Hamburg. Sport-Schuster findet keinen Nachfolger. Ausverkauf am Donnerstag. Aus für weitere Traditionsgeschäfte in der Innenstadt.
Es gibt Laufshirts, Skibrillen und Fußballschuhe, unterschiedliche Hockeyschläger. Seit mehr als 80 Jahren verkauft Sport-Schuster alles, was Sportler brauchen. Kein Schickimicki, sondern Dinge für den täglichen Bedarf. Jeder Zentimeter der Verkaufsfläche an der Eppendorfer Landstraße ist ausgenutzt. An einer Wand hängen Badekappen, gleich daneben stehen Bergstiefel im Regal. Unter den Gymnastikschlappen sind auch glänzend goldene Schuhe in Mini-Größen. Manchmal ist Schuster die letzte Chance, das Gewünschte zu bekommen. „Wir gehören auch zu den wenigen in Hamburg, die Tennisschläger noch mit Naturdarmsaiten bespannen“, sagt Walter Schuster und lässt den Familienstolz vieler Jahrzehnte in seiner Stimme mitschwingen.
Räumungsverkauf ab Donnerstag
Doch das ist bald Geschichte. Das Traditionsgeschäft im Herzen von Eppendorf macht dicht. Am Donnerstag startet der Räumungsverkauf. „Der Mietvertrag läuft aus. Angesichts unseres Alters haben wird uns entschlossen, den Laden zu schließen“, sagt Inhaber Schuster. Er und seine Frau Sabine sind jetzt 64 Jahre alt, Schuster war vor einigen Jahren schwer krank.
Einen Nachfolger in der Familie gibt es nicht, und auch sonst hat sich keiner gefunden. „Es gab Interessenten“, sagt Sabine Schuster. Die hätten sie zur Hausverwaltung geschickt, danach seien sie nicht wiedergekommen. Womöglich hat es an der Mietforderung gelegen. Dabei ist ein Sportladen an dem Standort nicht nur möglich, sondern auch interessant – trotz der Konkurrenz der Sportartikel-Ketten.
Uwe Seeler kaufte hier
Sport-Schuster ist Hamburgs ältestes Sportgeschäft. 1934 hatte Schusters Vater, selbst aktiver Sportler, seinen ersten Laden ein paar Straßen weiter eröffnet, schon zwei Jahre später zog er an den jetzigen größeren Standort. Viele Leistungssportler kamen, HSV-Legende Uwe Seeler kaufte hier seine ersten Fußballstiefel. „Wir waren über Jahrzehnte Lieferant des HSV, auch des FC St. Pauli und vieler anderer Vereine, haben Olympiasieger und Weltmeister ausgestattet“, sagt Walter Schuster, der das Geschäft nach einem Betriebswirtschaftsstudium 1984 übernahm und in den folgenden Jahren umbaute und auf eine Verkaufsfläche von 200 Quadratmetern erweiterte. Komiker Otto Waalkes und Schlager-Ikone Freddy Quinn deckten sich bei Schuster ein. „Bei uns werden die Kunden bedient und beraten, zu vielen haben wir eine persönliche Beziehung“, sagt Sabine Schuster.
Laden wird zum Outlet-Geschäft
Wer in den nächsten Wochen bei ihnen einkauft und die Taschen mit preisreduzierten Waren füllt, wissen sie nicht. Für das letzte Kapitel des Familienbetriebs haben die Schusters einen Spezialisten angeheuert. Kai Peter Fricke arbeitet für die Firma mit dem vielsagenden Namen „Zeit zum Handeln“ und weiß, worauf es beim Räumungsverkauf ankommt. Schon am heutigen Montag übernimmt er das Regiment, baut den Laden um und hängt die großen Rabattschilder auf. „Wir vereinfachen die Präsentation und damit den Verkauf“, sagt Fricke. „Es sieht dann aus wie in einem Outlet. Die Kunden erkennen den Laden nicht mehr wieder und wissen gleich, dass es jetzt günstig ist.“ Eigentlich ein simpler Trick, der aber schon oft für hohe Umsätze gesorgt hat.
