Hamburg. Der Notendurchschnitt in der Probeklausur beträgt nur 3,9. Die Schulbehörde setzt die Zensuren um eine ganze Note herauf.

Die schlimmsten Befürchtungen haben sich bewahrheitet: Die Probeklausur für das Abitur in Mathematik, dem Problemfach Nummer eins der Hamburger Schüler, ist sehr schlecht ausgefallen. Nach einer ersten Auswertung an rund zehn Gymnasien und Stadtteilschulen liegt der Notendurchschnitt bei 3,9. Zum Vergleich: Bei der Mathe-Klausur im Abitur 2016 betrug der Mittelwert gut 3,2.

Die Probeklausur ist deswegen von besonderer Bedeutung, weil sie unter den „Echtheitsbedingungen“ des ersten bundesweiten Zentralabiturs, das in diesem Jahr abgehalten wird, geschrieben wurde. Die Aufgaben der drei Bereiche Analysis, Analytische Geometrie und Stochastik wurden den Beispielaufgaben nachempfunden, die das Berliner Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) für das Zentralabitur entwickelt hat. „Wir hatten schon damit gerechnet, dass es einen schlechten Notenschnitt gibt“, sagte Schulsenator Ties Rabe (SPD).

Die Vorbereitung auf das Zentralabitur

Noch sei es aber zu früh, die Ursachen zu benennen. „Wir wissen nicht, ob es an den Schülern liegt oder die Aufgaben an sich zu schwer waren“, so der Senator. Um den Schülern mit Blick auf das bevorstehende Abitur keine Nachteile entstehen zu lassen, greift Rabe zu einer bislang nie dagewesenen Maßnahme: Die Zensuren der Klausuren werden um eine ganze Note heraufgesetzt. Damit wird die Durchschnittsnote voraussichtlich 2,9 betragen.

Probeklausur mit fünf Prozent gewertet

Landesschulrat Thorsten Altenburg-Hack hat in einem Brief an die Schulleitungen der Gymnasien und Stadtteilschulen das Verfahren erläutert. „Zu der nach dem vorgegebenen Bewertungsschlüssel ermittelten Gesamtnote (in Notenpunkten) werden für jede Schülerin und jeden Schüler drei Notenpunkte addiert“, schreibt Altenburg-Hack. Das bezieht sich auf die 15-Punkte-Notenskala. Drei Notenpunkte entsprechen einer ganzen Note des hergebrachten Sechser-Systems.

Eine kleine Ergänzung ist dem Landesschulrat jedoch wichtig: Der behördlich angeordnete Notensprung „gilt nicht für Klausuren, die aufgrund eindeutig nicht erbrachter Leistungen (z.B. Abgabe eines leeren Blattes) oder Täuschungsversuchen mit null Notenpunkten bewertet wurden“. Die Probeklausur in Mathematik ist eine von zwei Arbeiten im dritten Semester, die zusammen 40 Prozent der Semesternote ausmachen. Bezogen auf die Abitur-Gesamtnote schlägt die Probeklausur mit fünf Prozent zu Buch.

Richtige Maßnahmen für den Endspurt

„Jetzt geht es darum, die richtigen Maßnahmen für den Endspurt zu ergreifen, damit nichts schiefgeht beim Zen­tralabitur“, sagte Rabe. Immerhin fehlten den Schülern noch knapp 20 Prozent des Unterrichts in der Oberstufe bis zu den Abiturprüfungen. „In der verbleibenden Zeit wird geübt“, so der Schulsenator. Immerhin war die Wiederholungs- und Übungsphase aller Mathematik-Themen noch nicht angelaufen, als die Probeklausur am 13. Dezember geschrieben wurde.

Doch Rabe reicht das im Lehrplan ohnehin Vorgesehene nicht, um die Defizite möglichst auszugleichen. „Alle Schulen sollen mindestens zwölf zusätzliche Übungsstunden für Mathematik in der Woche vom 11. bis zum 18. April anbieten“, sagte der Senator. Die Tage fallen in die eigentlich unterrichtsfreie Zeit, die die Schüler sonst zur individuellen Vorbereitung auf das Abitur nutzen können. Die Schulen sind verpflichtet, das Übungsangebot bereitzuhalten, die Teilnahme ist für die Schüler freiwillig.

Lernförderung für gefährdete Abiturienten

Darüber hinaus sollen die Schulen die Mittel der sogenannten zusätzlichen Lernförderung, die eigentlich für versetzungsgefährdete Schüler der Klassen fünf bis zehn vorgesehen ist, auch für Abiturienten nutzen können, die in der Gefahr sind, wegen Mathematik durch die Prüfung zu fallen. Die Mathematiklehrer aller Abiturklassen werden in den nächsten Wochen in das Landesinstitut für Lehrerbildung eingeladen, um weitere Maßnahmen zu besprechen.

Und das ist noch nicht alles. Altenburg-Hack schlägt in seinem Brief an die Schulleiter noch weitere Schritte vor: So können Schulen eine zusätzliche wöchentliche Doppelstunde Mathematik bis zum Abitur einführen. Möglich ist aber auch eine „Kompaktwoche Mathematik“ während der Schulferien im März im Rahmen der Lernförderung.

Niedersachsen hatte für Aufsehen gesorgt

„Das wird ein schweres Mathematik-Abitur“, ist sich Rabe trotz aller zusätzlicher Hilfen sicher. „Aber es führt kein Weg daran vorbei, dass Hamburg ein Abitur auf Bundesniveau auf Kraft erreicht. Ich will kein Abitur light“, sagte Rabe. „Es kommt darauf an, dass wir uns jetzt anstrengen, aber nicht überanstrengen.“ Da Hamburg das einzige Bundesland ist, in dem die Schüler eine Probeklausur für das Mathe-Abitur geschrieben haben, fehlt der Vergleich für den Leistungsstand der Abiturienten. Dennoch zeige das schlechte Ergebnis der Probeklausur, so Rabe, wie wichtig diese Prüfung war, um die verbleibende Zeit zu nutzen, um gegenzusteuern.

Im vergangenen Jahr hatte Niedersachsen für Aufsehen gesorgt, weil die Noten der Mathematik-Abiturklausuren im Nachgang ebenfalls um drei Notenpunkte heraufgesetzt wurden, weil sie so schlecht ausgefallen waren. Damals hatten Hunderte Eltern, Schüler und Lehrer protestiert. In Niedersachsen und Hamburg sowie vier weiteren Ländern war der erste, hilfsmittelfreie Teil der Mathe-Klausur identisch gewesen. Die Hamburger Schulbehörde sah 2016 keinen Grund, den Notenschnitt heraufzusetzen. Bei dem diesjährigen Zentralabitur werden im Fach Mathematik alle drei Aufgaben für die 16 Bundesländer einheitlich sein. Geschrieben wird Anfang Mai.