Hamburg. Mietpreisbremse, Courtage und Zwangsvermietung: Eine Debatte zwischen den Chefs des Mietervereins und des Immobilienverbandes Nord.

Mietpreisbremse, neue Maklercourtage-Regelung, Gentrifizierungsdebatte und Zwangsvermietungen – über diese und andere Themen diskutierten Siegmund Chychla, Chef des Mietervereins zu Hamburg, und Axel-H. Wittlinger, Chef des Immobilienverbands Nord (IVD), der unter anderem Makler und Immobilienverwalter vertritt.

Das 2015 eingeführte Bestellerprinzip, wonach der Vermieter den Makler bezahlt, sorgt nach wie vor für Unruhe. Haben Sie sich damit abgefunden?

Axel - H. Wittlinger: Ich halte diese Regelung nach wie vor für falsch. Sie hat für die Mieter kaum etwas Positives erbracht. Wir Immobilienmakler sind jetzt Dienstleister für den Wohnungsvermieter oder Immobilienverkäufer. Wenn ein Mieter Rat sucht, muss er sich an jemand anderen wenden.

Immerhin muss der Vermieter jetzt die Kosten für den Makler tragen. Ist das nicht gerechter?

Wittlinger: Ich sehe mehr Nachteile für die Mieter, weil der Markt sich verändert hat und noch weniger Mietwohnungen als bisher angeboten werden. Der Vermieter ist glücklich, wenn der bisherige Mieter einen Nachmieter stellt. Wohnungen werden also vermehrt im Bekanntenkreis weitergegeben. Mieter, die nur für eine gewisse Zeit in einer anderen Stadt arbeiten und später nach Hamburg zurückkommen wollen, vermieten die Wohnung unter. Auch in diesem Fall schauen Wohnungssuchende vermehrt in die Röhre.

Entpuppt sich das Bestellerprinzip als Eigentor für die Mieter?

Siegmund Chychla: Grundsätzlich nicht. Der Vermieter ist Auftraggeber des Maklers und muss ihn jetzt auch bezahlen. Für den Mieter sinken also die Kosten.

Mieter berichten vermehrt von hohen „Abstandszahlungen“ für den berühmten Küchenschrank. Fließt die Maklercourtage jetzt in Wahrheit also an den Vormieter?

Chychla: Zu hohe Abstandssummen bei Wohnungen, die besonders nachgefragt werden, gab es immer. Wenn der Abstand in keinem Verhältnis zu dem verkauften Gegenstand steht, kann der Mieter sie drei Jahre zurückverlangen.

Einige Mieter bieten ihre Wohnungen auf Ferienwohnungsportalen wie Airbnb an. Sind Sie sich im Kampf gegen diese Art Missbrauch von Mietwohnungen einig?

Chychla: Ja. Wir sind gegen derartige Untervermietungen, die einer Hotelnutzung ähneln, weil sie das Wohnungsangebot weiter verknappen und es ordnungswidrig ist, wenn man mehr als die Hälfte der eigenen Wohnung gewerbsmäßig untervermietet.

Wittlinger: Einen Teil der eigenen Mietwohnung oder die gesamte gemietete Wohnung auf so einem Portal anzubieten ist eine Form von Zweckentfremdung. Der Mieter erwirtschaftet dadurch eine Zusatzrendite, indem er das Eigentum eines anderen missbraucht. Zudem entgehen dem Staat Gewerbe- und Mehrwertsteuer.

Unternimmt die Stadt zu wenig gegen derartige Angebote?

Wittlinger: Aus meiner Sicht ja. Wir erwarten von den Bezirken, dass derartige Verstöße stärker verfolgt oder Lösungen gefunden werden, die beispielsweise den Hotels nicht zu sehr schaden und Steuergerechtigkeit sicherstellen.

Chychla: Ich bin für das Recht des Mieters, seine Wohnung im Falle des berechtigten Interesses auch über eine längere Zeit unterzuvermieten – allerdings zu einer ortsüblichen Miete nach dem Mietenspiegel. Eine Art Hotelnutzung wie bei Airbnb sollte hingegen verboten sein.

Das Bezirksamt Mitte hat jetzt angekündigt, leer stehende Wohnungen zwangszuvermieten. Ist das der richtige Weg?

Wittlinger: Das sind Ausnahmefälle. Die meisten Vermieter lassen ihre Wohnungen nur leer stehen, weil diese modernisiert werden. Ansonsten gilt: Eine leer stehende Wohnung bringt kein Geld. Sie kostet nur.

Chychla: Das Vorgehen des Bezirks Mitte ist beispielhaft und sollte auch in anderen Bezirken durchgesetzt werden. Wenn man sich zum Beispiel das Schanzenviertel anschaut, so gibt es dort sehr wohl spekulativen Leerstand. Für eine entmietete Wohnung können bis zu 30 Prozent höhere Preise erzielt werden.

