Hamburg. Naturschützer fordern Tempo 30 auf Hauptstraßen und Fahrverbote für Dieselautos. Behörde sieht hingegen erste Erfolge.
Die teilweise stark mit Giften belastete Hamburger Luft wird nicht besser – jedenfalls nicht schnell und nicht deutlich genug. Auch im vergangenen Jahr wurden die Grenzwerte für das schädliche Stickoxid (NOx) an allen vier Hamburger Messstellen Habichtstraße, Max-Brauer-Allee, Stresemannstraße und Kieler Straße deutlich überschritten. Überall lag die Belastung deutlich über dem seit 2010 geltenden EU-Grenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft. Das hat eine Auswertung der Daten durch den Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) ergeben.
Demnach verharrte die Stickoxidbelastung „an den verkehrsreichen Straßen der Stadt weiterhin deutlich über dem Grenzwert zum Schutz der menschlichen Gesundheit“. An allen vier Stationen seien Werte „etwa auf dem Niveau der Vorjahre“ gemessen worden, so der BUND – lediglich an der Max-Brauer-Allee schienen sie leicht rückläufig. „Da an dieser Station Werte aus den erfahrungsgemäß hoch belasteten Monaten August und September fehlen, geht der BUND davon aus, dass es auch hier keine positive Tendenz gibt“, so BUND-Landesgeschäftsführer Manfred Braasch.
BUND kritisiert Politik
Ein genauerer Blick auf die Zahlen ergibt allerdings einen, allerdings sehr moderaten Rückgang an allen Messstationen außer der Stresemannstraße. Dort hat die Belastung sogar zugenommen. Für den BUND fällt der Rückgang offenbar so moderat aus, dass er ihn als Stagnation wertet.
„Obwohl die Stickstoffdioxidwerte (NO2) in Hamburg seit Einführung der europaweit geltenden Grenzwerte im Jahr 2010 deutlich über dem Limit liegen, hat die Stadt keine wirksame Luftreinhaltepolitik auf den Weg gebracht“, kritisierte Braasch. „Auch nach einer rechtskräftigen Verurteilung vor zwei Jahren mit der Verpflichtung, schnellstmöglich Maßnahmen zur Luftreinhaltung zu ergreifen, hängen die Fachbehörden ihrem Zeitplan deutlich hinterher.“
Die vom grünen Senator Jens Kerstan geführte Behörde für Umwelt und Energie (BUE) habe nach der Verhängung eines Zwangsgeldes durch das Hamburger Verwaltungsgericht angekündigt, dass im Juli 2017 ein neuer Luftreinhalteplan vorliegen solle. Die dafür entscheidenden Gutachten würden „nach aktuellen Informationen nun vier Monate später fertig werden als geplant“. sagte der BUND-Chef. „Damit ist auch in 2017 ein Stillstand bei der Umsetzung wirksamer Luftreinhaltemaßnahmen absehbar.“
200.000 Hamburger gefährdet
Eine weitere Verzögerung sei für den BUND aber „indiskutabel“, so Braasch. „Mehr als 200.000 Hamburgerinnen und Hamburger leben an Straßen, an denen die Stickstoffdioxidbelastung als gesundheitsgefährdend gilt. Vor allem ist kaum nachvollziehbar, warum die Abstimmung zwischen den Fachbehörden nach Fertigstellung der Gutachten nochmals fast vier Monate dauern soll, bevor endlich eine Senatsdrucksache auf den Weg gebracht werden kann.“
Hauptquellen der giftigen Stickoxide, die zu chronischem Husten, Bronchitis, Asthma, Entzündungen oder Lungenkrebs führen können, sind der Kfz-Verkehr und Schiffsabgase. Besonders stark wird die Luft durch Dieselmotoren belastet. Deswegen hatte die EU schon vor zwei Jahren in einem Mahn-Schreiben an Deutschland vorgeschlagen, Fahrverbote für Dieselfahrzeuge in besonders belasteten Regionen einzuführen.
Der BUND Hamburg sehe „vor allem Bürgermeister Olaf Scholz in der Pflicht, sich um eine schnelle Einigung der zuständigen Fachbehörden zu kümmern“. Neben der federführenden Behörde für Umwelt und Energie (BUE) spielten die Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation sowie die Behörde für Inneres und Sport eine zentrale Rolle.
Umweltbehörde sieht Lage weniger dramatisch
Der BUND fordert zur Verbesserung der Luftqualität „verkehrsbeschränkende Maßnahmen wie etwa Tempo-30 auf Hauptverkehrsstraßen und Durchfahrtsverbote für Dieselfahrzeuge“, betonte Braasch. Solche Maßnahmen ließen sich bereits mit der derzeit geltenden Straßenverkehrsordnung zügig umsetzen.
Die Umweltbehörde sieht die Lage weniger dramatisch als der BUND – und will von einer angeblichen Verzögerung bei der Vorlage des Luftreinhalteplans auch nichts wissen. „Wir streben nach wie vor an, dass der Plan im Sommer vorliegt“, sagte Behördensprecher Jan Dube dem Abendblatt. Die Messergebnisse von 2016 seien in der Behörde „noch nicht abschließend validiert“, so Dube, der vor allem auf die moderaten Verbesserungen an drei der vier Messstationen verweist: „Vorläufige Werte zeigen aber eine Abnahme an drei der vier Verkehrsmessstellen mit Grenzwertüberschreitung beim NO2, lediglich an der Stresemannstraße gibt es eine leichte Zunahme.“