Hamburg. Unbekannte und spannende Anekdoten aus einem der bekanntesten Hotels Deutschlands, das heute Geburtstag hat.

Es ist und bleibt eine der ersten Adressen Hamburgs – auch 120 Jahre nach seiner Gründung am 24. Fe­bruar 1897. Das Hotel Vier Jahreszeiten hat am Vorabend seines Geburtstags mit 120 Ehrengästen gefeiert, darunter Bürgermeister Olaf Scholz, Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit und andere namhafte Hamburger wie Anne-Rose Voscherau, Klaus von Dohnanyi, Ole von Beust oder Manfred Lahnstein.

Zum Nachlesen

Zum Geburtstag ist auch ein neues Buch erschienen, geschrieben von Hamburger-Abendblatt-Chefreporter Jens Meyer-Odewald. „Hotel Vier Jahreszeiten – Ein Stück Hamburg. Geschichte und Geschichten“ ermöglicht einen Blick hinter die Kulissen und erzählt bislang unbekannte Geschichten.

In Vergessenheit geratene Dokumente

Uralte Mitarbeiterfotos, Speisekaren längst vergangener Zeiten und weitere in Vergessenheit geratene Dokumente lagerten in einem monströsen Stahltresor aus der Anfangszeit – und werden in dem Buch erstmals gezeigt. Aufbewahrt wurde zum Beispiel die Menüfolge von Silvester 1938, Fotos der früheren Hotel-Tankstelle an der Seite des Hauses und Aufzeichnungen vom Beschuss des Hotels 1918 durch Rotgardisten vom Dach des Alsterpavillons. Eine Auswahl der besten Anekdoten veröffentlicht das Hamburger Abendblatt heute auf dieser Seite.

Das Foto aus den Zwanzigern zeigt die Garage, in der eine Tankstelle war
Das Foto aus den Zwanzigern zeigt die Garage, in der eine Tankstelle war © Hotel Vier Jahreszeiten

Der schwäbische Unternehmer Friedrich Haerlin hatte das kleine „Hotel zu den Vier Jahreszeiten“ am 24. Februar 1897 bei einer Zwangsversteigerung für 420.100 Reichsmark erworben und gemeinsam mit seiner Ehefrau Thekla Toussaint, einer Bremerin, zur vornehmsten Adresse der Stadt geformt. Für seinen Freund, den Prinzen Heinrich von Preußen, verfasste Haerlin einen eigenen Leitfaden. Titel: „Wie bediene ich Seine Königliche Hoheit.“ Der damit verbundene Anspruch galt generell: Ein jeder Gast sollte nach diesen Regeln behandelt werden – wie ein kleiner König also.

Gast soll sich wohlfühlen

Der Gast soll sich wohlfühlen. Im Idealfall soll er die damit verbundenen Mühen gar nicht bemerken. Dass Improvisationskunst von jeher Trumpf ist, spiegelt der Wunsch einer Reisegruppe aus Arabien gegen Ende des vergangenen Jahrhunderts wider. Die Gäste gaben ihre Order für das Abendessen präzise auf: vier Lämmer, 30 Brathähnchen und 40 gegrillte Täubchen. Zu servieren, bitteschön, ohne überflüssigen Luxus wie Besteck. Die Herren würden ihr Menü gerne der Sitte ihrer Heimat entsprechend zu sich nehmen. Mit den Händen. So geschah es dann auch.

Immensen Hunger verspürte auch der 2016 verstorbene Bud Spencer, Schauspieler und Schwimmmeister von erheblichem Gewicht. Der ansonsten pflegeleichte Star vertilgte die Ration einer ganzen Kompanie. An einem Abend konsumierte er acht Brötchen, drei Pasteten, ein 500 Gramm schweres Filetsteak, fünf Portionen Röstkartoffeln. Plus Dessert: vier Palatschinken sowie einen Grießpudding. Komplett heruntergespült mit zwei Flaschen Cha­blis. Die ihm angebotenen Saucen verschmähte der Künstler allerdings. Seine nüchterne Begründung. „Die machen zu dick“, sagte er dem verblüfften Kellner.

