Hamburg. Der Bundespräsident und die Bundeskanzlerin waren da, aber hochrangige internationale Gäste suchte man bei der Eröffnung vergeblich.
Die ganze Staatsspitze war da. Der Bundespräsident, die Bundeskanzlerin, der Bundestagspräsident, der Verfassungsgerichtspräsident, etliche Bundesminister. Dazu die obersten Repräsentanten Hamburgs: Der Bürgermeister, die Bürgerschaftspräsidentin, der Senat, fast alle Bürgerschaftsabgeordneten. Sie hatten sich in dem weithin sichtbaren Wahrzeichen der Stadt versammelt. Die Gesichter waren versteinert. Einige verdrückten eine Träne, als die Musik erklang. „Wir haben einen Giganten verloren“, sagte der sichtlich bewegte Bürgermeister – und verneigte sich vor dem Sarg von Helmut Schmidt.
So war das, am 23. November 2015, im Michel. Ein trauriger Tag in der jüngeren Geschichte Hamburgs. Und der wohl größte Auflauf politischer Prominenz der vergangenen Jahre in der Hansestadt, schließlich nahmen auch etliche ausländische Gäste wie EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und Ex-US-Außenmister Henry Kissinger Abschied von Schmidt.
Bundespräsident, Kanzerlin, Bürgermeister und Senatoren waren geladen
Am Mittwoch war für viele Menschen ein fröhlicher Tag – und sie waren alle wieder da. Naja, fast alle. Der Bundespräsident, die Kanzlerin, der Bürgermeister, Senatoren – die schon. Hochrangige internationale Gäste suchte man bei der Eröffnung der Elbphilharmonie aber vergebens – sieht man mal von den Schweizer Architekten ab.
Warum das so war? Zwei einfache Antworten: George Clooney und Scarlett Johansson waren nicht eingeladen. „Wir wollten, dass über das Haus gesprochen wird und nicht über die Kleider der Gäste“, so die Intention der Veranstalter. Und die mehr oder minder schillernde überregionale Politprominenz aus der Trump-Putin-Erdogan-Liga kommt ohnehin im Juli zum G20-Gipfel an die Elbe. Dass ihnen zur Erbauung die Elbphilharmonie gezeigt wird, ist zwar noch nicht bestätigt. Aber der Gedanke, so räumt man im Rathaus ein, liege nahe.
320 Medienvertreter kamen zu der Pressekonferenz vor der Eröffnung
Vergleichsweise international war dagegen die Pressekonferenz vor der Eröffnung. 320 Medienvertreter drängelten sich in den Kleinen Saal, um von Bürgermeister, Generalintendant, Orchestervertretern und Architekten zu hören, was zuvor schon 100-mal zu hören war. Für Heiterkeit sorgte die Frage eines Journalisten, der sich als „Franzose aus Paris“ zu erkennen gab: Warum denn Hamburg angesichts der Probleme und Kostensteigerungen nicht den Bund um Hilfe gefragt habe, wollte er wissen. Für Olaf Scholz eine perfekte Steilvorlage, dem Gast aus dem zentralistischen Nachbarland unser föderales System zu erklären, um dann zu einer kühnen Behauptung anzuheben: „Niemals“, so der Bürgermeister, „kämen wir auf die Idee, die Bundesrepublik Deutschland zu bitten, uns ein Konzerthaus zu bezahlen.“
Niemals? Hm. Im engeren Sinn war das zwar korrekt. Die Elbphilharmonie hat die Stadt bezahlt, die Laeiszhalle war 1908 ein Geschenk der gleichnamigen Reederfamilie an die Stadt, und weitere Konzerthäuser sind vorerst nicht geplant. Geld für Kulturprojekte bekommt Hamburg dennoch aus Berlin, und zwar reichlich. 120 Millionen Euro stellt der Bund für die Errichtung eines Deutschen Hafenmuseums bereit, 18 Millionen für die Erneuerung des Hamburg Museums, und auch die Sanierung der Nikolaikirche finanziert Berlin mit sieben Millionen Euro zur Hälfte. Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen, sie enthält auch 10,75 Millionen Euro für die Sanierung der Laeiszhalle. So gesehen, ist Scholz mit dem Satz etwas übers Ziel hinausgeschossen, wohl im Überschwang der Elbphilharmonie-Gefühle.
Kanzlerin Angela Merkel bezeichnet das Konzerthaus als "Kleinod"
Angela Merkel hingegen hatte ihre Emotionen voll im Griff – so sehr, dass es unfreiwillig komisch wurde. Als die Bundeskanzlerin in der Pause des Eröffnungskonzerts gefragt wurde, wie ihr die Elbphilharmonie denn nun gefalle, kam sie zu der Einschätzung, diese sei „ein wirkliches Kleinod“. Nun, das Kleinod ist 110 Meter hoch, hat eine Geschossfläche von 15 Fußballfeldern und ist 200.000 Tonnen schwer – was für Merkel wohl ein Großod ist?
Die Kanzlerin, ebenso wie der Bundespräsident und einige andere Ehrengäste, saßen nach dem Auftakt übrigens auf einem anderen Platz. Der einfache Grund: Einen Rang höher ist der Blick auf die Bühne besser als ganz unten in der ersten Reihe, mutmaßlich auch die Akustik. Auch einige Hamburger Senatsmitglieder mussten an der Reise nach Jerusalem teilnehmen und hatten dafür detaillierte Anweisungen erhalten – was den einen oder anderen erheiterte.
Auch die Kritiker des teuren Baus ließen sich die Eröffnung nicht entgehen
Mathias Petersen durfte hingegen sitzen bleiben. Er war in der Frühphase des Projekts neben Thomas Böwer der einzige SPD-Bürgerschaftsabgeordnete, der der Elbphilharmonie seine Zustimmung verweigert hatte – nicht, weil er die Idee nicht gut fand, sondern weil er Sorgen hatte, dass die Millionen-Investition zulasten anderer Kulturprojekte gehen könnte. Dem wurde mittlerweile ein Riegel vorgeschoben, auch dank Petersen. „Ich werde dafür kämpfen, dass es so bleibt“, sagte er. Wie es ihm gefallen hat? „Gut, das Gebäude auch.“
Nicht zur Eröffnung zu gehen, kam Petersen ebenso wenig in den Sinn wie Norbert Hackbusch. Dabei hatte der Abgeordnete der Linkspartei noch Stunden vor dem Festakt eine Pressemitteilung verschickt mit dem Titel: „Elphi ist Imponier-Projekt auf Kosten von Demokratie und Kultur.“ Warum er trotzdem hingegangen sei? „Ich muss doch wissen, worüber ich rede“, meinte der Haushalts- und Kulturexperte, der nach einem Sturz beim Schlittschuhlaufen mit Armschlinge erschien. Gefallen hat’s ihm auch, und das hat ihn keinesfalls geärgert: „Wäre ja noch schlimmer, wenn man so viel Geld ausgibt, und dann ist das Ergebnis auch noch schlecht.“