Hamburg. Sie befürchten Verschattung der HafenCity. Baubeginn für Einkaufszentrum und 500 Wohnungen ist Anfang 2017.

Die friedliche Stimmung unter der 15 Meter hohen Tanne des Weihnachtsmarkts auf dem Boulevard täuscht: Hinter den Kulissen der HafenCity herrscht Streit. Grund sind die Pläne für das südliche Überseequartier. Auf dem 85.000 Quadratmeter großen Grundstück soll binnen sechs Jahren ein Koloss mit einer mehr als dreimal so großen Nutzfläche entstehen – inklusive Einkaufszentrum, Hotels, Kinos, Büros und 500 Wohnungen.

Protest auch gegen mangelnde Informationen

Das Immobilienunternehmen Unibail-Rodamco aus Paris will direkt am Ufer der Norderelbe annähernd eine Milliarde Euro investieren. Die Tiefbauarbeiten beginnen Anfang 2017. Doch der bisher zaghafte Widerstand im Viertel wird lauter; und die aus Geschäftsleuten und Anwohnern bestehende Initiative „Lebenswerte HafenCity“ gewinnt an Zulauf. Die Kritiker befürchten, dass sich der neue Stadtteil in die falsche Richtung entwickelt. Protest gibt es gegen die Bebauung, aber auch über die angeblich mangelhafte Informationspolitik und Diskussionskultur. Die Bürger, so die Sorge, sollen mit zwar einsehbarer, indes schwer durchschaubarer Bauplanungsbürokratie vor vollendete Tatsachen gestellt werden.

Dialog ist nötig

„Ich habe Verständnis für die Befürchtungen“, sagt Frank Engelbrecht, Pastor der Hauptkirche St. Katharinen. „Das Projekt ist noch nicht zu Ende diskutiert.“ Sein Appell an Politik, Verwaltung und Bauherren: „Es würde die Umsetzung stärken, wenn ein fruchtbarer Dialog in Gang gesetzt wird.“ Es lohne sich, „lokale Kompetenz“ anzuhören und zu berücksichtigen.

Bei einem Termin des anpackenden Pastors mit Mitgliedern der Initiative im Forum StadtLandKunst am Sandtorpark Ende vergangener Woche ging es um Details des Widerstands gegen den Betonkoloss. „Die Qualität städtischer und privater Räume wird geopfert zugunsten eines überdimensionalen Ensembles, das es nach den erklärten Zielen der Stadt so gar nicht geben sollte“, sagt die Architektin Iris Neitmann. „Was wir an der HafenCity schätzen, geht verloren. Viele werden wegziehen.“

Höher und breiter als vorgesehen

Konkret geht es um eine angeblich viel breitere und mehrere Geschosse höhere Bebauung als ursprünglich vorgesehen und veröffentlicht. Dadurch würden Sichtachsen zerstört, zum Beispiel der bisher freie Elbblick vom Sandtorpark aus. Als Konsequenz drohten stärkerer Windzug und erheblich mehr Schatten. Bei den erwarteten 50.000 Besuchern des Einkaufszentrums pro Tag und Anlieferungen per Lkw sei das bisherige Verkehrskonzept nicht mehr haltbar. „Es wird ein Klotz in die HafenCity gesetzt“, sagt Mitstreiter Christoph Wesche. „Dann gibt es mehr Beton als Bäume.“ In einem persönlichen Schreiben vom 14. Dezember an Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) tat die Initiative ihre Sorgen kund.

Keine Rotlicht-Etablissements

Sollten beide Seiten aufeinander zugehen, ist Eile geboten. „Der Bebauungsplan-Entwurf HafenCity 15 für das südliche Überseequartier hat zurzeit noch keine Vorweggenehmigungsreife“, sagt Magnus-Sebastian Kutz, Sprecher der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen. „Diese wird jedoch noch in diesem Monat erwartet.“

Die HafenCity Hamburg GmbH weist die Vorwürfe zurück. Es habe ausreichend öffentliche und frei zugängliche Gesprächsrunden und Erläuterungssitzungen gegeben. Auch sei die Höhe der Gebäude im Vergleich zur vorherigen Planung „weitgehend identisch“. Zwar werde das Hochhaus an der Kreuzung Überseeallee/Am Sandtorpark punktuell um sechs Meter und zwei Stockwerke in der Spitze erhöht, teilt André Stark im Auftrag der Gesellschaft mit, um an anderen Stellen zehn Meter tiefer auszufallen. Eine von der Initiative vermutete Integration von Spielhallen oder gar Rotlicht-Etablissements sei „ausgeschlossen“.

Mehr Verkehr befürchtet

Das Misstrauen der Kritiker bleibt. „Die Interessen der Anwohner werden nicht berücksichtigt, und der Verkehr wird weiter zunehmen“, sagt Nachbarin Sabine Dinse. Solveig Binroth, ebenfalls als Anwohnerin in der Initiative, sagt: „Das Projekt führt zu einem Verlust an Lebensqualität in der HafenCity.“ In einem Punkt zumindest gibt es Bewegung. Die Initiative nahm ein Gesprächsangebot der HafenCity GmbH an. Es ist noch im Dezember geplant.