Hamburg. Ein interner Vergleich aller Bundesländer, der dem Abendblatt vorliegt, lässt Hamburg in vielen Bereichen schlecht aussehen.
Zivil- und Finanzgericht top, Licht und reichlich Schatten bei der Strafjustiz, Sozial- und Verwaltungsgericht: maximal ausbaufähig. Die Leistungsbilanz der Gerichtszweige im Ländervergleich zeichnet für Hamburg ein eher durchwachsenes Bild.
Das geht aus der sogenannten Berliner Tabelle für die ordentliche Gerichtsbarkeit und der Sachsentabelle für die Fachgerichtsbarkeiten hervor. Beide Statistiken werden von den Justizministerien der Länder unter Verschluss gehalten – sie dienen dort vor allem als Personalsteuerungsinstrument. Die beiden Tabellen, die dem Abendblatt in Auszügen vorliegen, stammen zwar aus dem Jahr 2014. Seither hat die Hamburger Justizbehörde einige personelle Lecks gestopft, so sei die Justiz seit 2015 um 41 Köpfe verstärkt worden. Bis 2018 sollen weitere 36 Stelen besetzt werden.
Doch am Gesamtbild dürfte sich nicht allzu viel geändert haben, sagt der Journalist Joachim Wagner. Die Statistik erlaube daher Rückschlüsse darauf, wie effizient die Justiz aktuell in Hamburg ist. In einigen Gerichtszweigen fällt die Bilanz „mehr als beklagenswert“ aus, sagt Wagner, der die Statistik in sein soeben erschienenes Buch „Ende der Wahrheitssuche“ über den Zustand der Justiz eingearbeitet hat.
Im bundesweiten Vergleich ordnet sich Hamburg meist im Mittelfeld ein, Spitzenreiter sind in fast allen Gerichtszweigen, wenig überraschend, die Südländer Baden-Württemberg und Bayern.
Ziviljustiz: Die Hamburger Amtsrichter in Zivilsachen belegen bundesweit einen Platz im oberen Drittel. „Sie sind fleißig und effektiv“, sagt Wagner. 2014 hatte jeder Richter im Schnitt 586 Verfahren zu bearbeiten – sie schafften im Schnitt 608 Verfahren. Bedeutet: die Aktenstapel mit den Altverfahren schmelzen, weil die Richter mehr Fälle wegschaffen, als an neuen hereinkommen. Ihre Kollegen am Landgericht hatten mit 179 Verfahren die meisten Verfahren aller Landgerichte in der Republik zu bewältigen, nach Bayern und Bremen haben sie mit 167 Verfahren die dritthöchste Erledigungsquote. Dafür dauern die Verfahren mit zehn Monaten relativ lange (Platz 8).
Strafjustiz: Klagen über Überlastung kommen aus der Justiz, insbesondere der Strafgerichtsbarkeit, immer wieder. Doch die Hamburger Strafrichter versinken im Vergleich zu ihren Kollegen keineswegs in Arbeit: Mit 307 Verfahren pro Richter am Amtsgericht und sechs Verfahren am Landgericht bekommen sie bundesweit pro Jahr am wenigsten neue Verfahren auf den Tisch. „Allerdings ist die Strafjustiz eine typische Großstadtgerichtsbarkeit: Die Verfahren sind umfangreicher, komplizierter und umkämpfter als in Flächenstaaten“, sagt Wagner. So gibt es mit 7,3 Tagen in keinem anderen Bundesland mehr Hauptverhandlungstage als in der Hansestadt. Personelle Verstärkung ist zwar dringend erwünscht, doch in den letzten Jahren sind Land- und Amtsgericht fast leer ausgegangen. Einzig am Hanseatischen Oberlandesgericht sind jetzt fünf weitere Richter dazugekommen. Das Hauptproblem bei den Verfahrensdauern ist ohnehin die völlig überlastete Staatsanwaltschaft.
Verwaltungsgericht (1.Instanz): Im Schnitt bearbeitet jeder Richter 161 Verfahren, im Durchschnitt dauern sie etwa ein Jahr – das ist im Ländervergleich ein schlechter elfter und zwölfter Platz. Immerhin: Die Eilverfahren dauern nur 1,7 Monate (Platz 4). Allerdings wachsen auch hier die Aktenberge. Vor dem Hintergrund der steigenden Zahl der Asylrechtsverfahren hat die Justizbehörde seit 2015 das Verwaltungsgericht kräftig verstärkt: Seither sind neun weitere Richter dazugekommen, im Doppelhaushalt 2017/18 sind fünf weitere Stellen eingeplant, die Richter sollen bei Bedarf auch das Sozialgericht entlasten.
Sozialgericht: 2014 sah es düster aus: Jeder Hamburger Sozialrichter hatte im Schnitt 378 Verfahren (Platz 2) zu bewältigen – er schaffte aber nur 331 Verfahren (Platz zwölf). Zudem liegen auf dem Schreibtischen jedes Richters im Schnitt 473 unerledigte Verfahren, das ist ein ebenfalls schlechter zwölfter Platz. Durchschnittlich dauern die Verfahren hier 16 Monate (Platz 10). Kein Wunder, dass die Behörde hier nachjustiert hat: Drei weitere Richter verstärken seit 2015 das Sozialgericht.
Arbeitsgericht: Die Arbeitsrichter arbeiten effektiv, bundesweit hatten sie die zweithöchsten Eingänge, die bekamen sie auch alle vom Tisch. Allerdings gehört das Arbeitsgericht zu den eher langsamen Gerichten: Hauptverfahren dauerten hier im Schnitt 3,4 Monate (Platz 12). Und mit dem enormen „Bestand“ – 202 unerledigte Verfahren – wartet noch viel Arbeit auf die Richter.
Finanzgericht: Der Star unter den Hamburger Gerichten: die niedrigsten Bestände (unerledigte Verfahren), die bundesweit zweitkürzeste Verfahrensdauer bei den Haupt- und Eilverfahren. Die Richter erledigen 13 Prozent mehr Verfahren als sie neu hereinbekommen. „Das Finanzgericht ist ein Aushängeschild der Hansestadt“, sagt Wagner.