“ arbeite mit „Tricks“ und „großen Erklärungslücken“.

Interessanterweise zeige die Studie aber auch, dass sich die private Wohnungswirtschaft nicht um die Mietpreisbremse schere, sagte Siegmund Chychla, Vorsitzender des Mietervereins.

„Mieten im Schnitt 37 Prozent über der Vergleichsmiete“

„Laut Studie ergibt sich bei der Neuvermietung eine durchschnittliche Miete von 10,95 Euro pro Quadratmeter kalt (10,39 in mittleren, 11,51 in guten Lagen)“, sagte Chychla, „der Hamburger Mietenspiegel weist 8,02 Euro als ortsübliche Vergleichsmiete aus. Neuvertragsmieten liegen also im Schnitt 37 Prozent darüber, erlaubt wären nur zehn Prozent.“ Es fehle an Kontrollen.

Eve Raatschen, Sprecherin von „Mieter helfen Mietern“, monierte, dass die Studie „nur ein Segment des Marktes zeigt und an der realen Situation der Wohnungssuchenden völlig vorbeigeht“. Chychla stieß ins gleiche Horn: „Von den laut Studie 238.000 untersuchten Mietverträgen stammen 200.000 von Saga und den Wohnungsbaugenossenschaften. Sie nehmen traditionell eher niedrige Mieten. Auch Sozialwohnungen hat die Studie eingerechnet“, sagte er. „So wird die ortsübliche Vergleichsmiete auf 8,15 Euro klein gerechnet“. Realistisch seien 11 bis 12 Euro.

Mieten von Zuzüglern liegen bei 10,39 und 11,51 Euro

Zwar habe der Autor der Studie, Michael Lister, erklärt, die rund 38.000 erhobenen privaten Mietverträge bei der Ermittlung der Vergleichsmiete „hochgerechnet“ zu haben. „Doch ist in der ganzen Studie nirgendwo erklärt, nach welchem Verfahren das geschehen sein soll“, sagte Chychla. In wissenschaftlichen Studien ist das nicht üblich.

Auch habe Lister Mieten eingerechnet, die sich in den letzten vier Jahren gar nicht verändert haben. „Also Mieten von Leuten, die sich nicht bewegen, weil sie mit ihren Mieten zufrieden sind“, sagte Chychla und sprach von einem „Trick“. Interessant für den klassischen Zuzügler von außerhalb sei das Marktsegment mit Wohnungen, die ihm offen stehen.

„Saga- und Genossenschaftswohnungen sind aber ein closed shop“, sagte Chychla. „Auf der Saga-Warteliste stehen 38.000 Leute, und die Wohnungsbaugenossenschaften nehmen praktisch keine Mitglieder mehr auf. Ihr Angebot ist verschwindend.“ Zuzüglern bleibe in der Regel nur der Markt der privaten Wohnungswirtschaft, deren durchschnittliche Werte bei Neuvermietungen die Studie mit 10,39 Euro für mittlere und 11,51 Euro für gute Lagen angebe.

„Mieter hefeln Mietern“ fordert kommunalen Wohnungsbau

Raatschen ergänzte, dass auch Genossenschaften mittlerweile für Neuvermietung im Neubau bei 11 Euro Kaltmiete angekommen seien. „Auf dem freien Markt sind selbst 16 und 17 Euro keine Seltenheit.“ Es gebe im Gegensatz zur Aussage der Studie keinen Grund zur Entwarnung. Sie forderte verstärkten kommunalen Wohnungsbau und eine bevorzugte Vergabe städtischer Grundstücke an Investoren, die zu 100 Prozent Sozialwohnungen bauen.

„Stadt und Genossenschaften arbeiten nicht so renditeorientiert.“ Außerdem forderte Raatschen eine Nachschärfung der Mietpreisbremse. Sie tauge derzeit nicht dazu, Mietern die Reduzierung zu hoch angesetzter Mieten zu ermöglichen. „Sie ist ein stumpfes Schwert.“