Hamburg. Erben streiten über die Strategie beim Pudding- und Pizza-Imperium. Auch die einst geplante Fusion mit Hapag-Lloyd scheiterte deshalb.
Die Oetker-Gruppe steht hinter einer beeindruckenden Vielzahl von bekannten Marken: Pudding, Backartikel und Tiefkühlpizza mit dem rot-weißen „Dr. Oetker“-Logo, gefrorene Torten von Coppenrath & Wiese, zahlreiche Biersorten wie Jever, Radeberger oder DAB, Henkell- und Fürst-von-Metternich-Sekt, Pott-Rum und Wodka Gorbatschow, aber auch alkoholfreie Getränke wie Selters-Wasser und Bionade. Zu dem Bielefelder Familienkonzern gehören außerdem das Bankhaus Lampe sowie neun Luxushotels unter anderem in London, Paris und auf den Seychellen.
Sechs Geschäftsbereiche hat die Gruppe, doch die Hälfte des Gesamtumsatzes von 12,2 Milliarden Euro steuerte zuletzt allein die Reederei Hamburg Süd bei – und mit 437 Millionen Euro flossen im vergangenen Jahr fast 60 Prozent aller Investitionen in die Schifffahrt. Die seit längerer Zeit im Raum stehende Frage, wie man mit diesem Ungleichgewicht umgehen sollte, ist nun beantwortet. Allerdings verlief die Entscheidungsfindung, wie im Umfeld des Unternehmens wiederholt verlautete, keineswegs ganz harmonisch – was angesichts der Ränkespiele, die hinter den Kulissen offenbar ausgetragen werden, nicht überraschen kann.
Konzern nimmt keine Stellung
Schon die Pläne für eine Fusion von Hamburg Süd und Hapag-Lloyd sollen im Frühjahr 2013 letztlich an dem familieninternen Zwist gescheitert sein. Zwar übt man sich nach außen hin in „ostwestfälischer Zurückhaltung“, wie es ein Firmensprecher ausdrückt. Der Konzern, der noch nicht einmal Zahlen zum Gewinn veröffentlicht, nimmt selbstverständlich keine Stellung zu den vielen Berichten über Streitereien der Oetker-Erben, also der acht Kinder aus den drei Ehen des im Jahr 2007 gestorbenen Rudolf-August Oetker, den viele Mitarbeiter schlicht „RAO“ nannten.
Es scheint aber ziemlich klar zu sein, wie die beiden Lager aufgestellt sind: Auf der einen Seite die drei Kinder aus seiner dritten Ehe, also Alfred (49), Carl Ferdinand (44) und Julia (37) Oetker. Sie sollen im Jahr 2013 die Fusion der beiden Hamburger Reedereien, das „Projekt Hanse“, zu Fall gebracht und sich danach stets für den Ausstieg aus der extrem schwankungsanfälligen Branche starkgemacht haben.
Konflikt durch Auszahlung der Erben beenden
Auf der anderen Seite stehen die fünf Kinder aus den beiden ersten Ehen von Rudolf-August Oetker, mit August Oetker (72), dem Vorsitzenden des Beirats der Gruppe, an der Spitze. Er tendierte, wie es heißt, zum Festhalten am Reedereigeschäft. Man muss in einer aktuellen Stellungnahme von August Oetker zum Verkaufsbeschluss schon zwischen den Zeilen lesen, um erahnen zu können, wie es im Vorfeld zuging: „Nach einer 80 Jahre währenden Eigentümerstellung bei Hamburg Süd unser Engagement im Bereich der Schifffahrt aufzugeben, war keine einfache Entscheidung für meine Familie.“ Es gibt Spekulationen, wonach der Verkauf auch dazu dienen könnte, die jüngeren Oetker-Erben auszuzahlen, um den Konflikt so zu beenden.
Denn in dem Familienstreit, in den zeitweise hoch bezahlte Anwälte eingeschaltet waren, geht es nicht zuletzt um die Nachfolge von Richard Oetker (65), der satzungsgemäß zum Jahresende aus der vierköpfigen Gruppenleitung ausscheiden muss. Als einziges Familienmitglied in diesem Gremium ist er informell der Chef des Konzerns.
Offen ist, wer Gruppe künftig führt
Neben ihm sitzen in dem Leitungsgremium derzeit Finanzchef Albert Christmann, Hamburg-Süd-Chef Ottmar Gast und Niels Lorenz, der für den Getränke-Bereich zuständig ist. Während die jüngeren Oetker-Erben für Alfred Oetker als Nachfolger von Halbbruder Richard an der Konzernspitze kämpfen, bevorzugen die älteren Familienmitglieder dem Vernehmen nach eine Lösung mit einem außenstehenden Manager. Hoch gehandelt wird der Name Albert Christmann. Doch dieser trägt eine schwere Bürde: Nach Ansicht des Bundeskartellamts war Christmann als damaliger Vertriebschef der Oetker-Brauereien in den Jahren 2007 und 2008 an illegalen Preisabsprachen beteiligt – was er bestreitet.
Von einem Treffen des Beirats im September hatte man sich eine Entscheidung im Nachfolgestreit erhofft. Doch ein Beschluss, der bei dieser Gelegenheit gefasst wurde, diente offenbar nur dazu, Zeit zu gewinnen: Richard Oetker wird über das Jahresende hinaus die wichtige Lebensmittelsparte leiten. Wer die Gruppe künftig führen wird, blieb aber offen. Die Bielefelder Familiensaga bleibt also spannend.