Hamburg. Die Polizeipräsenz wurde noch einmal deutlich erhöht, Beamte tragen zudem Maschinenpistolen. Was Besucher und Händler sagen.
Unter dem Eindruck des mutmaßlichen Terroranschlags von Berlin haben Innensenator Andy Grote (SPD), Polizeipräsident Ralf Martin Meyer und Torsten Voß, Chef des Hamburger Verfassungsschutzes, angekündigt, die Sicherheitsmaßnahmen in Hamburg zu erhöhen. „Wir werden die Schutzmaßnahmen hochfahren, die Polizeipräsenz rund um die Weihnachtsmärkte wird erhöht, die Polizei wird sichtbarer sein", sagte Grote. „Kollegen werden Schutzwesten tragen und Maschinenpistolen dabeihaben“, ergänzte Meyer. Es gebe aber keine konkreten Hinweise auf geplante Anschläge in Hamburg.
Angedacht seien auch Absperr- und verkehrslenkende Maßnahmen rund um die Weihnachtsmärkte, sagte Grote. Am Abend wurde bereits der "Winterzauber"-Weihnachtsmarkt auf dem Jungfernstieg mit mächtigen Zufahrtssperren geschützt. Mit einem Lkw wurden die massiven Betonblöcke, die Ähnlichkeit mit übergroßen Legosteinen haben, herangefahren und anschließend rund um das Areal aufgestellt. Offenbar sollen ab Mittwoch auch die Weihnachtsmärkte auf dem Rathausmarkt und auf St. Pauli durch solche Zufahrtsperren geschützt werden.
Bereits am Nachmittag wurden in der Hamburger Innenstadt zahlreiche Lkw überprüft. Grote fügte hinzu, er sei mit den Innenministern der anderen Bundesländer überein gekommen, dass alle Weihnachtsmärkte geöffnet bleiben sollen. Für die Weihnachtsmärkte in Berlin sei aus Pietätsgründen aber eine Schließung für einen Tag angeregt worden. Zudem sollen die Sicherheitsmaßnahmen bei anstehenden Großereignissen wie dem heutigen Bundesligaspiel des HSV gegen Schalke 04 und während der Silvesterfeier auf der Reeperbahn erhöht werden.
Grote warnte aber davor, unter dem Eindruck von Berlin die eigene Lebensweise zu ändern – dies sei bekanntlich das Ziel der Terroristen. „Terroristen dürfen keine Macht darüber erhalten, wie wir hier leben“, sagte Grote.
Schweigeminute auf Hamburger Weihnachtsmärkten
Die großen Hamburger Weihnachtsmärkte haben einen Tag nach dem Anschlags auf einen Berliner Weihnachtsmarkt zwar wie geplant geöffnet, stehen aber unter dem Eindruck der Ereignisse des Vorabends. Um 18 Uhr wurde unter anderem auf dem Hamburger Rathausmarkt der Opfer von Berlin gedacht. Über Lautsprecher wurden die Menschen zu einer Schweigeminute aufgefordert. „Wir sind in Gedanken bei den Opfern und den Angehörigen“, hieß es in dem Aufruf. Der Flug des Weihnachtsmanns, eine der Traditionen des Weihnachtsmarktes, bei der ein Weihnachtsmann-Darsteller in einem Schlitten sonst mehrmals am Tag über die Stände schwebt, fiel aus.
Leitartikel: Zertrümmerte Träume
Auch auf St. Pauli gedachte man am Abend der Opfer des Attentats. Wo sonst sehr laut und ausgelassen gefeiert wird, wurde am Abend eher zurückhaltende Musik gespielt. Die "Klubhaus"-Fassade am Spielbudenplatz erstrahlte mit einer schwarz-rot-goldenen Trauerschleife und dem Schriftzug "Ich bin ein Berliner".
"Ein Zeichen für Freiheit und Toleranz setzen"
Neben dem Adventsbasar vor dem Rathaus wehen zudem Deutschland- und Hamburg-Flagge auf Halbmast, Trauerflor ist am Rathaus angebracht. „Wir haben heute die Musik abgestellt, das Karussell verzichtet auf Beschallung, und auch unser Weihnachtsmann im Gespann wird heute nicht über die Köpfe der Besucher fliegen“, sagt Marktsprecherin Heide Mombächer. „Wichtig nach dieser schrecklichen Tat in Berlin ist aber, dass wir mit der Öffnung unseres Marktes ein Zeichen für Freiheit und Toleranz setzen.“ Alle Händler auf dem Rathausmarkt seien in Gedanken bei den Opfern, den Freunden und Familien, jedoch auch bei den Händlern und allen, die diesen mutmaßlichen Terroranschlag miterleben mussten, sagt Mombächer. Es wäre aber falsch, nun die Weihnachtsmärkte zu schließen.
