Hamburg. Ditib ist auch für den Schulunterricht der Vertragspartner Hamburgs. Kritik von SPD, CDU und Grünen. Experte wirft Senat Naivität vor.

Die Umwälzungen in der Türkei erreichen Hamburg. Wie der Erdogan-Regierung nahestehende Gruppen haben auch Mitglieder der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion (Ditib) in Deutschland zuletzt massiv Stimmung gegen das christliche Weihnachtsfest und gegen Silvesterfeiern gemacht.

Ditib unterhält Moscheen in Hamburg und ist Partner der Stadt im Vertrag mit den muslimischen Verbänden und hat so auch Einfluss auf die Unterrichtsgestaltung an den Schulen. In den sozialen Netzwerken wurden Zeichnungen auch von Ditib-Organisationen verbreitet, in denen man sieht, wie ein mutmaßlich muslimischer Mann einen Weihnachtsmann zusammenschlägt.

Weihnachten stehe für den Unglauben der Christen

Weihnachten stehe für den Unglauben der Christen, heißt es etwa in unterschiedlichen zu solchen Bildern verbreiteten Texten. Dabei wird auch der Kampfbegriff „Kuffar“, also etwa: Ungläubige/Gotteswidersacher, benutzt. „Das ist dasselbe Vokabular, das auch der IS benutzt“, sagte der Islamismusexperte und Autor Ahmad Mansour („Generation Allah“) dem Abendblatt. Dass solche Bilder auch von Ditib-nahen-Organisationen verbreitet würden, sei „ein schlechtes Zeichen“.

Leitartikel: Fragen an Muslime

Immerhin sei Ditib Partner Hamburgs bei der Salafismus-Prävention. CDU-Fraktionschef André Trepoll warf den Ditib-Vertretern vor, „sich mit ihrer offenen Ablehnung christlicher und gesetzlicher Feiertage in Deutschland gegen unsere Gesellschaft“ zu stellen. Der SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Kazim Abaci sagte, das Verhalten von Ditib-Angehörigen mache ihn „sprachlos“. Grünen-Chef Michael Gwosdz nannte die verbreiteten Bilder „völlig geschmacklos“.

Auch das Silvesterfest wird kritisiert

Die Religionsbehörde der Türkei, die auch Ditib-Imame mit Predigten zum Freitagsgebet versorgt, hatte zum Jahresschluss einen Text verschickt, in dem das Silvesterfest kritisiert wird. Die Feier sei für Muslime unzulässig, passe nicht zur Lebensweise von Gläubigen und gehöre in andere Kulturen, so die Auffassung. Die Predigten waren nach dem Silvester-Attentat in Istanbul auch in der Türkei kontrovers diskutiert worden. Ditib-Nord-Chef Sedat Şimşek beteuerte, in Deutschland seien diese Predigten nicht gehalten worden.

Buchautor Ahmad Mansour warf dem rot-grünen Senat zugleich „Naivität“ im Umgang mit dem Islamismus vor. „Hamburg ist bei dem Thema besonders naiv“, sagte Mansour dem Abendblatt. „Weil man einen Vertrag mit den Verbänden geschlossen hat, sieht man über alle Probleme hinweg. Lehrer trauen sich in Hamburg kaum noch, diese Themen anzusprechen – weil sie nicht als Rassisten oder Islamgegner eingeordnet werden wollen.“

Häufige Agitation gegen christliche Feste

„Die Agitation gegen christliche Feste und westliche Werte gibt es in jedem Jahr“, so Mansour. „Neu ist allerdings, dass das, was früher nur von ­Islamisten kam, heute auch von der türkischen Regierung und ihrer Religionsbehörde unterstützt und verbreitet wird. Das ist eine völlig neue Qualität, aufgrund derer man auch Ditib in Deutschland neu bewerten muss.“ Predigten gegen Silvester und Agitation gegen Weihnachten behinderten massiv die Integration in Deutschland, so Mansour.

Ahmad Mansour ist Sprecher des Muslimischen Forums Deutschland
Ahmad Mansour ist Sprecher des Muslimischen Forums Deutschland © picture alliance / dpa

„Sie stürzen Jugendliche in schwere Identitätskonflikte und machen sie anfällig für den Islamismus. Von Ditib würde ich erwarten, dass sie den jungen Menschen klarmachen, dass niemand sich über andere stellen darf.“

„Diese Ditib-Vertreter stellen sich gegen unsere Gesellschaft“

Scharfe Kritik kommt auch von CDU-Fraktionschef André Trepoll. „Diese Ditib-Vertreter stellen sich mit ihrer offenen Ablehnung christlicher und gesetzlicher Feiertage in Deutschland gegen unsere Gesellschaft“, so Trepoll. „Ihre aggressiven Aufrufe an die Mitglieder ihrer Gemeinden sind nicht vereinbar mit unseren Grundwerten von Toleranz und Achtung gegenüber anderen Religionen und tragen zur Desintegration muslimischer Bürger durch bewusste Abgrenzung bei“, sagte der CDU-Politiker.

