Hamburg. Prominente Christdemokratinnen fordern bessere Platzierung auf der Kandidatenliste zur Bundestagswahl 2017.

Dieser Vorgang ist beispiellos für die Hamburger CDU und dürfte die Partei nachhaltig erschüttern: Die Frauen in der Partei schließen sich zusammen und proben den Aufstand. In einem offenen Brief, der viel prominente Unterstützung – auch von Männern – bekommt, fordern sie: Auf den ersten drei Plätzen der Landesliste für die Bundestagswahl muss mindestens eine Frau stehen. Wie berichtet, war dieses „Quorum“, das auch in der Satzung der Bundes-CDU festgeschrieben ist, vom mächtigen 17er-Wahlausschuss, einer Art erweiterter Parteiführung, missachtet worden. Mit Herlind Gundelach soll die erste Frau erst auf dem relativ aussichtslosen Platz fünf kandidieren.

Vorgang, der sich nicht wiederholen dürfe

„Der Wahlausschuss hat das verbindliche Quorum ignoriert“, kritisierte die Landesvorsitzende der Frauen-Union, Marita Meyer-Kainer, am Mittwoch in der Parteizentrale am Leinpfad. „Das lehnen wir ab. Weder ist es zeitgemäß noch inhaltlich tragbar.“ So eine Liste zu erstellen, sei zwar keine leichte Aufgabe, ergänzte die Bürgerschaftsabgeordnete Birgit Stöver. „Aber dass ausgerechnet das Quorum missachtet wurde, ist nicht hinnehmbar. Der Wahlausschuss hat einen entscheidenden und zukunftsweisenden Punkt ignoriert“, so Stöver, die auch stellvertretende CDU-Landesvorsitzende ist.

Karin Prien, stellvertretende Fraktionsvorsitzende in der Bürgerschaft, sprach von einem „gravierenden Vorgang“, der sich nicht wiederholen dürfe. Sie sei sehr erfreut, dass die Frauen in der CDU gemeinsam auftreten: „Das war nicht immer so.“ Die drei prominenten Christdemokratinnen äußerten die klare Erwartung, dass der Parteitag, der am 8. Dezember die Liste endgültig beschließen soll, das Quorum beachtet und Gundelach doch noch auf Platz drei setzt.

Diesen Platz hatte die frühere Wissenschaftssenatorin auch 2013, als sie erstmals in den Bundestag gewählt worden war. Damals wie heute tritt die 67-Jährige im Wahlkreis Harburg-Bergedorf an. Nach Vorschlag des 17er soll dieses Mal aber Christoph de Vries (41), der Gundelach bereits als CDU-Kreischef in Hamburg-Mitte verdrängt hatte, auf Platz drei stehen, gefolgt von Christoph Ploß (31), dem neuen CDU-Chef in Hamburg-Nord, auf Platz vier. Beide stehen für eine Verjüngung und stärker konservative Ausrichtung der Partei. Davor gehen mit Marcus Weinberg (49, Altona) auf Platz eins und Rüdiger Kruse (55, Eimsbüttel) auf Platz zwei erfahrene Bundestagsabgeordnete ins Rennen um die Tickets nach Berlin.

Gundelach hat sich allerdings noch nicht endgültig festgelegt, ob sie gegen de Vries antreten wird. „Ich freue mich über die große Unterstützung von Frauen wie von Männern“, sagte sie dem Abendblatt. „Dass die Frauen in der CDU jetzt geschlossen auftreten, finde ich sensationell. Das wird meine Entscheidung sicher beeinflussen.“

Größtes Wählerpotenzial sind die Frauen

Für den unwahrscheinlichen Fall, dass Gundelach sich doch mit Platz fünf zufriedengibt, werde man eine andere Frau für Platz drei nominieren, bekräftigten Meyer-Kainer, Stöver und Prien, ohne Namen zu nennen. In dem von ihnen initiierten Brief heißt es: „Wenn die CDU die Gleichstellung nach Belieben zur Disposition stellen würde, hätte das nicht nur Auswirkungen auf ihre Wählbarkeit, sondern auch auf die Bereitschaft, sich in und für die Union zu engagieren. Das größte Wählerpotenzial der CDU sind und bleiben die Frauen.“ Unterschrieben haben den Brief schon rund 100 Unterstützer, darunter Ex-Bürgermeisterkandidat Dietrich Wersich, die früheren Staatsräte Angelika Kempfert und Reinhard Behrens, die Vorsitzende der Senioren-Union, Hermine Hecker, der Chef der Mittelstandsvereinigung MIT, Hjalmar Stemmann, sowie der Verfassungsrichter und Ex-Bürgerschaftspräsident Martin Willich.

Wenig Begeisterung beim Parteichef

Meyer-Kainer und Prien betonten zwar, dass ihr Vorstoß nicht gegen Roland Heintze gerichtet sei. Man suche mit ihm gemeinsam nach einer Lösung. Doch der Auftritt der Damen löste beim Parteichef wenig Begeisterung aus. „Ich halte es nicht für zielführend, auf diese Art und Weise der Entscheidung am 8. Dezember vorzugreifen“, sagte er und erinnerte daran, dass der Vorschlag des 17er-Ausschusses ohne Gegenstimme beschlossen worden sei.

Die Aufstiegschancen von Frauen sind in der CDU seit vielen Jahren ein Thema. 2012 war die Einführung einer Quote nur knapp gescheitert. Damals versprach man sich aber, das Drittel-Quorum freiwillig einhalten zu wollen. Dass das nicht funktioniert, dürfte die Quoten-Debatte erneut anheizen.