Wittlinger: Ohne spekulativen Leerstand verteidigen zu wollen, so ist die Angelegenheit, wenn man sich den konkreten Fall anschaut, oftmals komplizierter. Wir erleben es inzwischen beispielsweise bei Rotklinkerbauten, die in den 50er- und 60er-Jahren errichtet wurden. Diese müssten saniert werden, was die Miete um zwei bis drei Euro pro Quadratmeter ansteigen lassen würde. Am Ende aber ändert sich an der Zahl der Wohnungen nichts, und der Vermieter hat auch nicht so viel davon. Wie wäre es, wenn wir quartiersmäßig denken würden, das Haus entmieten, abreißen und an gleicher Stelle ein neues Gebäude errichten. Allerdings eines, das sechs statt drei Etagen hat. Die früheren Mieter kehren in ihre sanierten Wohnungen zurück. Neue Mieter kämen hinzu, und neuer Wohnraum würde zur Marktmiete vermietet oder als Eigentumswohnung geschaffen.

Chychla: Das ist nichts Neues. Wohnungsgenossenschaften und die Saga machen das seit einigen Jahren in ihren Beständen, und wir sind nicht grundsätzlich dagegen. Entscheidend ist, dass für die bisherigen Mieter die vorherigen Konditionen weiter gelten.

Das klingt nach einem Grundrecht auf lebenslanges, günstiges Wohnen in guter Lage. Ist das nicht ungerecht gegenüber jenen, die später nach Hamburg gekommen sind?

Chychla: Das Bundesverfassungsgericht hat Mietern in bestimmten Fällen eigentumsähnliche Rechte an ihren Mietwohnungen zugestanden. Es gibt gesetzliche Regeln, die genau festlegen, was Mieter und Vermieter dürfen. Ein Anspruch des Vermieters auf die maximale Gewinnerzielung gehört nicht dazu.

Die Politik sagt seit Jahren, dass Neubau die beste Mietpreisbremse ist. In Hamburg wurden seit 2011 mehr als 30.000 neue Wohnungen gebaut. Die Mieten steigen trotzdem. Ist die These also falsch?

Wittlinger: Die Mieten sind in den vergangenen Jahren in der Tat gestiegen. Derzeit hat sich der Preisanstieg in vielen Marktsegmenten deutlich verlangsamt. Im hochpreisigen Segment verzeichnen wir sogar rückläufige Mieten! Zudem brauchen Makler inzwischen mehr Zeit, eine Wohnung an den Mann zu bringen, und oft können Preiswünsche der Vermieter nicht mehr erfüllt werden. Ich verweise allerdings darauf, dass seit dem Jahr 2009 die Durchschnittseinkommen der Menschen in Hamburg um 23 Prozent gestiegen sind.

Chychla: Die allgemeine Aussage, dass die Mieten nicht mehr steigen, ist unzutreffend. Richtig ist, dass in Neubauten bei 15 Euro Miete pro Quadratmeter das Ende der Fahnenstange sichtbar wird. Mieten im unteren Bereich steigen aber nach wie vor stark.

Können Sie Beispiele nennen?

Chychla: Rahlstedt, Wilhelmsburg, Stellingen und Harburg sind Stadtviertel, in denen die Mieten steigen. Die Entwicklung macht auch an der Stadtgrenze nicht halt. Reinbek, Ahrensburg und Pinneberg sind inzwischen auch betroffen. Die durchschnittliche Leerstandsquote in Hamburg ist mit 0,6 Prozent eine der niedrigsten in Deutschland.

Wittlinger: Aus meiner Sicht ist der Wohnungsmarkt in Hamburg normal. Wir haben – auf das Jahr berechnet – einen Mieterwechsel von acht bis zehn Prozent: Das sind immerhin ca. 55.000 Wohnungen im Jahr. Es ist also Bewegung im Markt, man findet noch Wohnungen. Sicher, je näher zur Innenstadt man sucht, umso schwieriger ist es.

Chychla: Wer heute umziehen will, muss für eine vergleichbare Wohnung trotz der Mietpreisbremse drei bis fünf Euro mehr pro Quadratmeter bezahlen. Inzwischen ist der Wohnungswechsel selbst für Menschen mit einem mittleren Einkommen kaum mehr möglich.

Was ist problematisch an Quartieren, in denen Menschen derselben Einkommensklasse leben?

Chychla: Wir glauben, dass gemischte Stadtviertel lebendiger und lebenswerter sind. Früher war das doch auch möglich. In Häusern aus der Gründerzeit blieben die einzelnen Etagen unterschiedlichen Einkommensgruppen vorbehalten; die Beletage den Wohlhabenden, und oben unter dem Dach wohnten die Dienstboten. An der Straße im Vorderhaus wohnten die Vermögenden, und je tiefer sie in die Innenhöfe kamen, desto kleiner und billiger wurden die Wohnungen. Mittlerweile sind Monostrukturen entstanden.

