Hamburg. Das Wetter hat 2016 Millionenschäden angerichtet. Es ist zu trocken und zu warm. Was das mit dem Klimawandel zu tun hat.
Wenn zu den erfreulichsten Eckdaten des Sommers 2016 in Hamburg zählt, dass die Nächte nicht so kalt waren, dann ahnt man schnell, dass es wohl eher kein Bilderbuchsommer war. Aber wer erwartet den schon in Hamburg? Für dieses Jahr darf tatsächlich mit Fug und Recht über den Sommer gemeckert werden, denn das Bauchgefühl stimmt leider: Der Sommer war mies! Zu nass, zu wolkig, zu wenig Freibadwetter – und dann auch dieser Tornado mitten in Hamburg ...
Aber von vorn: Wer versucht, das Jahr 2016 für Hamburg meteorologisch aufzuarbeiten, der landet unweigerlich beim Hamburger Institut für Wetter- und Klimakommunikation und bei Durchschnittswerten und Statistiken. Aufs Ganze gesehen war 2016 eigentlich ein recht normales Jahr. Am kältesten war es am 19. und 21. Januar mit jeweils minus 8,8 Grad, am wärmsten war es am 23. Juni mit 31,9 Grad. Ansonsten: ziemlich durchschnittlich viel Sonne, ein Tick zu warm (plus 1,3 Grad) und etwas zu trocken (minus vier Prozent Niederschlag). Aber Durchschnittswerte sind eben Durchschnittswerte.
Ausnahmezustand: Tornado verwüstet Nordosten Hamburgs
Einzelne Tage und Monate waren in diesem Hamburger Wetterjahr allerdings alles andere als durchschnittlich. Und damit ist nicht gemeint, dass es zu Pfingsten kälter war als zu Weihnachten – man ist ja inzwischen schon fast enttäuscht, wenn am Heiligabend die 15-Grad-Marke nicht geknackt wird. Aber dass es beim Osterstraßenfest am 25. April schneite, war dann vielleicht doch nicht so ganz alltäglich.
Das herausragendste Wetter-Ereignis war laut Meteorologen Kent Heinemann vom Institut für Wetter- und Klimakommunikation in Tonndorf aber ganz eindeutig der Tornado, der am 7. Juni über Hamburg hinwegfegte. Genauer gesagt: über Bramfeld, Tonndorf, Rahlstedt, Farmsen-Berne. Kleingärten wurden verwüstet, Trümmer durch die Luft geschleudert. Es entstand ein Schaden von mehreren Millionen Euro.
Die Feuerwehr rief den Ausnahmezustand aus und war mit rund 1000 Mann im Einsatz. Mindestens genauso unglaublich: Der Rest von Hamburg erlebte an jenem 7. Juni einen der schönsten Sommerabende des Jahres und konnte die Nachrichten über die angerichteten Schäden kaum glauben. Selten waren die Wetter-Unterschiede in Hamburg so groß wie an diesem Abend.
Tornado und Unwetter über Hamburg
Starkregen unterspült Autobahn 7
Bei dem einen Tornado blieb es übrigens nicht. „Das Jahr 2016 zeichnete sich durch besonders viele Tornadosichtungen in Norddeutschland aus“, sagt Kent Heinemann weiter. „Diese entstanden meist dadurch, dass Luftmassen aus Westen und aus Osten aufeinanderprallten und sich dort Gewitterzellen bildeten.“ Nur wenige Tage nach dem Tornado folgte gleich das nächste Extremwetter-Ereignis.
Mitte Juni unterspülte Starkregen die Autobahn 7, führte zu einer Vollsperrung der Autobahn und erneut zu einem Großeinsatz der Rettungskräfte. Was für ein Sommer! Turbulent ging es im August weiter, als erneut ein Unwetter Bäume umstürzen ließ, Trümmer auf die Straßen wirbelte, Blitze einschlagen und Straßen überfluten ließ. Am Flughafen Hamburg musste sogar die Gepäckabfertigung unterbrochen werden.
Alles andere als durchschnittlich war auch der September, der die Hamburger für den bis dahin von Regen und Sturm geprägten Sommer entschädigte. „Der September war 8,8 Grad wärmer als im Durchschnitt, dazu hatten wir rund zwei Wochen am Stück hochsommerliches Wetter mit viel Sonne und nur der Hälfte des sonst üblichen Niederschlags“, sagt Heinemann.
Herbst zu kalt
Was die Hamburger im Freibad, in den Parks und Eisdielen freute, sorgte auf der A 7 für deutlich weniger Begeisterung, als sich Mitte September Tausende trotz angekündigter Vollsperrung auf die Autobahn begaben und dort der Verkehr dann stundenlang bei rund 30 Grad still stand. Die Feuerwehr musste anrücken und viele dehydrierte Autofahrer mit Wasser versorgen.
Nach dem überdurchschnittlichen September folgten ein recht unterdurchschnittlicher Oktober und ein noch unterdurchschnittlicherer November. „Das waren die einzigen Monate im Jahr, die kühler waren als das langjährige Mittel“, sagt Kent Heinemann.
Waren die Wetterextreme im Jahr 2016 nur ein Vorbote auf das, was durch den Klimawandel in den kommenden Jahren zu erwarten ist? „Grundsätzlich lässt sich der Klimawandel nicht an einem einzelnen Vorkommnis wie Starkregen ablesen, aber in der Summe der Ereignisse kann man davon ausgehen, dass sie durch den Klimawandel bedingt sind“, sagt Heinemann.
Kirschblüten im Winter: „Ganz normal“
Für den Botanischen Garten in Hamburg waren in diesem Jahr übrigens keine großen Auffälligkeiten zu verzeichnen – höchstens vielleicht, dass es im Frühjahr (wie auch in den vergangen Jahren schon) erst recht spät wärmer wurde. Wie konnte es dann sein, dass die Kirschbäume an der Alster schon Anfang des Jahres blühten? „Es handelt sich dabei um asiatische Zierkirschen, die jedes Jahr im Winter blühen“, sagt ein Mitarbeiter des Botanischen Gartens.
Sollte sich also in den kommenden Tagen wie aus dem Nichts eine rosafarbene Blütenpracht an der Alster entfalten, ist das also keinesfalls einem Extremwetter-Ereignis geschuldet oder gar als Frühlingsbote zu deuten. „Wenn die Kirschen in den nächsten Tagen blühen sollten, ist das ganz normal.“
Aber angesichts von Tornados im Hamburger Stadtgebiet, Starkregen, überspülten Straßen und dehydrierten Autofahrern ist „ganz normal“ ja zur Abwechslung vielleicht auch mal ganz schön.