In den 30er-Jahren
servierten die Kellnerinnen
natürlich mit gestärkten
Schürzen und Häubchen im Café
In den 30er-Jahren servierten die Kellnerinnen natürlich mit gestärkten Schürzen und Häubchen im Café © Hotel Vier Jahreszeiten

Mick Jagger und seine Rolling
Stones
genossen den Aufenthalt weniger still. Die Rockkönige erwiesen sich des Quartiers als nicht würdig. Sie veranstalteten reichlich Budenzauber. Denn dass betuchte Kundschaft in einer Suite an Kronleuchtern hängend Tarzan spielt (und Lady Jane gleich mehrfach mitgebracht hat), mit Pudding um sich wirft und Prügeleien vom Zaun bricht, ist in der an Schoten reichen Historie des Hotels einmalig. Doch wurde darüber viele Jahre geschwiegen – bis heute.

Vier Gourmets aus den USA wählten im Restaurant Weinbergschnecken, jeder ein Dutzend. Zum Entsetzen der Angestellten jedoch vertilgten sie die Schnecken mitsamt ihren Häuschen – dass es nur so knackte. Die Rechnung wurde cash beglichen, allerdings ohne Trinkgeld. Das Essen war offensichtlich nicht so recht nach dem Geschmack der weit gereisten Herrschaften. So hart und zäh im Biss.

Torte to go?
Kein Problem:
Das Café Condi
lieferte per
Kutsche auch
Kuchen und
Pralinen ins
Haus
Torte to go? Kein Problem: Das Café Condi lieferte per Kutsche auch Kuchen und Pralinen ins Haus © Hotel Vier Jahreszeiten

Mehr als 500-mal nächtigte der näselnde Schauspieler Theo Lingen im Vier Jahreszeiten. Bestimmt zu Sonderkonditionen, denn seine Sparsamkeit war ausgeprägt. Er pflegte nicht nur die Zeitungen im Shop des Parterres anzulesen, um sie nicht kaufen zu müssen. Er entwickelte außerdem eine pfiffige Variante, günstig an gutes Essen zu gelangen – ohne sich eine Blöße geben zu müssen. So war es dem Küchenchef ein Vergnügen, Herrn Lingen mit Erbsen- und Linsensuppe aus der Betriebskantine zu versorgen, dem heutigen Café Royal. Für fünf Mark die Terrine. Das schmeckte dem Künstler.

Was heute an kleinen oder großen Sonderwünschen im Computer festgehalten wird, stand einstmals auf 14.000 handbeschriebenen Karteikarten, dem größten Geheimnis des Hauses. Passé sind auch die Zeiten, in denen im Bad Plastikhalter angebracht waren, um Nylonstrümpfe in Passform zu halten.

Badezimmer der Loren-Suite wurde umgebaut

Ob Sophia Loren diese nutzte? Die Schauspielerin weilte zwei Monate im Vier Jahreszeiten. Anlass waren Dreharbeiten für den Film „Die Eingeschlossenen von Altona“. Da die Italienerin ihren Ehemann Carlo Ponti persönlich mit Spaghetti-Spezialitäten verwöhnen wollte, reagierte die Hotelleitung: Kurzerhand wurde das zweite Badezimmer der Loren-Suite in eine Küche umgebaut. Die Signora zahlte gerne, üppiges Trinkgeld inklusive.

Ein weltberühmter Lebemann und Casanova hatte weniger Sinn für prompte Abrechnungen. Als er an der Rezeption diskret beiseite genommen und auf den mittlerweile arg gestiegenen Rechnungsbetrag angesprochen wurde, reagierte der Tausendsassa mit entwaffnenden Worten: „Werter Herr, mir liegen 2000 Frauen zu Füßen, und Sie wagen es, mich wegen läppischer 2000 Mark zu ermahnen.“ Sein Name bleibt geheim, schade eigentlich.

Die Bleiverglasung
verweist auf die
Herkunft des Gründerpaares:
Stuttgart
und Bremen
Die Bleiverglasung verweist auf die Herkunft des Gründerpaares: Stuttgart und Bremen © Hotel Vier Jahreszeiten

Ein Wirtschaftskapitän aus dem arabischen Raum bat den Concierge Amadeo Musto D’Amore einst um einen kleinen Gefallen: „Meine Suite soll wie eine Oase aussehen.“ Der langgediente Ho-telmitarbeiter zuckte nicht mit der Wimper: Aber gerne doch. Für gut 6000 Euro wurden Palmen auf die Räume 511/512 geliefert.

Bleibt die Frage, was sich der nächste prominente Gast im Sommer dieses Jahres wünschen wird: Gut möglich, dass Donald Trump während des G20-Gipfels in Hamburg im Vier Jahreszeiten absteigt.