Hamburg. Ältere Menschen werden oft Opfer von dubiosen Geschäftemachern. Einige Fallbeispiele – und was Experten raten.

Es können zwielichtige Angebote am Telefon sein, dubiose Versprechen über die Wirksamkeit von Heilmitteln oder die Vermittlung von unsinnigen Finanzprodukten. Ältere Menschen werden besonders häufig Opfer von Abzockern. „Das Vermögen konzentriert sich bei älteren Menschen“, sagt der Hamburger Rechtsanwalt Achim Tiffe, Partner in der Kanzlei Juest + Oprecht.

Gleichzeitig sind gerade Senioren oft besonders anfällig dafür, auf Tricks und Angebote hereinzufallen, die knapp an der Illegalität vorbeigehen. „Oftmals reichen einfache Verkaufsargumente, weil sich die Betroffenen nicht so ausführlich mit den Themen auseinandersetzen“, sagt der Jurist, der auf Verbraucherschutzthemen im Bereich Finanzdienstleistungen spezialisiert ist.

Auch in der Hamburger Verbraucherzentrale suchen immer häufiger Menschen aus der Generation 60 plus Rat und Hilfe, weil sie sich übervorteilt oder betrogen fühlen. Dabei spielt der Adresshandel eine wichtige Rolle. Betrüger und dubiose Geschäftemacher können und dürfen ganz gezielt die Adressen von Menschen einer bestimmten Altersgruppe kaufen, um diese anzurufen oder anzuschreiben. Das Abendblatt schildert fünf typische Fälle, wie Senioren in die Falle gelockt werden.

Private Rentenversicherung mit hohen Gebühren
Kerstin D. wollte 150.000 Euro anlegen. Ein Hamburger Geldinstitut riet ihr zur Sofortrente einer Versicherung. Nach der Einzahlung fließt sofort Monat für Monat eine Rente – bis zum Lebensende. In diesem Fall betrug die garantierte monatliche Rente rund 415 Euro. Die 63-Jährige hätte in diesem Fall mehr als 90 Jahre alt werden müssen, um das eingezahlte Geld komplett zurückzubekommen.

Durch eine Überschussbeteiligung kann die Rente zwar höher ausfallen, aber diese Überschüsse sind nicht garantiert. Nachdem die Verbraucherzentrale Hamburg die Vertragskosten des Versicherungsprodukts ermittelt hatte, nahm Kerstin D. davon Abstand. „Insgesamt wären es rund 7600 Euro gewesen, die von dem Geld abgezogen werden“, sagt sie. Allein die Einzahlung des Geldes hätte 1500 Euro gekostet. Das sei doch absurd.

„Wir stellen verstärkt fest, dass älteren Kunden von Banken und Sparkassen solche Sofortrenten angeboten werden“, sagt Kerstin Becker-Eiselen von der Verbraucherzentrale Hamburg. Abgesehen von den hohen Kosten sei das Produkt auch unflexibel. Denn man kommt nicht mehr an sein Geld. Nach dem Tod des Versicherungsnehmers wird das verbliebene Kapital an Erben ausgezahlt.

Experten-Tipp: „Ältere Kunden sind mit einer kurzfristig verfügbaren Geldanlage in der Regel am besten beraten“, sagt Becker-Eiselen. Zumindest sollte nicht das gesamte Geld langfristig angelegt werden, denn bei Krankheit und Pflege müssen plötzlich größere Beträge verfügbar sein. Wichtig sei, bei allen Produkten nach Kosten und Risiken zu fragen. „Niemals sollte man ein Finanzprodukt erwerben, dass man nicht versteht“, rät Becker-Eiselen. Es zahle sich aus, mehrere Angebote zur Geldanlage einzuholen und eine Vertrauensperson zu Gesprächen mitzunehmen. Geldanlagen sollte man nicht sofort abschließen, sondern erst einmal darüber schlafen oder sich zusätzlichen Rat bei der Verbraucherzentrale einholen.

Der Trick mit dem angeblichen Geldgewinn
Die Nachricht, die die Anruferin für Günter H. hatte, klang verheißungsvoll. Er habe, teilte die Dame eines vermeintlichen Sicherheitsunternehmens dem 68-Jährigen mit, bei einem Gewinnspiel einer großen deutschen Fernsehzeitschrift den zweiten Preis in Höhe von 39.450 Euro gewonnen. Das Geld sollte am Nachmittag desselben Tags durch einen Sicherheitsmann und eine Notarin vorbeigebracht werden. Kleiner Haken: Die Transportkosten in Höhe von 600 Euro müsse der Gewinner tragen.

