Hamburg. Neuer Eigentümer Maersk will den Firmensitz der Traditionsreederei in Hamburg lassen. Experten befürchten dennoch Jobabbau.

Lange hatte man verhandelt. Es gab Gespräche in Bielefeld, in Kopenhagen und in Hamburg. Am gestrigen Donnerstag dann wurde das Ergebnis verkündet: Der Familienkonzern Oetker trennt sich von seiner Schifffahrtssparte und verkauft die Reederei Hamburg Süd an den weltweiten Branchenprimus Maersk Line.

Die Nachricht löste in der Stadt Schockwellen aus. Dass ausgerechnet Hamburg Süd in dem allgemeinen Konzentrationsprozess, der in der Schifffahrt immer schneller voranschreitet, als Solitär überleben könnte, hatte kaum jemand geglaubt. Zudem gab es seit mehreren Wochen Gerüchte, dass die Familie Oetker über die Zukunft ihrer Schifffahrtssparte mit mehreren Interessenten verhandelt. Das Tempo der Entscheidung war für Experten aber dann doch überraschend.

Maersk wird wohl Doppelfunktionen abbauen

Ebenso für die Mitarbeiter. Diese wurden gestern um zehn Uhr bei einer Betriebsversammlung in der frisch ausgebauten Firmenzentrale in der Willy-Brandt-Straße darüber informiert, dass ihr mehr als 100 Jahre altes Unternehmen künftig einen neuen Eigentümer haben wird. Viele fürchten jetzt um ihre Reederei – und auch um ihre Arbeitsplätze, obgleich die Dänen zunächst alle Verträge beibehalten wollen. Aber
Maersk ist auch im Südamerikageschäft, dem Hauptfahrgebiet von Hamburg Süd, stark vertreten – und wird wohl Doppelfunktionen abbauen.

Darüber wollte der Unternehmenschef von Maersk, Søren Skou, am gestrigen Donnerstag aber noch nicht sprechen. Im Gespräch mit Journalisten räumte er zwar ein, dass er durch die Übernahme „substanzielle Synergieeffekte“ erwarte. Zu eventuellen Stellenstreichungen in Hamburg äußerte er sich jedoch nicht. Stattdessen lobte er die Mitarbeiter und Geschäftsführung von Hamburg Süd und kündigte an, dass er die „starke“ Marke erhalten wolle.

Demonstration führt bis zum Rathaus

Die Beschäftigten von Hamburg Süd haben dennoch Angst um ihre Arbeitsplätze und wollen an diesem Freitagmittag für den Erhalt ihrer Jobs demonstrieren. „Wir protestieren nicht gegen Maersk. Aber wir wollen die Politik dafür gewinnen, sich für uns bei der Konzernleitung einzusetzen“, sagte Mathias Günther, Betriebsrat der Hamburg-Süd-Tochter Columbus Shipmanagement, dem Abendblatt. Der Demonstrationszug soll vom Firmensitz an der Willy-Brandt-Straße zum Rathaus führen.

Skou erklärte zudem, dass die Firmenzentrale in Hamburg bleibe. „Hamburg Süd soll in der Zukunft so weitermachen wie bisher“, sagte der Maersk-Chef, der nach Informationen des Abendblatts 4,4 Milliarden Euro für die Reederei bezahlt hat. An ein „Weiter so!“ glauben aber längst nicht alle. Martin Makait, Geschäftsführender Gesellschafter des maritimen Beratungsunternehmens MWP, geht davon aus, dass mittelfristig eine größere Zahl der Hamburger Arbeitsplätze in Gefahr gerät. „Maersk gibt das viele Geld nicht ohne Grund aus, sondern erwartet natürlich Rationalisierungspotenzial“, sagt er.

Hamburg gehört nicht zu Maersks Haupthäfen

Auch für den Hamburger Hafen werde die Entscheidung Konsequenzen haben. „Kurzfristig werden die Warenströme so weiterlaufen wie bisher. Mittel- und langfristig wird Maersk sich aber auf seine Haupthäfen konzentrieren – und zu denen hat Hamburg in der Vergangenheit nicht gehört“, so Makait.

Maersk hat mit dem Umschlagterminal Eurogate eine Partnerschaft für die bevorzugte Abfertigung an einem Terminal in Bremerhaven und betreibt mit Eurogate den Tiefwasserhafen Wilhelmshaven. Hamburg Süd hat seine Hamburger Ladung hingegen bisher beim Eurogate-Konkurrenten HHLA löschen lassen. Und der Geschäftsführer der Vereinigung Hamburger Schiffsmakler, Alexander Geisler, weist darauf hin, dass die Hansestadt durch die Übernahme eine weitere Firmenzentrale verliert und spricht von einer „bedauerlichen Entwicklung für den Wirtschaftsstandort Hamburg“.

189 Schiffe fahren für Hamburg Süd

Dabei hätte die Familie Oetker andere Optionen gehabt: Auch die chinesische Reederei Cosco und die französische CMA CGM hatten Interesse an einem Kauf von Hamburg Süd. Cosco wollte dadurch im Asien-Südamerika-Verkehr Fuß fassen. Die Franzosen hatten mit Hamburg Süd in der Vergangenheit schon enger zusammengearbeitet. Letztlich hat sich der Bielefelder Oetker-Konzern aber für das beste Angebot und das kapitalstärkste Schifffahrtsunternehmen entschieden.

Hamburg Süd beschäftigt weltweit rund 6000 Mitarbeiter. Für das Unternehmen fahren 189 Schiffe, davon 48 eigene. Mit einem Marktanteil von 2,9 Prozent liegt die Reederei aber abgeschlagen auf dem siebten Platz der Branche weltweit. Eine Stärkung durch Zukäufe lehnten die Oetkers ab: Eine Teilnahme an dem derzeit stattfindenden Konsolidierungsprozess der Reedereien hätte einen höheren Kapitalbedarf bedeutet, teilte der Konzern am Donnerstag mit. „Dies würde den Risikoausgleich innerhalb der Oetker-Gruppe empfindlich stören.“

Hamburgs Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos) sagte dem Abendblatt, er habe den Verkaufsprozess intensiv mitbegleitet und kündigte an, es werde in Kürze weitere Gespräche mit der Führung des dänischen Unternehmens geben. „Ich bedaure noch immer, dass es nicht zu der einst geplanten Fusion zwischen Hamburg Süd und Hapag-Lloyd gekommen ist, aber der Blick zurück hilft nicht weiter. Maersk ist ein starker Partner für Hamburg Süd“, so der Senator. Ladungsverluste für den Hamburger Hafen befürchtet Horch nicht: „Nach meiner Auffassung wird die Übernahme keine negativen Auswirkungen auf den Hamburger Hafen und das Ladungsaufkommen dort haben. Hamburgs Hafen dürfte eher profitieren“, sagte er. Es sei zudem positiv zu bewerten, dass der Name Hamburg Süd erhalten bleibt.