Etliche Besucher haben ein mulmiges Gefühl
Alle Buden vor dem Rathaus und am Jungfernstieg waren am Dienstag geöffnet. Zuvor hatten sich die Innenminister von Bund und Ländern gegen eine Absage von Weihnachtsmärkten und ähnlichen Veranstaltungen in Deutschland ausgesprochen. „Wir müssen den Menschen die Gelegenheit geben, in der Öffentlichkeit ein Zeichen gegen den Terror zu setzen“, sagt Rathausmarkt-Sprecherin Mombächer. Deshalb sei es wichtig, den Weihnachtsmarkt geöffnet zu lassen.
„Wir sind schon mit einem mulmigen Gefühl hergekommen“, sagt Silvana Otto, die mit ihrem Mann Axel aus Lübeck angereist ist. „Der Anschlag erinnert einen daran, dass es immer und überall passieren kann.“ Das Ehepaar hätte sich trotzdem für seinen Hamburg-Besuch entschieden: „Sich im Keller einzuschließen, ist ja keine Lösung“, sagt Axel Otto. Man hoffe nun eben immer, nicht zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein, „denn einen absoluten Schutz gibt es ohnehin nicht“, so Silvana Otto. „Wir wollen auch mit unseren Kindern noch einmal wiederkommen.“
"Richtiges Signal, den Markt geöffnet zu lassen"
Die Händler am Rathausmarkt wollen ihren Kunden indes weiter eine besinnliche Zeit vermitteln. „Natürlich werden wir heute dauernd darauf angesprochen“, sagt Giuseppe Galante. Irgendwo müssten die Leute mit ihren Gedanken hin. Insofern sei es das richtige Signal, den Markt geöffnet zu lassen. „Ich habe volles Vertrauen in unsere Sicherheitsbehörden“, sagt auch Händler Benjamin Winter. Er fühle sich weder sicherer noch unsicherer mit Polizeischutz. „Man sollte grundsätzlich keine Angst auf dem Weihnachtsmarkt haben müssen“, sagt er.
Eine Einschätzung, die Marktsprecherin Heide Mombächer teilt: „Erst vor ein paar Tagen hat eine ältere Frau zu mir gesagt, wie schön sie es findet, dass hier ganz viele unterschiedliche Sprachen zu hören sind. Das sollte uns davor bewahren, jetzt irgendeinen Personenkreis unter Generalverdacht zu stellen.“
Besucher verurteilen Anschlag als feige Tat
Auch auf dem Weihnachtsmarkt auf der Fleetinsel ist der Anschlag in Berlin das beherrschende Thema. Mehrere Verkäufer auf dem Markt bringen den terroristischen Anschlag in Berlin mit Flüchtlingen in Verbindungen und kritisieren die aktuelle Flüchtlingspolitik der Bundesregierung. Dabei beziehen sie sich auf Meldungen, wonach der Tatverdächtige als Flüchtling nach Deutschland gekommen sei. „Wir müssen helfen, keine Frage“, sagt etwa Verkäufer Kalle, der aus Bremen stammt und auf dem Weihnachtsmarkt eine Bratwurststand betreibt. „Aber so viele Menschen unkontrolliert ins Land zu lassen, das geht nicht.“
Auch eine Frau, die ihren Namen nicht im Internet lesen möchte, sagt, sie habe kein Verständnis dafür, "dass die Menschen, die zu uns kommen, nicht wenigstens richtig kontrolliert werden". Sie selbst habe in einer Flüchtlingseinrichtung geholfen und viel Leid gesehen. "Ich habe aber auch viele junge muskulöse Männer mit Kurzhaarschnitt gesehen, bei denen ich mich schon gefragt habe, wie die zu den anderen Flüchtlingen passen."
Einschüchtern lassen will sich doch von einem solchen Ereignis niemand. „Es wäre traurig, wenn die Menschen sich von so einer Tat beeinflussen ließen“, sagte Kalle, Er selbst will sein Leben und seinen Job nicht ändern. „Wenn ich morgens über die Straße gehe, kann ich auch überfahren werden.“ Allerdings sei der Anschlag eine feige Tat gewesen, die ihn wütend mache.
Stefan, der wie die anderen nur seinen Vornamen nennen will, zuckt mit den Achseln. „Dass wir unser Leben ändern, das ist doch genau das, was die Terroristen erreichen wollen.“ Er gehe in der Weihnachtszeit zwei Mal in der Woche auf den Markt, um hier Mittag zu essen. „Das wird auch so bleiben.“