Hamburg. Weiblicher ist der Vorstand der Hamburger Union bisher nicht geworden. Dem Parteichef weht nun ein starker Wind ins Gesicht.
Wie er auf die Liste gelangt ist, weiß Richard Seelmaecker nicht. Schon gar nicht hat der Justizpolitiker der CDU gewollt, dass sein Name im Zusammenhang mit der Forderung nach der Einhaltung des Frauen-Quorums genannt wird. Mitte dieser Woche hatten mehr als 80 zum Teil prominente Vertreter der Christdemokraten einen offenen Brief verfasst, in dem sie davor warnen, die Gleichstellung „zur Disposition“ zu stellen. „Ich habe den Brief nicht unterschrieben“, sagt Seelmaecker, „und ich hätte ihn auch nicht unterschrieben.“
Auslöser für das für die CDU nahezu beispiellose Geschehen war der Vorschlag des sogenannten 17er-Ausschusses für die Landesliste zur Bundestagswahl 2017. Dieser Beschluss hat das Quorum der CDU ignoriert, wonach auf den ersten drei Plätzen der Liste eine Frau stehen muss. Das hat den Missmut führender CDU-Frauen nach sich gezogen, und die probten am Mittwoch den Aufstand gegen die Parteispitze.
Dass Seelmaeckers Name auf die Unterschriftenliste gelangt ist, mag im Eifer des Gefechts geschehen sein. Er selbst findet, dass interne Auseinandersetzungen intern und nicht öffentlich ausgetragen werden müssten. „Und durch den Brief bleibt in der Öffentlichkeit nur hängen, die CDU habe mit Frauen nichts am Hut“, sagt Seelmaecker. Was in diesem Fall ja aber irgendwie auch stimmt. Doch auch inhaltlich lehne er den Brief ab. „Ein Kandidat muss durch Qualität überzeugen. Und keine Frau sollte auf ein Quorum oder eine Quote reduziert werden.“
Die öffentliche Auseinandersetzung angezettelt hatten die beiden Bürgerschaftsabgeordneten Karin Prien und Birgit Stöver sowie die Frauen-Unionsvorsitzende Marita Meyer-Kainer. Sie protestierten gegen den Beschluss, die Bundestagsabgeordnete Herlind Gundelach für den wenig aussichtsreichen Listenplatz fünf vorzuschlagen. Die drei Frauen erwarten, dass die 67-Jährige am 8. Dezember auf dem Parteitag, auf dem die Landesliste endgültig beschlossen wird, auf den dritten Platz gesetzt wird.
Es fehlen die Frauen
Pikant: Die drei CDU-Frauen luden zur Bekanntgabe der Protestnote ins Erdgeschoss der Parteizentrale am Leinpfad. Ein Stockwerk darüber hat Parteichef Roland Heintze sein Büro. Und dem weht seit dem Beschluss des „17ers“ nun ein starker Wind ins Gesicht. Noch im Sommer bei seiner Wiederwahl zum Vorsitzenden hatte er davon gesprochen, dass die Führungsspitze weiblicher und jünger werden würde. Eingehalten hat er das „Jünger“. Weiblicher ist der Vorstand jedenfalls nicht geworden und die Partei sowie die wenigen Posten noch nicht. Und so gibt es die ersten Stimmen in der Partei, die beklagen, dass Heintze mit seiner Ankündigung ohne Not Ziele gesetzt habe, die kurzfristig nicht zu erreichen seien.
Es hatte auch Kopfschütteln ausgelöst, dass Heintze am Sonntag zu einer Pressekonferenz geladen hatte, um den umstrittenen Beschluss des 17ers zu verkünden. „Es war doch klar, dass ihm der um die Ohren gehauen würde“, sagt ein CDU-Mann. Heintze, von Beruf PR-Agentur-Chef, hatte ausgerechnet Birgit Stöver mitgebracht, die die Nichteinhaltung des Quorums im Beisein ihres Parteichefs auseinandernahm.
Ohnehin ist der 17er-Ausschuss parteiintern in der Kritik. Er besteht aus Mitgliedern des Landesvorstands, Vertretern der sieben Kreisverbände sowie den Vorsitzenden von Junger Union, Frauen-Union und anderen Partei-Organisationen. Er tariert im Vorfeld von Wahlen die unterschiedlichen Interessen aus und entwickelt daraus einen Vorschlag für die Landesliste. Früher war der männlich geprägte Zusammenschluss ein mächtiger Postenverteiler. Heute steht er für Hinterzimmerpolitik und Intransparenz.
Mächtigen Gegenwind
Beide Kriterien werden unter der Hand auch bei den Grünen ins Feld geführt, wenn es um deren Wahl der Landesliste für die Bundestagswahl geht. Deren Parteichefin Anna Gallina hat am vergangenen Wochenende ebenfalls mächtig Gegenwind abbekommen und eine schmerzhafte Niederlage bei der Wahl um den Listenplatz drei erlitten. Die im Vergleich nahezu unbekannte Jennifer Jasberg hatte Gallina überraschend deutlich geschlagen. Es hieß, die Bergedorfer Herausforderin habe gut mobilisiert. „Die Hälfte der Mitglieder auf dem Parteitag habe ich noch nie gesehen“, sagte etwa eine prominente Grünen-Frau.
Symbolischer Platz
Nun ist es nahezu ausgeschlossen, mit dem Listenplatz den Einzug in den Bundestag zu schaffen. Vielmehr handelt es sich um einen symbolischen Platz, von dem aus Gallina den grünen Wahlkampf unterstützen wollte. Gut möglich, dass es auch Mitglieder gab, die es ihr vorwerfen, nicht stärker grüne Positionen gegen den Koalitionspartner SPD zu vertreten. Das allerdings hieße, gegen die eigenen Senatoren und die Fraktion zu arbeiten. So aber definiert Gallina ihre Rolle nicht.
So etwas wie Rückenwind konnte dagegen SPD-Landeschef Olaf Scholz spüren, als dessen Bundesvorsitzender Sigmar Gabriel ihn zum möglichen Kanzlerkandidaten erklärte. „Olle Kamellen“ heißt es aus dem Umfeld. „Aber es gibt Schlimmeres, als vom Parteichef für kanzlerfähig erklärt zu werden.“