Die Räumungs-Profis von „Zeit zum Handeln“ sind bundesweit im Einsatz und haben gut zu tun. Jeden Tag schließen irgendwo zwischen Flensburg und Füssen inhabergeführte Fachläden. Im Jahr 2004 betrug der Anteil des nicht filialisierten Fachhandels nach einer Erhebung der IFH Retail Consultantsin Köln noch 26,7 Prozent, 2015 waren es 17,9 Prozent. Genaue Statistiken gibt es nicht. „Aber kleine Fachgeschäfte geraten weiter unter Druck“, sagt die Geschäftsführerin des Handelsverbands Nord, Brigitte Nolte. Der Online-Verkauf spielt eine Rolle, aber auch die niedrigeren Preise, die größere Fachmärkte oft bieten können. Gleichzeitig wolle niemand die immer gleichen Filialketten. „Die Durchmischung macht die Individualität einer Stadt aus“, betont Nolte.
Aus für 48 Traditionsgeschäfte
Aber trotzdem schreitet gerade in den wichtigen Shopping-Straßen Hamburgs die Verdrängung voran. Auch gut eingeführte Einzelhändler sind betroffen, zuletzt etwa das Porzellanhaus Lenffer (Insolvenz) oder Juwelier Hansen (Ruhestand).
Nach einer Auswertung der Handelskammer, die dem Abendblatt exklusiv vorliegt, gaben in den vergangenen beiden Jahren 48 Traditionsgeschäfte unterschiedlicher Branchen auf, die vor 1960 gegründet wurden – vom Fischladen bis zum Schreibwarengeschäft. Gründe seien fehlende Nachfolger, mangelnde Innovationskraft, unzureichende Einstellungen auf das geänderte Einkaufsverhalten oder fehlende Investitionsmittel, wenn es darum geht, die digitale Zukunft zu meistern, sagt Michael Kuhlmann von der Handelskammer. „Die Frage ist immer, wie ist ein Einzelhändler im Wettbewerb aufgestellt. Ein gut geführtes, etabliertes Geschäft findet leichter einen Nachfolger.“
Auch für die Schusters war das Geschäft über die Jahre schwieriger geworden. „Früher, als noch mit Holzschlägern Tennis gespielt wurde, brauchte ein aktiver Spieler zwei bis drei Schläger pro Saison“, sagt Walter Schuster. Er verschweigt nicht, dass er mit Umsatzeinbrüchen und Umsatzverlagerungen zu kämpfen hatte. Immer wieder habe er sein Sortiment angepasst. „Wir waren die ersten in Hamburg, die Skateboards angeboten haben oder Inliner“, erzählt Schuster. Zuletzt punktete der Laden mit einer großen Auswahl an Blackrolls, die für Faszienmassage zur Behandlung des Bindegewebes eingesetzt werden. „Wenn die großen Ketten wie Karstadt oder Sportscheck solche Artikel im Sortiment haben, wird es für uns meist uninteressant.“
Acht Mitarbeiter ohne Job
Ab jetzt kann Schuster das egal sein. Ist da Trauer über das Ende einer Ära? Schuster schüttelt vehement den Kopf. „Die Entscheidung ist bei uns schon lange gereift.“ Wenn in einigen Monaten ein anderer Händler an seinem Stammplatz einziehe, sei das kein Problem für ihn. „Das sehen wir dann“, ergänzt seine Frau und lächelt. Acht Mitarbeiter verlieren mit dem Aus für Sport-Schuster ihren Job. Der Countdown läuft.
Los geht es mit Rabatten von 20 Prozent auf alles, mehr gibt es auf ausgewählte Artikel. Danach kommt etwas, was Räumungsspezialist Fricke „Dramaturgie des Ausverkaufs“ nennt. Sprich: die Rabattsätze steigen langsam an. Spätestens nach sechs Wochen soll der Laden leer sein.