Hamburg. Hans-Walter Peters, Chef des Bundesverbands Deutscher Banken, über EZB-Politik, richtige Geldanlagen und den Finanzplatz Hamburg.

Seit April ist der Chef des Hamburger Bankhauses Berenberg, Hans-Walter Peters, auch Präsident des Bundesverbands deutscher Banken. Er vertritt damit die Interessen des privaten Sektors der Branche, vom kleinen Regionalanbieter bis zur Deutschen Bank. Das Abendblatt sprach mit Peters über das angekratzte Image der Geldinstitute und warum für Banker eine gute Beratung ihrer Kunden immer schwieriger wird.

In der Folge der Finanzkrise 2008 hatte sich die Bankenbranche vorgenommen, das ramponierte Image von Bankern wieder zu verbessern. Ist das aus Ihrer Sicht gelungen?

Hans-Walter Peters: Es ist zweifellos viel Vertrauen verloren gegangen. Man braucht viele Jahre, vielleicht Jahrzehnte, um das wieder auszugleichen. Daran müssen wir weiter arbeiten. Aber repräsentative Umfragen zeigen, dass sich rund 90 Prozent der Deutschen bei ihrer eigenen Bank gut aufgehoben fühlen. Das zeigt, dass die Branche insgesamt anders wahrgenommen wird als die Bank und der Berater, den man kennt – hier verzeichnen wir eine hohe Loyalität.

Wie gefällt es Ihnen, im Zweifel die Geschäftspolitik der Deutschen Bank verteidigen zu müssen, von der Sie sich im „Hauptberuf“ distanzieren?

Ich vertrete die Interessen der deutschen Banken insgesamt. Die privaten Banken in Deutschland sind von erfreulich großer Vielfalt geprägt. Für unsere exportorientierte Wirtschaft ist es allerdings sehr wichtig, dass es unter den deutschen Banken eine gibt, die auch künftig noch international stark aufgestellt ist – und die möglichst zu den fünf größten in Europa gehören sollte.

Müssen wir uns Sorgen machen, dass das bald nicht mehr so ist?

Gerade amerikanische Banken erzielen hohe Gewinne, sie können stark investieren und wachsen. Darin liegt ein Risiko für europäische Institute. Hinzu kommt, dass internationale Aufsichtsbehörden derzeit an einem neuen Regelwerk unter der Bezeichnung „Basel IV“ zu den Kapitalanforderungen der Banken arbeiten. Nach dem derzeitigen Diskussionsstand müssten europäische Banken in erheblichem Umfang zusätzliches Kapital aufbauen, um die Kredite damit zu unterlegen. Damit würde die Profitabilität der europäischen Institute noch weiter leiden.

Welche Auswirkungen hat die seit nunmehr sechs Jahren anhaltende Niedrigzinsphase auf die Banken?

Die aktuelle Situation tut uns richtig weh. Jeden Monat entzieht die Europä­ische Zentralbank (EZB) der Branche rund 350 Millionen Euro, weil alle Banken, die über Nacht Geld bei der EZB parken, dafür noch 0,4 Prozent zahlen müssen. Für private Kunden gibt es bisher keine Negativzinsen, für die Banken schon. Ich gehe davon aus, dass wir in den nächsten Jahren einen massiven Konzentrationsprozess in der Branche sehen werden, weil Institute diesen Herausforderungen auf Dauer nicht gewachsen sind: Banken müssen ihr Geschäft an das niedrige Zinsniveau anpassen, aber das verursacht zunächst Kosten. Außerdem müssen sie in die Informationstechnik investieren, um für die zunehmende Digitalisierung gerüstet zu sein, und die steigenden Kosten der Regulierung tragen.

Was können die Bürger tun, um in dieser Situation fürs Alter vorzusorgen?

Selbst genutzten Wohnraum zu besitzen ist immer eine gute Sache, insbesondere in einer Großstadt wie Hamburg. Allerdings sind die Immobilienpreise hier in den zurückliegenden Jahren deutlich gestiegen. Angesichts der Zinssituation wird man für Investitionen mit längerer Laufzeit an Aktien oder Fonds mit Aktienanteil nicht vorbeikommen. Man muss dabei aber akzeptieren, dass sie Wertschwankungen unterworfen sind.

