Hamburg/Schwerin. Prof. Jörg Knieling sieht im neuen Konzept der Metropolregion Schwächen. Das hat mit Wohnungen zu tun – und mit Trinkwasser.
Verbindungen schaffen, sich als eine Region verstehen – diese Werte werden die Regierungschefs von Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Hamburg am heutigen Montag betonen. Dann, wenn Erwin Sellering, Torsten Albig, Stephan Weil und Olaf Scholz (alle SPD) im Großen Festsaal des Hamburger Rathauses die Erweiterung der Metropolregion besiegeln werden.
Am 1. März stoßen nämlich Mecklenburg-Vorpommerns Landeshauptstadt Schwerin und der Altkreis Parchim zu dem Verbund dazu. Dieser erstreckt sich dann in Nord-Süd-Richtung von Fehmarn bis Schwarmstedt im Heidekreis über 189 Kilometer und in West-Ost-Richtung von Wremen im Landkreis Cuxhaven bis zum Plauer See über 209 Kilometer.
Allerdings gibt es nicht nur eitel Sonnenschein. Kritiker bemängeln schon seit Längerem, dass die Metropolregion Hamburg zu langsam wächst, zu wenig für die Bürger fassbar ist und im Vergleich zu anderen Metropolregionen ins Hintertreffen geraten ist. Das Hamburger Abendblatt sprach mit Prof. Jörg Knieling, Leiter des Fachgebiets Stadtplanung und Regionalentwicklung der HafenCity Universität Hamburg, einem Kenner der Metropolregion.
Hamburger Abendblatt: Wie bedeutend ist die Metropolregion Hamburg?
Prof . Jörg Knieling: Die Metropolregion ist attraktiv. Das zeigen die steigende Bevölkerungszahl in den vergangenen Jahren und die Prognose für die kommende Zeit. Besonders attraktiv sind die Umwelt, die Möglichkeiten für Bildung und Kultur sowie der Arbeitsmarkt. Aber auch die gute Verkehrserschließung weiter Teile der Region darf nicht vergessen werden.
Für wen ist sie von besonderem Interesse?
Knieling: Insbesondere junge Leute werden angezogen. Sie hoffen, hier einen Ausbildungs-, Studien- oder Arbeitsplatz zu finden. Das ist allerdings auch in anderen Großstadtregionen Deutschlands zu beobachten. Aus dem Ausland zeigen qualifizierte Arbeitskräfte Interesse an der Metropolregion Hamburg. Der Hafen, international ausgerichtete Unternehmen, die Hochschulen und Forschungseinrichtungen haben Hamburg international bekannt gemacht.
Wo liegen die Schwächen?
Knieling: Eine maßgebliche Schwäche ist die geringe Innovationsbereitschaft. Wo sind Bemühungen um eine regionale Wohnungspolitik? Stattdessen will Hamburg 15 Jahre lang je 10.000 Wohnungen innerhalb der Stadtgrenzen bauen. Das kann man nur als Himmelfahrtskommando bezeichnen, das spätestens in einigen Jahren zu massiven Konflikten um die Lebensqualität in der Stadt führt.
Was ist der Grund für die Innovationsschwäche?
Knieling: Die Institution Metropolregion selbst ist Ausdruck mangelnder Bereitschaft, neue Wege zu beschreiten. Bereits 1990 lag mit einem Gutachten des renommierten Politikwissenschaftlers Fritz Scharpf der Vorschlag auf dem Tisch, die Metropolregion zu einem Regionalverband weiterzuentwickeln. Ein solcher Verband wäre in der Lage, die Stadt-Umland-Probleme wie Siedlungsentwicklung, Verkehr oder Gewerbe anzugehen.
Knieling: Wie es funktionieren kann, zeigen Frankfurt/Main, Hannover oder Stuttgart. Die Metropolregion Hamburg leistet sich stattdessen ein unkoordiniertes Nebeneinander kommunaler Egoismen und Borniertheit. Das ist uneffektiv und teuer.
Was muss getan werden, damit die Bürger einen Nutzen für sich empfinden?
Knieling: Die Region benötigt eine abgestimmte und verbindliche Siedlungs- und Mobilitätspolitik. Es gilt, den Flächenverbrauch zu reduzieren und innovative Wohn- und Siedlungsmodelle zu entwickeln, um verdichtetes Wohnen attraktiv zu machen. Zudem muss der Autoverkehr reduziert werden, was bedeutet, den öffentlichen Personennahverkehr auszubauen. Neben einer Senkung des Energieverbrauchs muss – für einen Hamburger erst einmal ungewöhnlich – eine Agrarwende in den Fokus der Metropolregion rücken. Unser Grundwasser ist durch Gülle und Pestizide gefährdet. Massentierhaltung sollte in der Metropolregion nicht mehr erlaubt sein. Ich weiß, da sind „dicke Bretter zu bohren“.
Die Wirtschaft wird künftig stärker als bisher in die Arbeit der Metropolregion eingebunden. Was erwarten Sie davon?
Knieling: Wenn man die Positionen der Wirtschaft der vergangenen Jahre analysiert, zeigt sich eine einseitige Verkehrspolitik pro Autobahnausbau. Innovative Ansätze einer nachhaltigen Mobilitätspolitik sind nicht zu finden. Man hat sich quasi den Bremser mit ins Boot geholt und ihm einen der Plätze am Steuer eingeräumt. Das kann nicht gut gehen.