„Die Dame am Telefon erklärte uns, dass diese 600 Euro am sichersten durch sogenannte Paysafe-Karten übergeben werden sollten“, berichtet Günter H. Diese Guthabenkarten sind an Tankstellen und Kiosken erhältlich, etwa für bargeldlose Zahlungen im Internet. Gemeinsam mit seiner Frau machte sich der vermeintliche Gewinner auf die Suche nach den Paysafe-Karten. Schon mittags rief die Gewinnvermittlerin wieder an, angeblich, um zu überprüfen, ob die Paysafe-Karten vorlägen. „Wir gaben ihr die Pin-Codes der Karten durch, weil wir glaubten, dass das Geld nur in Zusammenhang mit den Seriennummern fließen könne“, erinnert sich Günter H.

Inzwischen weiß er, dass das ein Irrglaube war. Der Termin zur Geldübergabe wurde mehrfach telefonisch verschoben. Bei einem weiteren Telefonat erklärte ein Mann, der sich als Chef des Sicherheitsunternehmens vorstellte, die Gewinnsumme betrage sogar 93.450 Euro. Dadurch erhöhten sich die Gebühren auf 4500 Euro. „Da wir diese Summe nicht durch Paysafe-Karten decken konnten, verlangte er eine Expressüberweisung.“ Günter H. verweigerte die Zahlung und blieb dabei. Schließlich brach er das Gespräch ab. Die 600 Euro aber waren weg.

Experten-Tipp: Wer nicht an einem Gewinnspiel teilgenommen hat, kann auch nichts gewinnen. Zudem gilt: Wenn vorab etwas zu bezahlen ist, unbedingt die Finger davon zu lassen. „Das hat immer einen Haken“, sagt Julia Rehberger, Juristin bei der Verbraucherzentrale Hamburg. Wird die Zahlung mittels Paysafe-Karten getätigt, kann das Geld nicht zurückgeholt werden. „Es bleibt nur, Strafanzeige zu stellen.“

Teure Wundermittel ohne Wirkung
Abgespannt und energielos, so richtig gesund hatte Silke F. sich schon länger nicht mehr gefühlt. Sie ging zum Arzt, einmal und noch ein zweites Mal. „Aber er konnte nichts feststellen“, sagt die 78-Jährige, die bis vor Kurzem noch mit dem Rad unterwegs gewesen war. In einer Zeitschrift las sie über Moringa-Pulver und dessen gute Nährwerte. „Es ist ja heute so, dass man bei den Lebensmittel auch nicht mehr weiß, was da noch an Vitaminen und Spurenelementen drin ist. Ich dachte, ein Zusatzprodukt könnte helfen“, sagt die Hamburgerin. Im Internet machte sie sich auf die Suche. „Die Auswahl war sehr groß und unübersichtlich“, sagt Silke F. Schließlich entschied sie sich für ein hoch dosiertes Produkt mit einem Kilopreis von knapp 40 Euro plus Versandkosten.

In den folgenden Wochen nahm sie das Mittel wie empfohlen täglich ein. „Aber es hat sich nichts geändert“, sagt die Seniorin. Daraufhin las sie auf dem Beipackzettel noch einmal genau nach. Zwar hatte der Hersteller die positiven Eigenschaften des aus dem Meerrettichbaum gewonnenen Mittels beschrieben, aber auch darauf hingewiesen, dass Moringa ein Lebensmittel sei – und kein Medikament.

Bei der weiteren Recherche stieß Silke F. auf Berichte, die die angeblichen Superkräfte deutlich relativierten und ihr einen ordentlichen Schreck einjagten. Mehrfach hatte es Warnungen und Rückrufaktionen gegeben, weil in Moringa-Produkten Schadstoffe wie Pflanzenschutzmittel oder sogar Salmonellen festgestellt worden waren, die Übelkeit und Erbrechen hervorrufen. „Auch wenn das bei mir nicht so war, habe ich das Pulver nicht mehr angerührt.“ Erst stand es noch im Schrank, inzwischen ist es im Abfalleimer gelandet. „Viel Geld für nichts“, sagt Silke F. ärgerlich.


Experten-Tipp: Silke Schwartau, Ernährungsberaterin bei der Verbraucherzen­trale Hamburg, rät dringend davon ab, bei Verdacht auf eine Mangelerscheinung auf gut Glück vermeintliche Wunderpflanzen einzunehmen. Vor allem bei Bestellungen über das Internet seien Hersteller und Produktionsmethoden nicht nachvollziehbar. „Gerade wenn die Produkte aus dem außereuropäischen Ausland kommen, können sie in Deutschland verbotene Stoffe enthalten oder auch Verunreinigungen“, sagt die Verbraucherschützerin. Rechtlich gegen den Anbieter vorzugehen sei so gut wie unmöglich, wenn dieser seinen Sitz in asiatischen Ländern hat. Silke Schwartau rät: Nachdem ein Mangel diagnostiziert ist, sollte man zunächst versuchen, den Mangel durch Änderung der Ernährung auszugleichen.

