Hamburg . Ein Mann wird beschuldigt, nahe der Reeperbahn in einer Männer-Gruppe drei Frauen sexuell genötigt zu haben. Vor Gericht schweigt er.

Sie wollten unbeschwert und ausgelassen ins Neue Jahr feiern. Doch für mehrere junge Frauen endete die Silvesternacht 2015/2016 auf dem Kiez in einem Desaster. Sie wurden umringt, bedrängt und sexuell genötigt, teilweise auch beraubt. Viele erstatteten Anzeige. Am Dienstag nun begann der vorerst letzte Prozess im Zusammenhang mit den Silvester-Übergriffen auf St. Pauli. Vor dem Landgericht muss sich ein 34 Jahre alter Mann unter anderem wegen sexueller Nötigung in einem besonders schweren Fall verantworten.

Dem Iraner Behzad S. wird von der Staatsanwaltschaft vorgeworfen, am frühen Morgen des 1. Januar auf der Großen Freiheit als Mittäter einer größeren Gruppe von Männern agiert zu haben. In dem Gedränge der dort Feiernden sollen der Angeklagte und seine Mittäter eine 21-Jährige, die dort mit ihrer Schwester und Bekannten feiern wollte, eingekreist und am Fortkommen gehindert haben. Diese Notlage habe ein bisher nicht ermittelter Mittäter dazu ausgenutzt, das Opfer unter deren Rock im Intimbereich anzufassen und sie zu penetrieren.

Diesen Übergriff habe der 34-Jährige erkannt und auch geduldet, so die Anklage weiter. Ein anderer Mann aus der Gruppe, der bisher ebenfalls nicht ermittelt werden konnte, soll der Geschädigten ihr Handy aus der Hand gerissen haben. Die übrige Gruppe soll sich über die Frau angesichts des Geschehens lustig gemacht haben.

Vorwürfe: Sexuelle Nötigung, Körperverletzung, Raub

Anschließend, so die Vorwürfe weiter, habe der Angeklagte mit mindestens zwei Mittätern aus der Gruppe zwei weitere Frauen im Alter von 19 und 20 Jahren umringt und oberhalb der Kleidung an deren Brüsten, am Schritt und am Gesäß berührt. Neben sexueller Nötigung in einem besonders schweren Fall muss sich Behzad S. wegen gefährlicher Körperverletzung, Raub und tätlicher Beleidigung verantworten.

Seit April vergangenen Jahres sitzt der 34-Jährige nicht mehr im Untersuchungsgefängnis, nachdem das Gericht den Haftbefehl gegen ihn aufgehoben hatte. Ein dringender Tatverdacht liege nicht mehr vor, hatte die zuständige Kammer entschieden. Seitdem hatte Behzad S. sich über seinen Anwalt regelmäßig bei der Polizei gemeldet.

Zum Prozessauftakt machte der Angeklagte von seinem Recht zu schweigen Gebrauch. Nervosität oder Aufgeregtheit strahlte der Mann mit dem schwarzen Haar und dem Kinnbärtchen nicht aus. Aufmerksam lauschte er der Anklageverlesung, die für ihn übersetzt wurde. „Es sollen keine Angaben gemacht werden“, sagte der Verteidiger für seinen Mandanten. Der 33-Jährige werde „eventuell später“ aussagen.

Partyfotograf hatte Bilder gemacht – auch von den Tätern?

Anschließend wurden von den Prozessbeteiligten Fotos aus der Akte angesehen, die im Verfahren eine Rolle spielen werden. Ein Partyfotograf hatte an jenem Abend Bilder geschossen, anhand derer versucht wurde, mögliche Täter zu ermitteln. Wie schwierig dies ist, hatten schon die vorangegangenen Prozesse um die Silvester-Übergriffe gezeigt: In zwei dieser Verfahren waren die Angeklagten letztlich freigesprochen worden, weil die Zeuginnen sie nicht hatten identifizieren können.

Wie es im Fall von Behzad S. sein wird, bleibt abzuwarten. Ein Kriminalbeamtin schilderte am Dienstag die Vernehmungssituation eines der Opfer. Sie habe der Frau Übersichtsbilder vom Kiez vorgelegt, so die Polizistin, und dann einen Ausschnitt herangezoomt. Plötzlich sei das Opfer aufgestanden und habe gerufen: „Das ist er, das ist er!“ Damit habe sie allerdings nicht etwa den Angeklagten gemeint, sondern den bisher nicht ermittelten Haupttäter, betonte die Polizistin.

Über jenen Haupttäter habe das Opfer gesagt, er sei Teil einer Gruppe und in dieser der Kleinste gewesen. Alle Männer aus dieser Gruppe hätten dunkle Haare und insgesamt ein südländisches Erscheinungsbild gehabt. Bei dem Haupttäter könne sich sie insbesondere an die Augenpartie erinnern. Auch erzählte die junge Frau demnach, dass einer der Männer eine besonders auffällige Jacke getragen habe. Wie diese genau ausgesehen habe, könne sie sich allerdings nicht mehr erinnern.

Für den Prozess sind bislang sieben weitere Fortsetzungstermine bis zum 23. März terminiert. Am Freitag wird er mit der Vernehmung eines der Opfer fortgesetzt.