Wittlinger: Was so verallgemeinert natürlich nicht stimmt. Nehmen Sie die Gegend um den Schlump. Dort wohnen Studenten, Familien, Rechtsanwälte, Professoren, Alleinerziehende. Am Ende sind die Menschen auf der Suche nach Urbanität. Durchmischung selbst ist – auf die lange Sicht betrachtet – schwer zu steuern.

Der rot-grüne Senat setzt auf soziale Erhaltensverordnungen, um Gentrifizierung zu verhindern. Ist das der richtige Weg?

Wittlinger: Bestehende Viertel sollte man sich entwickeln lassen. Gentrifizierung hat beispielsweise dazu geführt, dass St. Georg sich zu einem interessanten Quartier entwickelt hat. Attraktiv wurde das Viertel, weil man den Hausbesitzern weitgehend freie Hand ließ. Bei Neubaugebieten sollte man steuern, was durch den sogenannten Drittelmix auch geschieht. Jedes neue Wohnprojekt in Hamburg muss zu einem Drittel aus Sozialwohnungen bestehen.

Chychla: Soziale Erhaltensverordnungen können Gentrifizierung nicht verhindern, sondern lediglich die für Mieter negativen Veränderungen abmildern. Man gewinnt Zeit, damit jene, die nicht so viel Geld haben, zu einer vertretbaren Miete in ihrer angestammten Wohnung bleiben können. Aus meiner Sicht sind Erhaltens- und Umwandlungsverordnungen neben der Kappungsverordnung und der Mietpreisbremse die richtigen Instrumente der Stadtentwicklungspolitik.

Wie würde eine Stadt aussehen, wenn auf jegliche Regularien konsequent verzichtet würde?

Chychla: Wie London, wo man derzeit keine Wohnung findet, die weniger als 30 Euro Miete pro Quadratmeter kostet. Deshalb müssen Hunderttausende Menschen aus den Vorstädten täglich zwischen 60 und 70 Kilometer zum Arbeitsplatz fahren, weil für sie die Wohnungen in der Stadt nicht zu bezahlen sind.

Wittlinger: Ich halte das für überzogen. Bei Neubauten sind in Hamburg im Durchschnitt maximal 15 Euro Miete pro Quadratmeter realisierbar. Mehr können und wollen die Mieter nicht bezahlen.

Woher nehmen Sie die Sicherheit, dass die Mietpreise nicht weiter steigen werden?

Wittlinger: Am Ende muss ein Mieter die Miete auch bezahlen können. Mehr als 30 Prozent des Haushaltseinkommens für die Wohnung auszugeben, das geht eigentlich nicht. Das ist die Grenze. Wir erleben gerade im Neubaubereich, dass diese Grenze erreicht ist.

Müssten nicht verstärkt kleinere Wohnungen gebaut werden, um den Bedarf decken zu können?

Wittlinger: Die Zahlen sprechen jedenfalls dafür. Gut 55 Prozent der 932.000 Wohnungen in Hamburg werden von Singles bewohnt. Jedem Hamburger stehen im Durchschnitt 46 Quadratmeter zur Verfügung. Wenn damit aber jeder knapp 50 Quadratmeter für sich hat: Können wir da noch von Mangel sprechen? Wir müssten nicht mehr über das Thema bezahlbarer Wohnraum reden, wenn jeder im Schnitt nur 35 Quadratmeter bewohnen würde.

Chychla: Bei neu errichteten Wohnungen sind wir inzwischen bei einer Durchschnittsgröße von rund 100 Quadratmetern angelangt. 80 Prozent der Menschen können diese Wohnungen bei einer Neuvermietung aber nicht bezahlen. Hinzu kommt, dass ein immer größer werdender Teil des modernen Lebens sich im öffentlichen Raum abspielen wird. Deshalb plädiere ich dafür, vermehrt kleinere, auf Singlehaushalte zugeschnittene Wohnungen mit etwa 50 Quadratmetern zu bauen. Zudem sollte die Stadt Mieter finanziell fördern, die aufgrund der veränderten Haushaltsgröße bereit sind, in kleinere Wohnungen umzuziehen. Derzeit ist es doch so, dass viele nur deshalb nicht umziehen, weil sie die hohen Mieten für die kleineren Wohnungen nicht zahlen können.

Wittlinger: Einpersonenhaushalt heißt ja nicht Einraumhaushalt. Gefragt sind intelligente Lösungen für kleinere Zweieinhalbzimmerwohnungen. Dann ist eine Warmmiete für weniger als 1000 Euro drin. Dorthin geht der Trend.