Angebliche Anrufe bei der Sex-Hotline
Als Herman G. den Brief mit einem Absender in Tschechien aus dem Briefkasten holte, wunderte er sich schon. Beim Lesen hinter der Wohnungstür trat ihm die Schamesröte ins Gesicht. Er habe an mehreren Terminen im Vormonat bei einer Sex-Hotline angerufen, teilte eine vermeintliche Inkassofirma mit. Es folgten mehrere Daten und Telefonnummern. „Ich wurde aufgefordert, 90 Euro pro Anruf auf ein Konto in der Tschechischen Republik zu überweisen“, sagt der 74-jährige Hamburger. „Letzte Mahnung“ prangte in dicken Buchstaben ganz oben auf dem Briefbogen.


Er habe nie bei einer Sex-Hotline angerufen, sagt G. entrüstet. „Daran würde ich mich doch erinnern.“ Zunächst habe er an ein Versehen gedacht, die Daten der angeblichen Anrufe sogar in seinem Kalender nachgeschlagen. Dann kamen die Zweifel: Vielleicht hatte er oder seine Ehefrau sich ja verwählt und gar nicht bemerkt, wohin der Anruf ging? Letztlich war Herman G. die ganze Sache so peinlich, dass er das Geld überwies. Erst danach sprach er mit seiner Frau. Gemeinsam rekonstruierten sie die vermeintlichen Termine für die Anrufe. Dabei wurde klar, dass sie gar nicht von ihrem Anschluss aus geführt worden sein konnten. Leider zu spät: Das Geld war bereits abgebucht.

Experten-Tipp: „Diese Unternehmen setzen auf die Anständigkeit und die Schamgefühle der Menschen“, sagt der Hamburger Rechtsanwalt Thomas Laske. Er rät dazu, solche Zahlungsaufforderungen zu ignorieren. Besonders wenn gleich im ersten Brief von „Letzter Mahnung“ die Rede sei, könne man schon absehen, dass etwas faul sei. „Wenn das Geld überwiesen ist, ist es weg“, sagt der Jurist, der auch für die Verbraucherzen­trale tätig ist. Es handele sich um dubiose Firmen, die mit häufig wechselnden Namen agierten.

Wenn die Versicherung einfach den Vertrag kündigt
Seit mehr als 40 Jahren ist Christa S. (81) bei derselben Assekuranz versichert. Autounfälle hatte sie bis vor wenigen Jahren keine. Doch 2014 passierte das Missgeschick beim Ausparken, ein Jahr später streifte sie ein Fahrzeug vor der Volkshochschule und vor wenigen Monaten gab es auf der Nachhausefahrt eine leichte Berührung mit einem anderen Auto. Die kleinen Schäden an ihrem Pkw ließ die Rentnerin selbst reparieren, denn sie wollte, wie sie sagte, „die Versicherung nicht unnötig belasten“. Doch vor wenigen Wochen nun bekam sie einen Anruf ihres Versicherungsmaklers, der ihr mitteilte, dass der Versicherer der treuen Kundin zum Jahresende kündige. Sie müsse sich nun eine neue Assekuranz suchen. Auf den ersten Schock folgte Unverständnis und die Fragen: Dürfen die das? Was mache ich jetzt?


Experten-Tipp: Die Versicherung darf nicht einfach so kündigen. Sie muss Christa S. zumindest ein Haftpflichtangebot unterbreiten. Dieses kann allerdings höher als bisher ausfallen oder schlechtere Konditionen (zum Beispiel schnellere Rückstufung beim nächsten Schadensfall) aufweisen. „Die Kfz-Haftpflichtversicherung ist für den Fahrzeughalter Pflicht. Deshalb gibt es auch bei den Versicherungsunternehmen einen sogenannten Kontrahierungszwang“, sagt Kathrin Jarosch vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft. „Versicherer dürfen Kunden nicht ablehnen.“ Allerdings seien sie frei in der Tarifgestaltung. Christa S. hat sich nach einer Beratung durch ihren Sohn doch einen anderen Versicherer gesucht, weil dieser ihr ein deutlich günstigeres Angebot als ihre bisherige Assekuranz unterbreitet hat.

Einen Aktionstag „Das Älterwerden meistern“ mit kostenloser Beratung bietet die Verbraucherzentrale Hamburg (Kirchenallee 22,
St. Georg) am 20. Januar ab 10 Uhr an.