Wann steigen die Zinsen wieder?

Meine Hoffnung ist, dass die Leitzinsen ab 2018 wieder steigen. Die jüngsten Äußerungen von EZB-Präsident Mario Draghi weisen allerdings noch nicht auf eine Wende hin.

Wie sieht man eigentlich im Ausland die deutsche Bankenlandschaft, die mit privaten Instituten, Sparkassen und Genossenschaftsbanken sehr dicht besetzt ist?

Mit dieser Bankenlandschaft ist Deutschland in Europa ein Exot. Aber die Bundesrepublik ist auch wegen der stark ausgeprägten mittelständischen Wirtschaft untypisch. Daher brauchen wir auch eine vielfältige Bankenbranche. In der Finanzkrise hat sie sich bewährt: In Deutschland gab es keine Probleme mit der Kreditversorgung, im Unterschied zu verschiedenen anderen Ländern.

Was bedeutet der Brexit für deutsche Banken, für die London ein wichtiger Standort im Investmentbanking ist?

Die Briten werden sicher extrem viel für den Finanzplatz London tun. Das heißt für uns: Institute, die auf dem europä­ischen Kontinent heute stark vertreten sind, müssen sich über ihre Niederlassungen in London überhaupt keine Sorgen machen. Ausländische Banken aber, die in Europa praktisch nur in London und kaum im übrigen EU-Raum aktiv sind, könnten sicher einen Teil ihres Londoner Geschäfts nach Frankfurt verlegen.

Macht es Ihnen Sorgen, dass nationalistische Tendenzen in Europa zunehmen?

Definitiv ja. Über der europäischen Idee ziehen viele dunkle Wolken auf. Dabei ist den meisten Deutschen klar, welche Vorteile zum Beispiel die gemeinsame Währung bietet. In etlichen anderen Staaten aber empfindet man das nicht so. Es ist die Frage, wer dort glaubhaft für den Zusammenhalt in Europa werbe­n kann. Im Hinblick auf die protek­tionistischen Tendenzen, die sich jetzt hier und da zeigen, halte ich die deutsche Exportwirtschaft allerdings für so gut aufgestellt, dass sie mit ge­wissen Erschwernissen zurechtkommen kann.

Wie stehen Sie dazu, dass die Regulierungsbehörden den Banken manche ihrer bisherigen Kerngeschäfte, etwa die Wertpapierberatung von privaten Kunden, immer weiter erschweren?

Ich gehe davon aus, dass sich Banken aus der Wertpapierberatung privater Kunden weiter zurückziehen werden. Von 2018 an gilt die neue europäische Richtlinie „MiFID 2“, die erhebliche Belastungen mit sich bringt. Zudem haben wir in Deutschland eine Reihe von Sonderregeln, wie etwa den verpflichtenden Einsatz von Produktinformationsblättern für Aktien oder Anleihen. Die Folge ist, dass das Angebot für Anleger, die eigentlich auf eine qualitativ gute Beratung angewiesen sind, geringer wird. Auch dies ist Folge des politisch sicher gut gemeinten Anlegerschutzes.

Seit der Jahrtausendwende sind in Hamburg unter dem Strich etliche Tausend Arbeitsplätze im Bankensektor verloren gegangen. Ist der Bedeutungsverlust des Finanzplatzes Hamburg denn nicht mehr aufzuhalten?

Hamburg ist in Deutschland noch immer der Bankenplatz Nummer zwei. Die Wirtschaft hier ist sehr stark, darum werden wir hier immer auch starke Banken haben. Zweifellos befindet sich die Branche in einem Konsolidierungsprozess. Aber Hamburg steht in dieser Hinsicht keineswegs schlechter da als andere Bankenstandorte in Deutschland.

Kurz nach Ihrer Wahl zum Präsidenten des Bundesverbands deutscher Banken wurde Berenberg in den „Panama Papers“ in Zusammenhang mit Konten für Firmen aus Steueroasen genannt. Haben Sie daran gedacht, Ihr Amt nicht anzutreten?

Nein, das war für mich kein Thema.