Hamburg. Die großen Geldhäuser der Hansestadt bauten seit 1999 in der Hansestadt knapp 7000 Arbeitsplätze ab.

In einer Rede vor Wirtschaftsstudenten im Sommer 1990 wagte Ulrich Cartellieri, damals Vorstandsmitglied der Deutschen Bank, eine düstere Prognose für seine Branche: „Die Banken sind die Stahlindus­trie der Neunzigerjahre.“

Nur zeitlich habe Cartellieri falsch gelegen, sagt dazu Martin Faust, Bankenexperte an der Frankfurt School of Finance and Management. Mit rund 15 Jahren Verspätung habe eine Entwicklung eingesetzt, die dem entspricht, was der Top-Manager in seiner Rede ausdrücken wollte. Für Hamburg jedenfalls sind die Zahlen dramatisch: Betrachtet man den Zeitraum von der Jahrtausendwende bis heute, so melden die damals sechs größten Banken in der Stadt aktuell zusammengenommen etwa 7000 Arbeitsplätze weniger als zum Jahresende 1999. Der Rückgang von 18.698 auf 11.761 Stellen entspricht einem Minus von 37 Prozent.

Kleinere Institute haben Arbeitsplätze aufgebaut

Zwar haben einige kleinere Institute, etwa die Sparda oder die Privatbankhäuser Berenberg und M.M.Warburg & CO, in dieser Zeit sogar Arbeitsplätze aufgebaut. Dies kann aber die Stellenverluste bei den großen Adressen nicht annähernd ausgleichen. Unter dem Strich hat der Beschäftigungsschwund in der Branche die Hansestadt überproportional stark getroffen: In der gesamten Bundesrepublik ist die Zahl der Jobs im Bankensektor seit dem Jahr 2000 um rund 17 Prozent gesunken, für Hamburg weist die Arbeitsagentur einen Rückgang von knapp 21 Prozent auf 18.911 Stellen aus.

Mit einem Ende des Schrumpfungsprozesses sei nicht zu rechnen, so Faust – eher im Gegenteil: „Die Tendenz wird sich so fortsetzen. Der Abbau könnte sich sogar noch beschleunigen.“ Dabei handelt es sich allerdings nicht ausschließlich um tatsächliche Stellenverluste, sondern auch um Auslagerungen aus dem Geltungsbereich des Bankentarifvertrags. „Die Stellen sind dann noch da, neu eingestellte Personen arbeiten aber zu niedrigeren Löhnen“, so Faust.

Zweitgrößter Bankenstandort in Deutschland

Auch bei der Haspa ist es zu einer solchen Auslagerung gekommen: Zur Jahresmitte 2006 gingen nach Angaben der Sparkasse mehr als 600 Mitarbeiter in die Norddeutsche Retail-Service AG (NRS) und die ZVS Zahlungsverkehrs- und Transaktionsservice GmbH über, die Verwaltungsfunktionen wie Kontoführung oder Kreditservice auch für andere Geldhäuser anbieten.

Zwar hat die Hansestadt unter dem Beschäftigungsabbau in der Branche stärker gelitten als manche andere Region in der Bundesrepublik. „Hamburg ist aber noch immer der zweitgrößte Bankenstandort in Deutschland – das ist vielen nicht bewusst“, sagt Marcus Vitt, Vorsitzender des Bankenverbands Hamburg und im Hauptberuf Sprecher des Vorstands der Privatbank Donner & Reuschel.

Die aktuelle Zinssituation sei nicht nur für die Kunden, sondern auch für die Banken selbst ein Problem, räumt Vitt ein. Während es ihnen noch vor wenigen Jahren möglich gewesen sei, Geld kurzfristig für einen Zinssatz von einem Prozent anzulegen, müssten sie jetzt umgekehrt 0,4 Prozent dafür zahlen. „Diesen Minuszins geben wir nicht an unsere Kunden weiter“, so Marcus Vitt.

Zentralisierung von Verwaltungsfunktionen

Allerdings trifft dieser Belastungsfaktor die Branche in ganz Deutschland gleichermaßen. Für andere Tendenzen gilt das nicht. „Wir beobachten seit etlichen Jahren einen Trend zur Zentralisierung von Verwaltungsfunktionen“, erklärt der Bankenexperte Faust. „Anfangs wurden Funktionen aus Städten wie Kiel oder Lübeck nach Hamburg verlagert. Aber jetzt, in der nächsten Welle, profitieren die Zentralen in Frankfurt von der Zentralisierung – zulasten von Standorten wie Hamburg, Düsseldorf oder auch München.“

In den zurückliegenden Jahren wirkten sich auf den Bankenplatz Hamburg zudem einige Besonderheiten negativ aus. So war die Dresdner Bank hier traditionell sehr stark vertreten, entsprechend tief waren die Einschnitte nach der im Jahr 2008 beschlossenen Fusion mit der Commerzbank.

Zahlreiche Arbeitsplätze fielen zudem der Integration der Vereins- und Westbank in die HypoVereinsbank aus München zum Opfer; das Hamburger Traditionsinstitut wurde im Jahr 2005 auf die Muttergesellschaft verschmolzen. Seit einiger Zeit nennt die HypoVereinsbank nicht einmal mehr Arbeitsplatzzahlen für Hamburg.

Und schließlich ist die Hansestadt einer der beiden Sitze der HSH Nordbank, die während der Finanzkrise 2008/2009 nur durch Milliardenhilfen der Hauptanteilseigner Hamburg und Schleswig-Holstein vor dem Zusammenbruch gerettet werden konnte. In der Folge musste die Landesbank auch wegen harter Auflagen der EU-Kommission zahlreiche Stellen abbauen.

Fortsetzung des Konsolidierungstrends

In den nächsten Jahren werde es der Bankensektor aber keinesfalls leichter haben, erwartet Faust: „Die Branche befindet sich im Umbruch.“ Eine wichtige Rolle spielt dabei die immer strengere Regulierung durch die Aufsichtsbehörden. So wird den Instituten zum Beispiel die Wertpapierberatung ihrer Kunden angesichts zunehmender Dokumentationspflichten erschwert.

Allerdings haben es sich die Geldhäuser nach Auffassung von Faust selber zuzuschreiben, dass die Behörden ihnen stärker auf die Finger sehen: „In den Banken ist vieles schiefgelaufen.“ Fraglos belasteten die steigenden Kosten im Zusammenhang mit der Regulierung die kleineren Kreditinstitute relativ mehr als die großen. Daher sei künftig mit Zusammenschlüssen gerade unter Sparkassen und Volksbanken zu rechnen.

Auch Vitt erwartet eine Fortsetzung des Konsolidierungstrends. Der Bankenstandort Hamburg habe aber Chancen, die es zu nutzen gelte: „Die Kreativwirtschaft hat hier eine starke Stellung. Das bietet ein großes Potenzial für Kooperationen über klassische Sektorgrenzen hinweg.“ Die CDU-Bürgerschaftsfraktion fordert sogar vom Senat, Hamburg zu einem deutschen Zentrum für sogenannte FinTech-Firmen zu machen, um den „Status als wichtiger Finanzplatz in Deutschland nicht zu verlieren.“