„Bezeichnungen für Christen und Juden in unserem Land als ,Ungläubige‘ durch einige Ditib-Vertreter sind völlig indiskutabel und zeugen von einem religiösen Alleinvertretungsanspruch, der keinen Platz hat in unserer pluralistischen Gesellschaft. Wie kann eine solche Institution gleichzeitig Partner im Bereich der Salafismus-Bekämpfung in Hamburg sein und dafür noch öffentliche Zuwendungen erhalten?“

Wegen seiner persönlichen Zweifel habe er gegen die Verträge gestimmt. „Die Zielsetzung einer Vereinbarung war vernünftig, aber wir haben es zum Teil mit Vertragspartnern zu tun, die nicht auf dem Boden des Grundgesetzes stehen und die ein friedvolles und von gegenseitigem Respekt getragenes Miteinander bekämpfen.“

Senat solle die Zusammenarbeit mit Ditib „auf den Prüfstand stellen“

Der Senat müsse die Zusammenarbeit mit Ditib „auf den Prüfstand stellen“ und dürfe sich bei dem Thema „nicht länger mit leeren Worthülsen aus der Verantwortung stehlen“.

Auch der SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Kazim Abaci bezeichnete die Predigten gegen Silvester und die Agitation gegen Weihnachten als „nicht im Einklang mit den Verträgen“ stehend und betonte: „Das hat mit dem Geist von Kooperation und Dialog nichts zu tun. Es macht mich sprachlos, dass Ditib-Jugendorganisationen, die Ansprechpartner des interreligiösen Dialogs sind, öffentlich nicht für den Dialog, sondern dagegen werben.“

Grünen-Landeschef Michael Gwosdz sagte, er finde zwar die Predigt gegen „das Feiern von Silvester als Verschwendung der ersten Stunden des neuen Jahres nicht verwerflich“. Sie erinnere ihn daran, wie etwa auch in christlichen Kreisen Halloween-Feiern diskutiert würden. „Völlig geschmacklos ist dagegen das Bild des Weihnachtsmanns, der mit einem Fausthieb niedergestreckt wird“, so der Grünen-Chef. „Wer Respekt erwartet, darf nicht derart respektlos sein.“

Senatssprecher Sebastian Schaffer sagte, die Frage, welche religiösen Feste von welchen Gläubigen begangen würden, sei eine „innerreligiöse Angelegenheit, die keiner staatlichen Beaufsichtigung unterliegt“. Bedenkliche ­Social-Media-Aktivitäten „einzelner Personen oder Gruppierungen“ zu bewerten sei nicht Sache des Senats.

Ditib prüfe Äußerungen in den sozialen Netzwerken

Der Vorsitzende von Ditib Hamburg und Schleswig-Holstein, Sedat Şimşek, sagte: „Scharfe Äußerungen von Ditib-Mitarbeitern in den sozialen Netzwerken gegen Silvester oder Weihnachten sind Einzelfälle. Sie werden von uns überprüft. Sollten Fälle von Verächtlichmachung vorliegen, so gehen wir gegen diese vor.“

Ditib lehne „jede Form der Verächtlichmachung von Sitten, Bräuchen und Festen ab“, so Şimşek. „Jedoch muss immer vorher geprüft werden, ob jede Kritik an einem Brauch auch eine Verächtlichmachung darstellt. Als eine in dieser Gesellschaft verwurzelte muslimische Dachorganisation sind wir stets geleitet von dem Gedanken der Toleranz, der gegenseitigen Wertschätzung und der Akzeptanz.“

Kritik an "verschwenderischen Silvesterfeiern“

Die von der türkischen Religionsbehörde verschickte Predigt kritisiere lediglich „die verschwenderischen Silvesterfeiern“, so der Ditib-Nord-Vorstandschef. Da viele Menschen auf der Welt unter Hunger und Krieg litten, „können wir die Kritik an der Verschwendung nachvollziehen“, so Şimşek. „Jedoch hätte auch der Respekt vor anderen Sitten und Bräuchen mehr betont werden müssen.“

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